Radio-Immuntherapie erhöht Lebenserwartung bei Enddarmkrebs

Göttinger Phase II-Studie zeigt: Einmalige Radio-Immuntherapie nach Entfernung von Lebermetastasen bei Enddarmkrebs erhöht die Lebenserwartung der Patienten deutlich

Patienten mit Enddarmkrebs (kolorektales Karzinom) haben eine deutlich höhere Lebenserwartung, wenn sie nach der chirurgischen Entfernung von Lebermetastasen mit dem radioaktiv markierten Anti-CEA-Antikörper I131-Labetuzumab behandelt werden. Zu diesem Ergebnis kommen Mediziner des Bereichs Humanmedizin der Universität Göttingen in Kooperation mit dem Garden State Cancer Center for Molecular Medicine and Immunology in Belleville, New Jersey (USA), in einer klinischen Phase II-Studie. Die Forscher untersuchten über fünf Jahre den Krankheitsverlauf und die Überlebensdauer von Patienten, die einmalig mit dem humanisierten monoklonalen Antikörper behandelt wurden (Radioimmuntherapie, RAIT), nachdem ihnen Lebermetastasen chirurgisch entfernt worden waren. Der Antikörper Labetuzumab spürt gezielt auch kleinste Metastasen (entfernte Krankheitsherde) im Körper auf, die mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden wie der Computertomografie oder Magnetresonanztomografie nicht zu erkennen sind. Das an den Antikörper gekoppelte radioaktive Jod vernichtet dann an Ort und Stelle die entarteten Zellen. Die Studie wurde am 20. September 2005 im Journal of Clinical Oncology veröffentlicht (Vol. 23(27): S. 6763-70).

Von den 23 Patienten, die im Rahmen der klinischen Studie mit I131-Labetuzumab behandelt wurden, verblieben 19 Patienten dauerhaft in der Studie. Diese überlebten durchschnittlich 68 Monate und damit etwa doppelt so lange wie Patienten, die keine Radioimmuntherapie erhielten (31 Monate). Fünf Jahre nach der Radioimmuntherapie lebte die Hälfte der mit dem Antikörper behandelten Studienteilnehmer, während von den Patienten ohne RAIT-Behandlung etwa ein Drittel diesen Zeitraum überlebt hatte.
Als häufigste Nebenwirkung traten vereinzelt vorübergehende Blutbildveränderungen auf.

„Die Studie liefert die nach unserer Kenntnis bislang besten Ergebnisse über Patienten nach der kompletten Entfernung von kolorektalen Lebermetastasen. Die Ergebnisse ermutigen uns, die Radioimmuntherapie in einer Phase III Studie an einer größeren Zahl Patienten zu testen und mit verschiedenen anderen Therapien zu vergleichen“, sagt Dr. Torsten Liersch aus der Abteilung Allgemeinchirurgie (Direktor: Prof. Dr. Heinz Becker), der die Studie zusammen mit PD Dr. Johannes Meller (Direktor der Abteilung Nuklearmedizin) leitete. Direkter Kooperationspartner ist der Pionier der Radioimmuntherapie Prof. Dr. David M. Goldenberg vom Garden State Cancer Center in New Jersey, USA. Gegenwärtig führen die Wissenschaftler klinische Studien zu der wiederholten Gabe von I131-Labetuzumab bei Patienten mit kolorektalen Karzinomen durch. Ziel ist es, Kenntnisse über Nebenwirkungen und die Wirkung der wiederholten Radioimmuntherapie zu erhalten.

Kolorektale Karzinome sind mit 15 Prozent aller bösartigen Tumorerkrankungen die dritthäufigste Todesursache in den Industrienationen Europas und der USA. Bei sechs von zehn Patienten treten nach der ersten Behandlung Metastasen in der Leber auf, die auch trotz Chemotherapie meist innerhalb weniger Jahre zum Tod führen. Nur die frühzeitige, komplette chirurgische Entfernung der Lebermetastasen birgt eine Aussicht auf Heilung. Etwa ein Drittel der Patienten überlebt auf diese Weise mindestens weitere fünf Jahre. Dennoch entwickeln zwei von drei dieser Betroffenen erneut einen Tumor, die Mehrzahl hiervon als Lebermetastasen.

Lebermetastasen entstehen wahrscheinlich durch unentdeckte Tumorzellverbände, die über die Blutbahn zur Leber gelangen und sich dort einnisten. Wie die Enddarm-Tumoren präsentieren neun von zehn ihrer Metastasen auf ihrer Oberfläche das Protein „CEA“ (Carcino-Embryonales Antigen). Ziel der Tumorforschung ist es, „CEA“ als Ankerplatz/Anbindungsstelle von Antikörpern für die gezielte Vernichtung von nicht erkennbaren Mikrometastasen nach erfolgter operativer Metastasenentfernung zu nutzen.
Labetuzumab ist ein so genannter „humanisierter monoklonaler Antikörper“, entwickelt von der Firma Immunomedics Inc. (Morris Plains, New Jersey, USA). Der Antikörper bindet spezifisch an das Carcino-Embronale-Antigen (CEA), das von Enddarm-Karzinomen und dessen Metastasen gebildet wird. Mit der radioaktiven Jod-Variante „I131“ markiert, kann der Antikörper im Körper verstreute Tumorzellgruppen aufspüren und gezielt zerstören. Dies wurde im Tierexperiment bestätigt. Als Nebenwirkungen können vorübergehende Blutbild-Veränderungen auftreten, die jedoch die Funktion des Knochenmarks nicht dauerhaft schädigen.

Klinische Studien sind Voraussetzung für die Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteltherapien. Dabei werden vier Entwicklungsphasen unterschieden. In der Phase II werden erste Ergebnisse über die Wirksamkeit eines Arzneimittels an einer überschaubaren Zahl von Patienten erhoben. In der Phase III werden kontrollierte Studien an möglichst vielen Patienten durchgeführt. Dies ist für die behördliche Zulassung des Arzneimittels entscheidend: Die Untersuchungen sollen nachweisen, dass die Therapie in einer bestimmten Indikation („Krankheit“) deutlich besser oder genauso gut wirkt wie die anerkannte Standardtherapie.

Weitere Informationen:

Bereich Humanmedizin – Universität Göttingen
Abt. Allgemeinchirurgie
Dr. Torsten Liersch
Robert-Koch-Str. 40
37075 Göttingen
Tel. 0551/39 – 6104
E-Mail: tliersc@gwdg.de

Bereich Humanmedizin – Georg-August-Universität Göttingen
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit – Stefan Weller
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