Risikopatienten für Arthrose treiben zu wenig Sport

Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg publiziert erstmals repräsentative Daten: Jeder vierte ist betroffen / Wichtigster Risikofaktor ist Übergewicht


An schmerzhaften Gelenkabnutzungen (Osteoarthrose) leidet jeder vierte Bundesbürger. Regelmäßige sportliche Betätigung in Maßen könnte vorbeugen, doch gerade die Hochrisikogruppen nehmen diese Chance der Gesundheitsvorsorge viel zu wenig wahr. Dies sind Ergebnisse der ersten repräsentativen Querschnittsstudie in Deutschland, die jetzt von Wissenschaftlern der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg in zwei wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht worden sind.

„Bislang gab es keine gesicherten Informationen zum Vorkommen der Arthrose in Deutschland, man musste auf Daten aus dem Ausland zurückgreifen“, erklärt Dr. Sven Schneider, Wissenschaftler an der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg. Dafür hat er Daten des Nationalen Gesundheits-Surveys des Robert-Koch-Instituts in Berlin ausgewertet: Vier mobile Ärzteteams untersuchten und befragten von 1997 bis 1999 rund 6.200 Personen zwischen 18 und 79 Jahren.

„Die Ergebnisse bestätigen zum Teil unsere Annahmen, manches war jedoch auch überraschend“, so Dr. Schneider. Wenig erstaunlich ist die Altersabhängigkeit: Unter 30 Jahren ist die Arthrose eines Gelenks eher selten. Nur jeder 20. ist betroffen, bei über Sechzigjährigen ist es jeder zweite.

Rauchen und erhöhter Alkoholkonsum sind keine Risikofaktoren für Arthrose

Erwartungsgemäß stellt Übergewicht den bedeutsamsten Risikofaktor für die Entstehung einer Arthrose dar. Darüber hinaus scheinen aber eher positive Konsumgewohnheiten (wie Abstinenz vom Rauchen und höchstens moderater Alkoholkonsum) das Auftreten eine Arthrose nicht verhindern zu können. Für Raucher war bereits bekannt, dass diese recht selten an einer Arthrose leiden, vermutlich auch aufgrund ihres geringeren Gewichts durch einen nikotinbedingt aktiveren Stoffwechsel und verminderten Appetit.

Bei den Erkrankungen, die häufig von einer Arthrose begleitet werden, steht die Osteoporose im Vordergrund, an der rund zwei Drittel der Patienten zusätzlich leiden. Gelenkschäden gehen zudem einher mit hohem Blutdruck und erhöhten Blutfett-Werten. Erstmals wurde auch ein Zusammenhang mit Schilddrüsenerkrankungen und chronischen Bronchialerkrankungen festgestellt.

Mehr Arthrosen bei Arbeitern, Landwirten und Handwerkern

Wenig überraschend ist auch der Befund, dass vor allem schwer körperlich arbeitende Berufe wie Arbeiter, Landwirt oder selbständige Handwerker eine Arthrose begünstigen – im Vergleich zu Angestellten und Beamten. Vor allem Fehlbeanspruchungen der Beine, schweres Heben mit gebeugten Knien sowie lang andauernde kniende Tätigkeit schaden den Hüft- und Kniegelenken.

Fast ebenso häufig wie Schmerzen in Hüft- und Kniegelenken wird von den Patienten aber auch über Schmerzen in den Fingergelenken berichtet. Dies stützt die These, dass es nicht nur mechanische, sondern auch metabolische Gründe für das Entstehen einer Osteoarthrose gibt. Bei Frauen kommen noch hormonelle Faktoren hinzu. So haben Frauen einige Jahre nach den Wechseljahren viel öfter eine Arthrose als Männer. Bis zu einem Alter von 60 Jahren ist die Arthrose-Rate bei Männern höher; in höherem Alter kehrt sich das Verhältnis um.

Gerade Risikopatienten sind oft „Sportmuffel“

Eine Frage zur Vorsorge konnten die Heidelberger Wissenschaftler ebenfalls anhand der Daten des Gesundheitssurvey beantworten: Hierzulande treibt jeder zweite Erwachsene (47 Prozent) keinerlei Sport. Lediglich jeder Dritte ist zumindest eine Stunde pro Woche sportlich aktiv. Vor allem Frauen, Senioren sowie Personen aus der unteren sozialen Schicht sind „Sportmuffel.“

Gerade diese Personengruppen (z.B. ältere Frauen aus den unteren Bildungsgruppen) zählen zu den Hochrisikogruppen (nicht nur für die Arthrose, sondern auch für zahlreiche andere Volkskrankheiten wie den Rückenschmerz, Bluthochdruck und Diabetes). Deswegen schlagen die Autoren statt einer „Prävention mit der Gießkanne“ die gezielte Ausweitung niedrigschwelliger Sport- und Bewegungsprogramme für sozial Benachteiligte vor.

Für Rückfragen:
Dr. Sven Schneider
Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg
Schlierbacher Landstr. 200a 69118 Heidelberg
E-Mail: Sven.Schneider@ok.uni-heidelberg.de

Literatur:

Schneider S, Schmitt G, Mau H, Schmitt H, Sabo D, Richter W.
Der Orthopäde. 2005 Aug;34(8):782-90.
Prevalence and correlates of osteoarthritis in Germany Representative data from the First National Health Survey.

Schneider S, Becker S (2005) Sportaktivität in Deutschland – Ergebnisse des Bundesgesundheitssurvey zu sozialmedizinischen Korrelaten der Verhaltensprävention. Arbeitsmedizin – Sozialmedizin – Umweltmedizin 40: 596-605

Media Contact

Dr. Annette Tuffs idw

Weitere Informationen:

http://www.orthopaedie.uni-hd.de/

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