Warum manche Patienten ihre Spenderniere tolerieren

Geringere Immunantwort verhindert chronische Abstoßung des Organs / Forschungspreis der Deutschen Transplantationsgesellschaft für Heidelberger Wissenschaftler

Warum gewöhnen sich manche Patienten, die eine Spenderniere erhalten haben, an das fremde Organ, und können auf Medikamente verzichten, während bei der Mehrheit eine chronische Abstoßung nur durch eine ständige, hoch dosierte Einnahme zu verhindern ist?

Der Grund ist ein stark eingeschränktes Repertoire an Immunzellen, hat der Heidelberger Wissenschaftler Privatdozent Dr. Caner Süsal festgestellt und kürzlich in der angesehenen Zeitschrift „American Journal of Transplantation“ veröffentlicht. Damit wurde erstmals ein klinischer „Marker“ für die Toleranz gefunden, der sich mit einem Bluttest ermitteln lässt.

Für seine herausragenden Beiträge auf dem Gebiet der „Immunüberwachung“ und der „Individualisierung der Immunsuppression“ ist Dr. Süsal von der Deutschen Transplantationsgesellschaft bei ihrer 14. Jahrestagung im September 2005 in Rostock mit dem Forschungspreis „Humane Transplantationsimmunologie“ ausgezeichnet worden. Der Preis ist mit 10.000 Euro dotiert und wurde von der Firma Genzyme gestiftet.

Grundlagen einer individuellen Therapie gegen Organabstoßung

Spenderorgane sind rar und kostbar: Dass heutzutage nach fünf Jahren noch rund 80 Prozent der übertragenen Nieren funktionieren, kann nur durch eine effektive, aber mit erheblichen Nebenwirkungen belastete Unterdrückung der Immunabwehr (Immunsuppression) mit Medikamenten erwirkt werden. Deshalb sollte sie möglichst individuell auf den Immunstatus des einzelnen Patienten zugeschnitten sein. Mehrere Arbeiten von Dr. Süsal, der in der Abteilung Transplantationsimmunologie des Instituts für Immunologie des Universitätsklinikums Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Gerhard Opelz) tätig ist, haben Grundlagen für eine derart individuelle Immunsuppression gelegt.

So konnte die Gruppe von Dr. Süsal zum ersten Mal zeigen, dass Patienten, die seit mindestens drei Jahren ihre Medikamente zur Immunsuppression nicht mehr einnahmen und trotzdem eine gute Transplantatfunktion aufwiesen, über ein eingeschränktes Repertoire an Abwehrzellen (Oligoklonalität) verfügen. Wahrscheinlich wird die Produktion spezifischer Abwehrzellen gegen das Transplantat unterdrückt.

Dass ein transplantiertes Organ vom Empfänger abgestoßen wird, hängt vor allem von spezifischen Immunzellen, den so genannten T-Zellen, ab. Sie tragen auf ihrer Oberfläche Rezeptoren mit denen sie Proteine des Spenderorgans als „fremd“ erkennen und dadurch eine Abstoßungsreaktion auslösen. Das Immunsystem bietet hierbei eine große Auswahl an T-Zellen mit verschiedenen Rezeptoren.

Bluttest ermittelt das Repertoire an Immunzellen

Patienten, die zehn oder mehr Jahre nach einer Transplantation eine gute Organfunktion zeigen, haben eine eingeschränkte Vielfalt dieser Immunzellen. Die Folge ist eine verringerte Immunantwort und damit eine verminderte Aktivität gegen das Spenderorgan. Im Gegensatz hierzu wurde in Patienten mit einer akuten oder chronischen Abstoßungsreaktion kein verändertes Immunzell-Repertoire festgestellt.

„Der Empfänger hat sich über die Jahre mit der Niere „auseinandergesetzt“ und eine Toleranz entwickelt“, so Dr. Süsal. „Die Untersuchung des T-Zell-Repertoires ist leider kein einfacher Bluttest, der in jedem Labor durchgeführt werden kann. Nur Speziallabors haben eine entsprechende Ausstattung.“ Künftig könnte jedoch eine maßgeschneiderte Behandlung, die sich am „Immunstatus“ des Einzelnen orientiert, möglich sein. Dadurch könnten voraussichtlich schwere Nebenwirkungen wie Infektionen, Krebs und Osteoporose verringert werden.

Weitere Studien an Patienten mit Nierentransplantaten sollen nun diese Ergebnisse, die bereits von französischen Wissenschaftlern nachvollzogen worden sind, überprüfen. Ebenso ist eine Ausweitung der Untersuchung auf andere Organe, z. B. auf Lebertransplantate, geplant.

Marker für Abstoßungsreaktion in Studien oder schon im klinischen Einsatz

Ob eine Niere akut oder chronisch abgestoßen wird, lässt sich an bestimmten Markern, die die Heidelberger Wissenschaftler entdeckten, bereits vor der Transplantation erkennen. Mit dem Preis der Deutschen Transplantationsgesellschaft ausgezeichnet wurden zudem Arbeiten von Dr. Süsal an mehr als 5500 Patienten, bei denen Laborparameter zur Erkennung von Hoch- und Niedrig-Risiko Patienten entdeckt wurden, z.B. sCD30, IgA-anti-Fab und Anti-HLA Antikörperstatus. Einige werden bereits in der Klinik eingesetzt, andere werden gegenwärtig in Studien untersucht.

Weiterhin ist es der Forschungsgruppe von Dr. Süsal gelungen, mit Hilfe der Bestimmung von Genaktivitäten in Immunzellen transplantierter Patienten die drohende Abstoßungsreaktionen bereits in einer sehr frühen Phase, bevor das Transplantat geschädigt wurde, zu erkennen. Auch diese Labortests dürften nach einer weiteren Überprüfung bald in der klinischen Routine eingesetzt werden.

Media Contact

Dr. Annette Tuffs idw

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