Mit dem Computer gegen die Angst – Neuartige Behandlungsmöglichkeit von Sozialen Ängsten wird in Mannheim erforscht

Soziale Angst ist nach Depression die zweithäufigste seelische Störung und betrifft ca. 7-10% der Bevölkerung, wobei sowohl Frauen als auch Männer darunter leiden. Das Störungsbild einer Sozialen Angststörung ist gekennzeichnet durch eine anhaltende und ausgeprägte Angst vor einer oder mehreren Situationen, in denen die Betroffenen mit unbekannten Personen konfrontiert sind oder in denen sie von anderen beurteilt werden könnten. Die Angst schränkt das allgemeine Leben der Betroffenen, ihre berufliche Leistung oder ihre zwischenmenschlichen Kontakte erheblich ein. Viele Betroffenen nehmen aufgrund der bestehenden Ängste keine professionellen Hilfsangebote in Anspruch und suchen keine Selbsthilfegruppen auf. Neuartige computergestützte Therapieformen stellen nun eine moderne und erfolgversprechende Alternative dar.

In den letzten Jahren wurden international auf vielen Gebieten der Psychotherapie erstaunliche Erfolge durch computergestützte Formen der Selbstbehandlung erzielt. So fand z.B. eine Arbeitsgruppe um den schwedischen Forscher Per Carlbring im Jahr 2004, dass eine über das Internet angebotene Selbsthilfebehandlung kombiniert mit einem minimalen E-Mail-Kontakt zu einem Therapeuten bei Panikstörungen genauso effektiv sein kann wie die traditionelle Kognitive Verhaltenstherapie. Die zwei Patientengruppen unterschieden sich nicht bedeutsam in ihrem Behandlungserfolg. Beide Behandlungsformen führten zu bedeutsamen Veränderungen in den Hauptsymptomen sowie hinsichtlich der Depressionswerte und der Lebensqualität. Folgeuntersuchungen, die ein Jahr nach Beendigung der Behandlungen erhoben wurden, bestätigten dieses Ergebnis.

Auch eine australische Forschergruppe um Helen Christensen fand im Jahr 2004 in Zusammenhang mit der Behandlung von Depressionen, dass eine Selbsthilfebehandlung, angeleitet über spezielle Internetseiten, wirksam ist. Sowohl eine Internetseite, die Wissen über Depressionen und deren Behandlungsmöglichkeiten anbot, als auch eine Internetseite, die Betroffene zur Selbsthilfebehandlung nach den Prinzipien der Kognitiven Verhaltenstherapie anleitete, konnten dazu beitragen, die Symptome von Depressionen zu verringern. Außerdem kam es zu einer Verringerung negativer Gedanken und gleichzeitig zu einem wichtigen Zuwachs an Wissen über medizinische, psychologische und lebensstilbezogene Behandlungsmöglichkeiten.

Diese Ergebnisse zeigen, dass die computergestützte Behandlung eine moderne, erfolgsversprechende Alternative zu den herkömmlichen Selbsthilfeangeboten, z.B. in Buchform, ist. Durch interaktive Elemente bietet diese neuartige Form der Selbsthilfebehandlung die Möglichkeit, den Fortschritt der Patienten zu überwachen und gegebenenfalls regulierend einzugreifen. Ein weiterer Vorteil dieser innovativen psychologischen Behandlung ist, dass auch solche Patienten sie nutzen können, für die aus diversen Gründen, z.B. eine zu große räumliche Entfernung, kein herkömmliches Therapieangebot in Frage kommt.

Ausgehend von diesen und weiteren positiven Ergebnissen auf dem Gebiet der internationalen „computer-assisted“- bzw. „computer-guided self-help“-Forschung bietet die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Martin Bohus) am Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim ein neu entwickeltes computergestütztes Selbsthilfemodul zur Behandlung von Sozialen Ängsten an.
Von zentraler Bedeutung sind neben der Vermittlung grundlegender Informationen die Anleitungen zu selbstständig durchzuführenden Verhaltensübungen. Diese Bedeutung wird gestützt durch eine Untersuchung zu Phobien und Panikstörungen der englischen Forschungsgruppe um Andreas J. Schneider im Jahr 2005. Diese Studie hat ergeben, dass eine computergestützte Selbsthilfebehandlung, die ebenfalls auf den Prinzipien der kognitiven Verhaltenstherapie beruhte und entsprechende Verhaltensübungen beinhaltete, in einer Messung, einen Monat nach Beendigung der Behandlung, in fünf von zehn Einschätzungsverfahren bedeutsam bessere Behandlungsergebnisse erzielte als eine computergestützte Selbsthilfebehandlung, die auf solche Elemente verzichtete.

Unter der Leitung von Dr. Regina Steil wird nun die Wirksamkeit und Wirkweise sowie die Kosteneffektivität eines neuartigen, gestuften Behandlungsprogramms für Soziale Ängste untersucht. Dieses innovative, gestufte Behandlungsprogramm gliedert sich in ein computerbasiertes Selbsthilfemodul und weitere therapeutengeleitete Behandlungsphasen je nach Bedarf. Durch die Behandlungen wird die Verarbeitung angstauslösender Situationen verändert und die Betroffenen lernen, wie sie mit der Angst besser umgehen können, indem sie neue Fertigkeiten für den Umgang mit der Angst erlernen und üben. Dies geschieht entweder gänzlich unter der Anleitung durch einen Therapeuten, oder, in der neuen, etwas abgewandelten Behandlungsmethode, durch die Kombination von einer computergestützten Selbstbehandlung, die der Patient selbstständig zuhause durchführen kann, und therapeutengeleiteter Behandlung.

Das Störungsbild einer Sozialen Angststörung ist gekennzeichnet durch eine anhaltende und ausgeprägte Angst vor einer oder mehreren Situationen, in denen die Betroffenen mit unbekannten Personen konfrontiert sind oder in denen sie von anderen beurteilt werden könnten wie z.B. in Vortragssituationen, bei öffentlichem Schreiben, Trinken oder Essen. Das Aufsuchen einer gefürchteten Situation ruft fast immer eine sofortige Angstreaktion hervor. Die Betroffenen fangen an z.B. zu zittern, schwitzen oder werden rot. Obwohl sie erkennen, dass ihre Angst übertrieben oder unbegründet ist, vermeiden sie die gefürchteten Situationen oder ertragen sie nur unter großer Angst. Dies schränkt ihr allgemeines Leben, ihre berufliche Leistung oder ihre zwischenmenschlichen Kontakte erheblich ein. Soziale Ängste verursachen erhebliches seelisches Leid. Soziale Angst ist nach Depression die zweithäufigste seelische Störung und betrifft ca. 7-10% der Bevölkerung, wobei sowohl Frauen als auch Männer darunter leiden.

Zur Durchführung der Behandlungsstudie werden Personen zwischen 18 und 60 Jahren gesucht, die aktuell unter einer Sozialen Angsterkrankung leiden. Es sollten derzeit keine anderen schwerwiegenden körperlichen oder seelischen Erkrankungen vorliegen. Betroffene zwischen 18 und 60 Jahren, die sich für die neuartige Behandlungsmöglichkeit an der Klinik für Psychosomatik und Psychotherapeutische Medizin am ZI interessieren, können unverbindlich Kontakt zu den Projektmitarbeitern aufnehmen. Das ist entweder telefonisch über das Sekretariat unter der Telefonnummer 062/1703-4023 oder per E-Mail an die Adresse sozialephobie@zi-mannheim.de möglich. Hier bekommen Interessierte auch Informationen über ein weiteres Projekt zur Erforschung der Entstehung und Chronifizierung sozialer Ängste, das am Institut für Neuropsychologie und Klinische Psychologie am ZI durchgeführt wird.

Rückfragen von Journalisten bitte an :
Dr. med. Marina Martini, M. Sc.
Leitung Referat Öffentlichkeitsarbeit
Zentralinstitut für Seelische Gesundheit
J 5, 68159 Mannheim
Fon: 0621/1703-1301
Fax: 0621/1703-1305
E-Mail: marina.martini@zi-mannheim.de

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Dr. med. Marina Martini idw

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