Mit Genforschung gegen Herzkrankheiten

„Forschungsoffensive“, Teil 12 (Ende der Serie): Institut der Universität Witten/Herdecke erforscht genetische Ursachen von Herzerkrankungen

Herzkrankheiten und Risikofaktoren – zwei auch in der Bevölkerung mittlerweile verbundene Begriffe. Wenig bekannt ist jedoch, dass bei Arteriosklerose, Herz- und Hirninfarkten nur in circa der Hälfte der Fälle die klassischen Risikofaktoren wie Rauchen und Fettstoffwechselstörung als Ursache identifiziert werden können; bei den anderen Patienten greift das klassische Risikofaktorenkonzept nicht. Neueste Forschungsergebnisse legen nahe, dass hier genetische Faktoren eine große Rolle spielen. Zu den Aufgaben des Instituts für Herz-Kreislaufforschung der Universität Witten/Herdecke (UWH) gehört es, genetisch bedingte Erkrankungen frühzeitig zu erkennen.

In einem groß angelegten Forschungsprojekt der Bayer Healthcare AG, dem Leibniz-Institut für Arterioskleroseforschung Münster und dem Institut für Herz-Kreislaufforschung der UWH werden aktuell vor allem junge Patienten ohne klassische Risikofaktoren auf genetische Ursachen ihrer Herzerkrankung untersucht. Das Institut für Herz-Kreislaufforschung ist darüber hinaus an einem Projekt beteiligt, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Hierbei kooperieren insgesamt 15 Herzzentren bei der Erforschung genetischer Faktoren einer anderen weit verbreiteten Herzerkrankung, der Herzinsuffizienz.

Neben der Arteriosklerose als polygenetischer Erkrankung (viele Gene sind ursächlich beteiligt), gibt es in der Kardiologie heterogene Erkrankungen, welche direkt den Herzmuskel betreffen. Diese sind ein weiterer Schwerpunkt in der Forschung des Instituts für Herz-Kreislaufforschung. Die hypertrophe Kardiomyopathie (HCM), die häufigste vererbbare Herzerkrankung, führt zu einer Verdickung der Herzmuskulatur mit erheblicher Einschränkung der Lebensqualität. Ursächlich waren bislang Mutationen in zwölf Genen bekannt, die über die Produktion fehlerhafter Proteine zur Schädigung der Herzmuskelzellen führen. Am Institut für Herz-Kreislaufforschung wurde in Kooperation mit der Charité Berlin ein weiteres geschädigtes Gen entdeckt. Dieses produziert ein fehlerhaftes Muscle LIM Protein, das eine wichtige Regulationsfunktion in der zellulären Differenzierung von Herzmuskelzellen ausübt.

Die genetische Diagnostik von Herzerkrankungen eröffnet völlig neue Möglichkeiten: Während bei der Präventivmedizin Risikofaktoren nur eine relative Erhöhung des Risikos gegenüber der Normalbevölkerung angeben, wird mit der prädiktiven Gendiagnostik eine genauere Individualprognose möglich. Durch die Identifikation erkrankter Gene in der Kardiologie kann eine zielgerichtete Diagnostik in früheren Krankheitsstadien als bisher erfolgen. Durch entsprechend früher einsetzende Therapie und zusätzlichen lebensstil-modifizierende Maßnahmen kann hier möglicherweise zukünftig der Krankheitsverlauf deutlich verbessert werden.

Ein Beispiel für die praktischen Konsequenzen: „Jetzt weiß ich, dass meine Kinder nicht am Sportunterricht teilnehmen dürfen“, so die Mutter zweier Kinder nach einer molekulargenetischen Untersuchung. In ihrer Familie waren seit mehreren Generationen Kardiomyopathien oder Herzkrankheiten als Todesursache bekannt. Da Sport ebenfalls zu einer Verdickung der Herzmuskulatur führt, könnte dies bei den genetisch betroffenen Kindern zu einer verhängnisvollen Entwicklung, nämlich dem plötzlichen Herztod, führen.

Aktuell konkret ist der Nutzen der Gendiagnostik beim Marfan-Syndrom; hier handelt es sich um eine ebenfalls genetisch bedingte Erkrankung, bei der es neben anderer Symptomatik zur lebensbedrohlichen Ruptur der Aorta kommen kann. Da der Krankheitsverlauf für die Patienten bis dahin völlig unbemerkt sein kann, wird hier durch eine frühe Identifikation genetischer Risikoträger mit großer Sicherheit bei vielen Patienten ein tödlicher Verlauf verhindert. Erweiterungen und drohende Risse in der Aorta können rechtzeitig erkannt und durch eine Operation behandelt werden.

Die diagnostische Möglichkeit der genetischen Identifikation von Risikoträgern wird zurzeit nur an wenigen Zentren in Deutschland im Rahmen von Forschungsprojekten angeboten. In den fünf Trägerzentren des Instituts für Herz-Kreiskreislaufforschung der Universität Witten/Herdecke werden diese Methoden in Kürze auch in der Routineversorgung betroffenen Patienten und ihren Familien zur Verfügung stehen.

Weitere Infos: Dr. Thomas Scheffold, Institut für Herzkreislaufforschung, 0231/72515211, info@herz-kreislaufforschung.de

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