Gefährliche Eiweißablagerungen stoppen

Pilotstudie am Universitätsklinikum Heidelberg: Patienten mit einer gefährlichen Bluterkrankung profitieren von der Übertragung fremder Blutstammzellen

Patienten, die an der so genannten AL-Amyloidose, einer seltenen Bluterkrankung, leiden, kann durch die Transplantation fremder Blutstammzellen, eine „allogene“ Transplantation, geholfen werden.

Dies sind die viel versprechenden Ergebnisse einer europäischen Pilotstudie, die im Rahmen der Europäischen Gruppe für Blut- und Knochenmarktransplantation (EBMT) durchgeführt und im Wesentlichen von Dr. Stefan Schönland, Abteilung Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Anthony Ho) in Zusammenarbeit mit Professor Gösta Gahrton (EBMT), Karolinska Hospital Stockholm, konzipiert und geleitet wurde. Die Arbeit wurde von der renommierten Fachzeitschrift „Blood“ online veröffentlicht und wird voraussichtlich im März dieses Jahres in der Druckversion erscheinen.

Bei Patienten mit AL-Amyloidose (die verschiedenen Formen von Amyloidose werden nach dem beteiligten Protein eingeteilt: A steht für Amyloidose, L für Leichtketten der Immunglobuline) produzieren entartete Immunzellen (Plasmazellen) im Knochenmark im Übermaß ein Protein, das sich als schädliches Amyloid-Eiweiß in praktisch allen Organen ablagern kann und ihre Funktion beeinträchtigt. Nur fünf Prozent der Betroffenen sind zehn Jahre nach der Diagnose noch am Leben. Unbehandelt sterben die meisten Patienten innerhalb eines Jahres.

Die Hochdosis-Chemotherapie mit Transplantation von patienteneigenen Blutstammzellen (autologe Transplantation) bietet etwa 50 Prozent dieser Patienten eine Chance auf vollständige Rückbildung der Bluterkrankung und Besserung der Organfunktionen mit einer deutlich verlängerten Lebenserwartung. Als größtes deutsches Zentrum auf dem Gebiet der Stammzelltransplantationen – pro Jahr führen die Ärzte ca. 220 Transplantationen durch – ist die Medizinische Universitätsklinik Heidelberg auch bei der Übertragung von patienteneigenen Blutstammzellen bei AL-Amyloidose führend. Etwa die Hälfte der Betroffenen spricht jedoch auf die Therapie nicht an oder erleidet einen Rückfall.

Viel versprechende Behandlungsalternative

Ermutigende Ergebnisse präsentieren nun Dr. Stefan Schönland und Kollegen der EBMT. Sie haben die Daten von 19 AL-Amyloidose-Patienten ausgewertet, die in europäischen Kliniken eine allogene (= fremder Spender) oder syngene (= Zwilling als Spender) Stammzelltransplantation erhalten haben. „Bei den meisten Patienten hatten die herkömmlichen Behandlungsmethoden keine ausreichende Wirkung gezeigt“, erklärt Dr. Schönland. Daher entschlossen sich die behandelnden Ärzte, mit der Übertragung von fremden Stammzellen eine bei der Amyloidose bisher noch nicht erprobte Therapie anzuwenden.

Ein Jahr nach dem Eingriff lag die Gesamtüberlebensrate bei 60 Prozent, bei 53 Prozent der Patienten war die Krankheit nicht weiter vorangeschritten. In acht Fällen blieben die Ablagerungen fortan aus, bei zwei Patienten waren sie zumindest deutlich reduziert. Die Organschäden besserten sich bei acht Betroffenen. Positiv zu vermerken ist auch, dass sieben dieser zehn Patienten auch nach einem Zeitraum von durchschnittlich 2,5 Jahren noch am Leben sind. Die Forscher vermuten, dass das Spendertransplantat eine Immunreaktion gegen die entarteten Plasmazellen auslöst und dadurch die Erkrankung zum Stillstand kommt.

Klinische Langzeitstudie geplant

Die Wissenschaftler kommen zu dem Schluss: Die Ergebnisse dieser Studie können durchaus dem Vergleich mit den Erfolgsraten der allogenen Stammzelltransplantation bei anderen Bluterkrankungen standhalten. Das neue Therapieverfahren erscheint dann sinnvoll zu sein, wenn Standardtherapien fehlgeschlagen sind und der Patient noch in einer guten körperlichen Verfassung ist.

Als nächsten Schritt möchten Schönland und seine Kooperationspartner im Rahmen einer klinischen Langzeitstudie der Phase II die Behandlung an einer größeren Zahl von Patienten prüfen.

Interdisziplinäre Betreuung im Amyloidosezentrum Heidelberg

Amyloidosen treten sehr selten auf. So erkranken in den USA pro Jahr etwa zehn Menschen unter einer Million an der AL-Amyloidose. Die Zusammenarbeit von Experten verschiedener Fachrichtungen spielt bei dieser Erkrankung eine große Rolle, da fast alle Organe betroffen sein können. Auch die Transplantationen von Leber, Niere oder Herz als Ersatz für das geschädigte Organ können zum Behandlungsspektrum gehören.

Die Amyloidosegruppe der Medizinischen Klinik V ist deshalb eingebettet in das Amyloidose-Zentrum Heidelberg, das von Dr. Reinhard Singer, Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik, geleitet wird. Patienten aus ganz Deutschland suchen das Zentrum zu Beratungen oder Behandlungen auf.

Literatur:
Stefan O. Schonland et al.: „Allogeneic and Syngeneic Hematopoietic Cell
Tranplantation in Patients with Amyloid Light Chain Amyloidosis: A Report from the European Group for Blood and Marrow Transplantation“, Blood First Edition Paper, prepublished online November 17, 2005; DOI 10.1182/blood-2005-06-2462.

Ansprechpartner:
Dr. Stefan Schönland
Medizinische Universitätsklinik Heidelberg
Abteilung für Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie
Im Neuenheimer Feld 410
69120 Heidelberg
Tel.: 06221 / 56 8001
Fax: 06221 / 56 5721

Bei Rückfragen von Journalisten:
Dr. Annette Tuffs
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Universitätsklinikums Heidelberg
und der Medizinischen Fakultät der Universität Heidelberg
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