Weltweit erstmaliger Einsatz eines neuen chirurgischen Sicherheitssystems

Eine 22jährige Frau wurde jetzt an der Hals-, Nasen-, Ohren-Universitätsklinik Leipzig als weltweit erste Patientin unter Einsatz eines neuen chirurgischen Sicherheitssystems, das im ICCAS entwickelt wurde, operiert. Damit konnte das System im Rahmen einer Studie erfolgreich in die klinische Anwendung überführt werden.

Restrisiko und Informationsüberflutung

Versuche, Operationen im sensiblen Kopf-Hals-Bereich sicherer zu machen, haben zu einer Vielzahl von computergesteuerten Navigationssystemen geführt, mit denen das Komplikationsrisiko nach und nach auf nur fünf Prozent gesenkt werden konnte. Aber fünf Prozent Restrisiko können für den Einzelnen beispielsweise bedeuten, dass wichtige Nerven verletzt werden, die vielleicht für das Augenlicht, die mimische Muskulatur oder den Geschmackssinn zuständig sind.

Hinzu kommt, dass inzwischen eine Unmenge von Daten erhoben werden, die dem Chirurgen vor und während der Operation zugänglich gemacht werden müssen. D.h. der Chirurg wird mit einer Fülle von Daten überflutet, die aber alle seine volle Aufmerksamkeit und Berücksichtigung während der Operation verlangen. Mitunter geht das an die Grenzen seiner Aufnahmefähigkeit und verlängert zudem die Operationszeit.

Zusammenführung der Daten reduziert Risiko für Patienten und kognitive Belastung des Chirurgen

Das große Verdienst von Prof. Dr. Tim Lüth, Lehrstuhl für Mikro- und Medizingerätetechnik der TU München, und der Leipziger Chirurgen der Hals-, Nasen-, Ohren- Universitätsklinik Leipzig besteht nun darin, die vielen verschiedenen Daten zusammengeführt und in ein System integriert zu haben, das das Arbeitsfeld des Chirurgen genau und direkt definiert und reguliert. Geht der Chirurg über den für jeden Patienten individuell festgelegten Rahmen hinaus, so fällt sein Operationsinstrument automatisch aus.

Konkret handelt es sich um ein motorgetriebenes Saug- und Schneidinstrument (Shaver), wie es für Nasennebenhöhlenoperationen eingesetzt wird. Überschreitet der Chirurg bei der Operation beispielsweise unbemerkt die Grenze zum Auge oder zum Hirn, so reduziert das Assistenzsystem die Drehzahl des Instruments und vermeidet weitere Schäden. Für diesen Bereich ist der Shaver nicht programmiert. „Ein weitere Vorteil ist: Der Chirurg muss seine Augen quasi nicht mehr überall haben, sondern er kann sich auf eine Informationsquelle konzentrieren.“, erklärt Oberarzt Dr. Gero Strauß von der HNO-Klinik, der an der klinischen Anwendbarkeit des Systems maßgeblich beteiligt war. 1½ Jahre wurde das System von ihm kritisch durchleuchtet und zahlreichen Prüfungen zu Genauigkeit und Präzision unterzogen, bevor es jetzt erfolgreich am Patienten eingesetzt werden konnte.

Erweiterung des Operationsspektrums

„Die Bedeutung des navigationskontrollierten Systems ist im Zeitalter von digitalen Patientendaten und intraoperativen Sensoren gar nicht hoch genug einzuschätzen.“, meint auch Klinikchef Prof. Dr. Andreas Dietz. „Vielleicht erlaubt es auch, unser Operationsspektrum zu erweitern, das bisher durch direkte Einsehbarkeit des Operationsfeldes begrenzt war. Die entsprechenden Informationen und ihre Verarbeitung durch das neue System jedenfalls wären gewährleistet.“

Das meint auch Prof. Lüth: „Das Prinzip Navigated Control bietet eine Vielzahl von weiteren Anwendungen bei nahezu allen kraftgetriebenen Instrumenten auch über die HNO hinaus.“ Lüth zeigt sich beeindruckt von den Möglichkeiten der Kooperation mit dem Universitätsklinikum Leipzig und dem Innovation Center Computer Assisted Surgery (ICCAS).

Evaluation und Zertifizierung des Systems

Die Wissenschaftler des ICCAS werden gemeinsam mit der TU München und der Firma Karl Storz, Tuttlingen, die Evaluation des navigiert-kontrollierten Shavers und dessen Zertifizierung vorantreiben. „Nach der klinischen Zulassung wird das System dann an allen interessierten Kliniken eingesetzt werden können.“, so Strauß. Parallel dazu arbeiten wir an der Ausstattung weiterer Instrumentensysteme mit dem neuen Sicherheitskonzept.

Der Sprecher von ICCAS, Prof. Dr. Jürgen Meixensberger, Direktor der Klinik für Neurochirurgie der Universität Leipzig, weist auf die zahlreichen internationalen Workshops hin, auf denen diese und weitere Problemstellungen diskutiert werden: „Der nächste Workshop findet statt am 17.11.2005. Hier wird es vor allem um die wissenschaftliche Weiterentwicklung des Shavers gehen. Mit dabei sind auch Neurochirurgen der Universität Pittsburgh, USA.“

Weitere Informationen:

Dr. Gero Strauß
Telefon: 0341 97-21720
E-Mail: gero.strauss@medizin.uni-leipzig.de

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Dr. Gero Strauß Universität Leipzig

Weitere Informationen:

http://www.klinikum.uni-leipzig.de

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