Implantologie 2005: Verzahnt mit allen Disziplinen

Die neuesten Entwicklungen und Trends der Implantologie stehen im Mittelpunkt der 14. Jahrestagung der European Association for Osseointegration (EAO), die vom 22. bis 24. September in München mit über 2000 Teilnehmern stattfindet.


Ein komfortabler und ästhetisch ansprechender Zahnersatz – das war das ursprüngliche Ziel, als Zahnärzte vor annähernd 20 Jahren begannen, Zahnwurzeln aus Titan als Träger für künstliche Zähne in die Kiefer von Patienten zu implantieren. Mittlerweile hat sich die Implantologie zu einem Motor entwickelt, der die Zahnmedizin insgesamt an-treibt. „Die Implantologie beeinflusst und verändert viele andere Fachgebiete der Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde“, stellt Professor Friedrich Wilhelm Neukam von der Universität Erlangen fest. Zwar spiele Ästhetik und Funktion des implantatgetragenen Zahnersatzes nach wie vor eine zentrale Rolle, so der Präsident der 14. EAO-Tagung weiter. Doch Implantate seien inzwischen mehr als „nur“ Träger für Zahnersatz.

Implantate als Prophylaxe. Eine künstliche Zahnwurzel vermeidet beispielsweise, dass der zahnlose Kiefer schrumpft, weil sich der Knochen zurückbildet. Ebenso verhindert sie die einseitige und übermäßige Belastung von Restzähnen durch eine Prothese. Auch in der Kieferorthopädie werden Implantate zunehmend eingesetzt, um die Regulierung von Zahnfehlstellungen zu erleichtern. Nicht zuletzt verhelfen die künstlichen Zahnwurzeln Menschen zu einem Gebiß, die keine Zähne bilden können, da die entsprechenden Anlagen fehlen, und sie sind aus der Versorgung von Patienten mit Tumoren oder schweren Verletzungen im Mund- und Kieferbereich nicht mehr wegzudenken. „Die Implantologie hat schon lange das enge Terrain einer Komfort- und Luxusbehandlung hinter sich gelassen“, betont Privatdozent Dr. Roman Gomez von der Klinik für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde der Universität Tübingen. Darum stehen bei der Tagung der EAO nicht nur Strategien zur Verbesserung von Ästhetik und Funktion des implantatgetragenen Zahnersatzes im Mittelpunkt oder Debatten über die besten Strategien für den Knochenaufbau, sondern auch der Austausch mit Zahnmedizinern anderer Fachrichtungen wie Kieferorthopäden oder Parodontologen.

Thema: Parodontitis und Implantate. Entzündungen des Zahnbettes (Parodontitis) sind bei Menschen jenseits des 40. Lebensjahres die Hauptursache für den Verlust von Zähnen. In Deutschland haben etwa 25 Millionen Erwachsene eine Parodontitis. Bei etwa zehn Millionen, 15 Prozent der Erwachsenen, ist die Entzündung schwer. Rauchen, eine erbliche Veranlagung für übermäßige Entzündungsreaktionen, mangelhafte Mundhygiene sowie Erkrankungen wie Diabetes sind die Ursache. Die Frage, wie lange ein parodontal erkrankter Zahn erhalten und wann er besser extrahiert werden sollte, ist ein wichtiges Thema der EAO-Tagung. „Wenn sich Arzt und Patient für die Extraktion entscheiden, gilt es zu bedenken, dass dieselben Risikofaktoren, welche die Parodontose verursacht haben, auch den Erfolg einer Implantation schmälern können“, betont Professor Andrea Mombelli von der Abteilung für Parodontologie der Universität Genf. In der Tat gibt es Hinweise, dass Entzündungen des Zahnbettes ein wesentlicher Grund für den Verlust von Implantaten darstellen – sowohl gleich nach der Implantation als auch im späteren Verlauf. „Dies gilt auch dann, wenn Implantate in der Nähe parodontal erkrankter Zähne eingepflanzt werden“, betont Professor Marc Quirynen von der Universität im belgischen Leuven. Selbst Patienten, bei denen eine Parodontitis inzwischen ausgeheilt wurde, haben ein erhöhtes Risiko für einen Implantatverlust. Krankmachende Bakterien, die das Zahnbett, die Zähne und die Zahntaschen in der Nachbarschaft des Implantates besiedeln, sind die Auslöser der so genannten Periimplantitis, einer Entzündung im Umfeld des Implantats.

Darum betonen die Experten, dass eine Behandlung der Parodontitis der Implantation unbedingt vorausgehen muss. Und inzwischen belegen Langzeitstudien, dass auch Patienten, die eine schwere Parodontitis durchgemacht haben, sehr wohl von Implantaten profitieren – vorausgesetzt die Mundhygiene stimmt und bakterielle Plaques sind unter Kontrolle. Allerdings entscheiden nicht nur Behandlung und Überwachung der Zahnfleischentzündung über den Erfolg einer Implantation, sondern auch die Oberflächencharakteristik der Implantate.

Implantate in der Kieferorthopädie. Auch die Kieferorthopädie profitiert inzwischen von Implantaten. An ihnen lassen sich beispielsweise die Regulierungsapparate in zahnlosen Kieferabschnitten befestigen. Für diesen Bereich wurden spezielle Implantate entwickelt, beispielsweise Mini-Implantate oder Mini-Platten, die mit winzigen Schrauben im Kiefer befestigt werden.

Implantatverlust: Auch Erbfaktoren spielen eine Rolle. Ein weiteres Thema ist die Suche nach Ursachen des Implantatverlustes. Zwar ist die Mehrzahl – über 90 Prozent aller Implantate – noch zehn Jahre nach der Implantation erhalten. Doch 16 Prozent der Patienten und sieben Prozent der Implantate zeigen nach neun bis 14 Jahren Entzündungszeichen, eine Periimplantitis. Das belegt eine Untersuchung aus Schweden, die Dr. Stefan Renvert aus Kristianstad auf der EAO-Tagung vorstellt. Risikofaktoren waren Rauchen und eine vorausgegangene Parodontitis.

Doch nicht nur externe Faktoren spielen beim Implantatverlust eine Rolle. Inzwischen entdecken Wissenschaftler, dass auch genetische Faktoren beteiligt sind. So scheinen beispielsweise bestimmte Variationen (Gen-Polymorphismen) in der genetischen Bauanleitung von Entzündungs- und Immunbotenstoffen wie Interleukinen das Risiko für eine Parodontitis zu erhöhen. Ebenso berichten Forscher von der Universität Wien, dass das Verhältnis zwischen bestimmten Rezeptoren und Liganden, welche die Bildung und das Überleben von Osteoklasten steuern, bei einer Periimplantitis verändert sind.

Die Europäische Vereinigung für Osseointegration (EAO) wurde 1991 in München gegründet. Anläßlich ihrer 14. Jahrestagung kehrt sie an ihren Gründungsort zurück. Die EAO ist ein Zusammenschluss von Zahnmedizinern und Medizinern verschiedener Fachdisziplinen, bei denen die wiederherstellende Chirurgie und prothetische Rehabilitation von Patienten einen Arbeitsschwerpunkt darstellen. Die EAO ist hohen wissenschaftlichen Standards verpflichtet und industrieunabhängig. Darüber hinaus definiert sie wissenschaftliche Standards und gibt in Konsensus-Konferenzen Therapieempfehlungen auf wissenschaftlicher Basis. Sie hat 1200 Mitglieder in allen europäischen Ländern.

Abstracts können elektronisch angefordert werden:
Barbara Ritzert
ProScience Communications GmbH
Pressestelle EAO-Kongress 2005
Andechser Weg 17
82343 Pöcking
Tel.: 08157-9397-0
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