Körperbildtherapie hilft bei Essstörungen: Frauen lernen sich anders wahrzunehmen

Gruppentraining für Frauen mit Magersucht und Bulimie an der Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie wird dauerhaft etabliert


Frauen mit Essstörungen haben oft ein sehr negatives Bild von ihrem eigenen Körper: Sie finden sich zu dick, unattraktiv und hässlich. Durch ein gezieltes Training können betroffene Frauen dieses negative Bild zumindest teilweise korrigieren und damit einen Grundstein zur Überwindung von Magersucht oder Bulimie legen. Dies ergaben Untersuchungen an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, die in Zusammenarbeit mit der Ruhr-Universität Bochum durchgeführt wurden. Aufgrund der positiven Ergebnisse wird das Gruppentraining für Frauen mit Essstörungen an der Poliklinischen Institutsambulanz der Mainzer Universität sowie an der Universität Bochum nun als dauerhaftes Angebot eingerichtet.

Magersucht (Anorexia nervosa) und Ess-Brech-Sucht (Bulimie), die beiden häufigsten Essstörungen, gehen meist mit einer Störung des Körperbildes einher. Dies kann sich darin äußern, dass die Frauen sich als viel dicker wahrnehmen als sie tatsächlich sind oder ihren Körper völlig ablehnen. Wie in einem Teufelskreis führt dies wiederum dazu, dass diese Frauen es vermeiden, sich mit ihrem Körper auseinander zu setzen. Sie empfinden es als unerträglich, sich im Spiegel zu betrachten und tragen nur noch weit geschnittene, den Körper verhüllende Kleidung. Freizeitaktivitäten, wie z.B. ins Schwimmbad gehen, werden vermieden, da sich die Frauen wegen ihres Körpers schämen.

Für die dauerhafte Überwindung einer Essstörung ist der Aufbau eines positiveren Körperbildes ein zentraler Aspekt, der in der Vergangenheit oft vernachlässigt wurde. An den Universitäten in Mainz und Bochum wurde Frauen mit Magersucht und Bulimie ein Training angeboten, bei dem sie lernen sollten, sich ihrem Körper wieder anzunähern. „Durch praktische Übungen wie beispielsweise die Konfrontation mit der eigenen Figur per Video und Spiegel sollen die Frauen wieder zu einer realistischeren und positiveren Einschätzung ihres eigenen Körpers kommen“, erläutert die Leiterin des Essstörungsschwerpunkts der Poliklinischen Institutsambulanz, Hochschulambulanz für Forschung und Lehre, Dr. Tanja Legenbauer.

Das Training bestand aus acht bis zehn 90-minütigen Gruppensitzungen und wurde zwischen Juli 2003 und dem Jahresbeginn 2005 in Mainz mit 24 Teilnehmerinnen und in Bochum mit 30 Teilnehmerinnen durchgeführt. „Während sich die Überschätzung der eigenen Körperausmaße durch die Körperbildtherapie nicht verbessert hat, zeigten sich deutliche Verbesserungen hinsichtlich der Bewertung des eigenen Körpers. Auch vermieden die Patientinnen nach dem Training nicht mehr so oft Situationen, in denen sie mit dem eigenen Körper konfrontiert waren und das Essverhalten besserte sich deutlich“, sagte Legenbauer zum Therapieerfolg.

Dennoch ist es mit diesem einmaligen Gruppentraining in der Regel noch nicht getan. „Die Frauen müssen den positiven Impuls mitnehmen und sich auch anschließend mit der Problematik auseinandersetzen. Ein Teil der Patientinnen macht darum unterstützend bzw. nachfolgend eine Einzeltherapie“, so Legenbauer. Dabei sei es auch wichtig, den Einfluss der Medien auf das Schlankheitsideal zu erkennen und sich davon unabhängig zu machen. „Neuere Untersuchungen an unserem Institut zeigen, dass sich figurbetonte Werbespots negativ auf die eigene Körperwahrnehmung auswirken.“

Die Körperbildtherapie bei Essstörungen wird an der Poliklinischen Institutsambulanz nunmehr fest etabliert. Beginnend ab November sollen dann jährlich vier Gruppen mit jeweils sechs bis acht Teilnehmerinnen das Gruppentraining durchlaufen. Dieses Training wird nach einem Therapiemanual durchgeführt, das seit Oktober auch im Handel erhältlich ist: „Körperbildtherapie bei Anorexia und Bulimia Nervosa – Ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Behandlungsprogramm“ von Silja Vocks und Tanja Legenbauer. Im Februar 2005 wurde bereits der Ratgeber zum Gruppenprogramm veröffentlicht, den die Teilnehmerinnen erhalten: „Wer schön sein will muss leiden? Wege aus dem Schlankheitswahn – ein Ratgeber“.

Kontakt und Informationen:
Dr. Tanja Legenbauer
Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 39-22442
Fax 06131-3934623
E-Mail: legenbau@uni-mainz.de

Dr. Silja Vocks
Abteilung Klinische Psychologie und Psychotherapie
Ruhr-Universität Bochum
Tel. 0234 3223106
Fax 0234 3214304
E-Mail: vocks@kli.psy.ruhr-uni-bochum.de

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