Den Hirntumor möglichst vollständig, aber schonend entfernen

Zehn Jahre intraoperative Kernspintomographie in der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg / Vorteile für Patienten mit Hirntumoren mit geringerer Malignität


Eine Untersuchung mit der Kernspintomographie während der Operation eines Hirntumors trägt dazu bei, dass der Tumor radikaler, aber gleichzeitig schonend entfernt werden kann. Dies gilt vor allem für Astrozytome (Grad II und III), an der überwiegend Erwachsene ab dem 35. Lebensjahr erkranken. Sowohl die Überlebensraten als auch der Erhalt wichtiger Hirnfunktionen wird durch den Einsatz der intraoperativen Kernspintomographie (Magnetresonanztomographie, MRT) verbessert.

Diese positive Bilanz hat der Ärztliche Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik Heidelberg, Professor Dr. Andreas Unterberg, bei einer Pressekonferenz am 26. Januar 2006 gezogen, die anlässlich einer Tagung zum Jubiläum veranstaltet wurde. In der Heidelberger Klinik wurde vor gut zehn Jahren die erste intraoperative MRT in Europa durchgeführt – wenige Monate nach der Weltpremiere in Boston. Mittlerweile konnten in Heidelberg einige 100 Patienten von diesem Verfahren profitieren, das dem Operateur aktuelle Bilddaten während der Operation liefert.

Aktuelle MRT-Bilder werden benötigt, weil sich das Gehirn während der OP verschiebt

In Deutschland erkranken jährlich etwa 6.000 Menschen an einem Tumor, der vom Gehirngewebe ausgeht. Die Tumoren lassen sich auch unter dem OP-Mikroskop nicht sicher vom gesunden Hirngewebe unterscheiden. Mit Hilfe der MRT und der Computertomographie können die Tumorgrenzen besser erkannt werden. Diese Bilddaten fließen vor der Operation in die dreidimensionale OP-Planung ein, die als computergestützte Neuronavigation den Operateur sicher durch das Operationsfeld führt.

Zu Beginn der Operation verschiebt sich jedoch meist das Gehirn, da Gehirnflüssigkeit entweicht und der Hirndruck nachlässt. „Die MRT während der Operation kann aktuelle Bilder liefern und den OP-Plan justieren“, erklärt Privatdozent Dr. C. Rainer Wirtz, Leitender Oberarzt der Neurochirurgischen Klinik, der das Heidelberger Konzept von Anfang an maßgeblich mit entwickelt hat. Die zusätzliche Untersuchung birgt keine Risiken für den Patienten.

Beim Heidelberger Konzept der intraoperativen MRT wird der Patient in einem herkömmlichen neurochirurgischen Operationssaal operiert. Zur MRT-Kontrolle wird er mit Begleitung des Anästhesisten auf einem Luftkissen-gelagerten OP-Tisch in einen benachbarten Raum gefahren, wo das Lagerungsbrett vom MRT-Scanner übernommen wird. Die MRT-Untersuchung dauert 20 bis 45 Minuten. Der Kopf des Patienten ist dabei in einer speziell entwickelten Spule fixiert. Nach der Untersuchung wird der Patient in den OP zurückgebracht und die Operation wird fortgesetzt.

Das Bostoner Konzept der intraoperativen MRT sieht dagegen eine Installation des MR-Gerätes direkt im Operationssaal vor. Dies hat den Nachteil, dass nur OP-Instrumente verwendet können, die nicht von der Magnetkraft beeinflusst werden; außerdem ist die Bewegungsfreiheit der Operateure eingeschränkt.

Heidelberger Konzept wird an sechs Kliniken in der ganzen Welt umgesetzt

Der Nutzen der intraoperativen MRT bei bestimmten Patienten ist unbestritten, die Kosten pro Patient sind jedoch relativ hoch. Den Krankenkassen entstehen im DRG-Vergütungssystem (Fallpauschale pro Behandlungsfall) keine zusätzlichen Kosten. Bis heute wurde das Heidelberger Konzept an sechs Kliniken in der ganzen Welt, drei davon in Deutschland, umgesetzt.

„Vor allem jüngere Patienten mit Astrozytomen Grad II und III profitieren von dem Einsatz der intraoperativen MRT“, erklärte Professor Unterberg. Hier könnten – je nach Bösartigkeit des Tumors – Überlebensraten von bis zu 15 Jahren erzielt werden. Er plädierte deshalb dafür, dass vor allem dieser Patientengruppe an ca. fünf Zentren in Deutschland dieses Verfahren angeboten wird.

Die Heidelberger Klinik möchte in den kommenden Jahren ein MRT-Gerät mit höherer Magnetfeldstärke einsetzen, das zusätzlich neuroradiologische Eingriffe sowie den Einsatz von Elektroden im Gehirn (Tiefenhirnstimulation), z.B. bei der Parkinsonschen Erkrankung, unter „Sichtkontrolle“ gestattet.

Kontakt:
Professor Dr. Andreas Unterberg
Neurochirurgische Universitätsklinik
Telefon: 06221 / 56 6301 (Sekretariat)
Andreas.unterberg@med.uni-heidelberg.de

Professor Dr. Klaus Sartor
Abteilung für Neuroradiologie, Radiologische Universitätsklinik
Telefon: 06221 / 56 7566 (Sekretariat)
Klaus.sartor@med.uni-heidelberg.de

Informationen zu einer Tagung am 28. Januar anlässlich des 10-jährigen Jubiläums der intraoperativen MRT am Uniklinikum Heidelberg:
www.klinikum.uni-heidelberg.de/index.php?id=8861

Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 672
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 45 36
Fax: 06221 / 56 45 44
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