Neues Therapiekonzept bei Magersucht und Ess-Brechsucht

Essattacke - König, RUB-Pressestelle

Essstörungen: Der eigene Körper im Zerrspiegel

Neues Therapiekonzept bei Magersucht und Ess-Brechsucht
Buchveröffentlichung: Körperbildtherapie gestalten

Bei der Behandlung von Essstörungen wird bislang ein einflussreicher Faktor häufig vernachlässigt: Oft ist es ein verfälschtes Bild des eigenen Körpers, das eine Essstörung hervorruft und unterhält. Die Patientinnen fühlen sich zu dick, obwohl sie untergewichtig sind, ekeln sich vor sich selbst, vermeiden die Konfrontation mit ihrem Körper.

Ein „Geraderücken“ der verzerrten Selbstwahrnehmung kann mit Hilfe einer Körperbildtherapie gelingen, die Dr. Silja Vocks (Klinische Psychologie und Psychotherapie der RUB) gemeinsam mit Dr. Tanja Legenbauer (Universität Mainz) entwickelt hat. Beschrieben ist die Therapie im jetzt erschienenen Leitfaden „Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia Nervosa“ mit zahlreichen Beispielen und Gestaltungsvorschlägen für Therapeuten.

Hohe Rückfallquote

Sich beim Essen zügeln, sich unter weiter Kleidung verstecken, sich ständig wiegen oder vermessen, den eigenen Anblick im Spiegel vermeiden und sich möglichst wenig in der Öffentlichkeit zeigen: Der Alltag von Patientinnen mit Magersucht oder Ess-Brechsucht ist oft geprägt von Angst und Ekel gegenüber dem eigenen Körper. Diese negative Selbstwahrnehmung steht häufig am Anfang einer Essstörung und unterhält sie. „In der Behandlung von Essstörungen ist das gestörte Körperbild aber bisher meistens außen vor geblieben“, erklärt Dr. Silja Vocks. Nicht zuletzt deswegen ist die Rückfallquote bei Essstörungen so hoch: Durch die Therapie erzielte Gewichtszunahmen sind oft nur vorübergehend, weil die Patientin schnell wieder in alte Verhaltensmuster zurückfällt.

Das Körperbild geraderücken

Nachweislich hilfreich ist es, das Körperbild „gerade zu rücken“. Dr. Vocks und Dr. Legenbauer haben ein Konzept entwickelt, mit dem die Patientinnen – ambulant oder stationär, einzeln oder in der Gruppe – allmählich wieder ein gesundes Verhältnis zu sich selbst aufbauen lernen. Am Beginn steht eine Bestandsaufnahme, ein Rückblick darauf, was vielleicht in der Kindheit und Jugend den Ausschlag in die falsche Richtung gegeben hat. Dann geht es darum, die negativen Wahrnehmungen, Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen zu erkennen und Schritt für Schritt zu verändern. Zentrales Element im Therapieprogramm sind Konfrontationen mit dem eigenen Körper vor dem Spiegel und mittels Videoaufnahmen. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass die Patientinnen von der eingehenden Beschäftigung mit sich selbst profitieren.

Therapieplan, Beispiele, Vorschläge

Das Buch bietet zunächst einen theoretischen Überblick über die Diagnosekriterien und die Charakteristika von Bulimie und Anorexie. Im zweiten Teil findet sich ein detaillierter Therapieplan. Zahlreiche Beispiele und Vorschläge für Arbeitsblätter und die Gestaltung von Therapiesitzungen helfen dem Therapeuten bei der Vorbereitung der Körperbildtherapie einschließlich der Strategien zur Vermeidung von Rückfällen. Zur Vertiefung enthält der Band ein ausführliches Literaturverzeichnis.

Körperbildtherapie: Nachweislich erfolgreich

Dr. Vocks bietet an der Ruhr-Universität seit 2003 regelmäßig Körperbildtherapiegruppen für Frauen mit Essstörungen an. Ab Anfang 2006 wird es eine gesonderte Gruppe für Patientinnen mit der sog. Binge-Eating-Störung geben, die sich durch Essattacken ohne Erbrechen auszeichnet. Die Erfolge der Körpertherapie hat sie in verschiedenen Studien evaluiert. Aktuell läuft eine Studie zur Gehirnaktivität essgestörter Frauen während der Konfrontation mit dem eigenen Körper. Mittels funktioneller Magnetresonanztomographie vergleichen die Forscher die Gehirnaktivitäten gesunder und essgestörter Frauen.

Titelaufnahme

Silja Vocks, Tanja Legenbauer: Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia Nervosa. Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm. Hogrefe Verlag, Göttingen, 2005, ISBN 3-8017-1836-0

Weitere Informationen

Dr. Silja Vocks, Arbeitseinheit Klinische Psychologie und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, GAFO 03/924, Tel. 0234/32-23106
vocks@kli.psy.ruhr-uni-bochum.de

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.ruhr-uni-bochum.de/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neues topologisches Metamaterial

… verstärkt Schallwellen exponentiell. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am niederländischen Forschungsinstitut AMOLF haben in einer internationalen Kollaboration ein neuartiges Metamaterial entwickelt, durch das sich Schallwellen auf völlig neue Art und Weise…

Astronomen entdecken starke Magnetfelder

… am Rand des zentralen schwarzen Lochs der Milchstraße. Ein neues Bild des Event Horizon Telescope (EHT) hat starke und geordnete Magnetfelder aufgespürt, die vom Rand des supermassereichen schwarzen Lochs…

Faktor für die Gehirnexpansion beim Menschen

Was unterscheidet uns Menschen von anderen Lebewesen? Der Schlüssel liegt im Neokortex, der äußeren Schicht des Gehirns. Diese Gehirnregion ermöglicht uns abstraktes Denken, Kunst und komplexe Sprache. Ein internationales Forschungsteam…

Partner & Förderer