Telemedizinprojekt soll Erblindung durch Glaukom (grüner Star) verhindern

Weitere Glaukompatienten für das Projekt gesucht

Das vor einem Jahr gestartete telemedizinische Modellprojekt an der Augenklinik der Universität Greifswald befindet sich seit März 2005 in seiner klinischen Phase. Inzwischen wurden über 60 Patienten erfolgreich in das telemetrische Kontrollsystem integriert, mit dem Glaukompatienten mit und ohne Bluthochdruck und Diabetes zu Hause ihren Augeninnendruck, Blutdruck und Blutzucker selbst messen (s. Hintergrund). Aus Blutdruck und Augeninnendruck wird der „Durchströmungsdruck“ vom Auge (okulärer Perfusionsdruck) berechnet; der eine Aussage über die Durchblutungssituation des Auges trifft. Das noch bis Ende des kommenden Jahres laufende Projekt kämpft gegen den weit verbreiteten grünen Star, eine Sehnervenschädigung mit möglicher Erblindungsfolge. Die Augenklinik bietet weiteren interessierten Glaukompatienten die Gelegenheit, sich an dem Modellprojekt zu beteiligen.

Das Telemedizin-Projekt soll chronisch kranken Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, deren Sehvermögen durch Glaukom (in möglicher Kombination mit Diabetes und Bluthochdruck) gefährdet ist, zusätzlich zu den ärztlichen Untersuchungen eine optimierte Kontrolle direkt in ihrem häuslichen Umfeld ermöglichen. Gemessen werden der Augeninnendruck (Intraokulardruck), der Blutdruck und bei Diabetikern der Blutzuckergehalt. Ein wichtiger Faktor für die Prognose des Erkrankungsverlaufes – der „Durchströmungsdruck“ (okulärer Perfusionsdruck) – wird erstmals im Rahmen des Greifswalder Projektes mittels ambulant erfasster Messwerte aus den Blutdruck- und Augeninnendruckwerten berechnet. Gerade die Durchblutungssituation des Auges spielt bei der Entstehung und dem Fortschreiten des Glaukoms eine Schlüsselrolle.

Für die Selbstmessung stehen dem Patienten vier Geräte zur Verfügung; das im Augenblick einzig zugelassene mobile Augeninnendruck-Messgerät (Tonometer) OCUTON S, das Blutdruckmessgerät boso medicus PC und das Blutzuckermessgerät OneTouch Ultra. Per Knopfdruck werden die in den einzelnen Geräten automatisch gespeicherten Messwerte vom Patienten über ein so genanntes „telemedizinisches Interface“ (TMI) per Telefonnetz und Internet an das Kontrollzentrum verschlüsselt weitergeleitet. Dort erfolgt eine Eintragung in die neu entstehende elektronische Patientenakte, die in Zusammenarbeit mit der dr. heydenreich GmbH Greifswald (http://www.drheydenreich.de) kontinuierlich weiterentwickelt wird. Patienten und behandelnde Ärzte in der Augenklinik erhalten vom Kontrollzentrum automatisch eine Warnmeldung bei auffälligen Messwerten. Die Informationen aus der elektronischen Patientenakte können vom Arzt und Patienten (auf Wunsch und nach entsprechender Autorisierung durch die Augenklinik) über das Internet abgerufen werden.

Das Gerätesystem wurde für die telemedizinische Verwendung von der Elektronik- und Präzisionsbau Saalfeld GmbH (EPSa, http://www.epsa.de) modifiziert.

Die zeitnahe Erfassung von medizinischen Messdaten mit den tragbaren Geräten nimmt nach einer gründlichen Einweisung und einer Lernphase der Patienten etwa 15 – 20 Minuten in Anspruch.

Die bislang bundesweit einmalige diagnostische Kombination aus Augenheilkunde und Allgemeinmedizin macht bei einer Verschlechterung des Zustandes eine frühere Intervention möglich. Sie soll das Fortschreiten des Glaukoms hinauszögern oder – soweit es möglich ist – ganz aufhalten. Die Selbstmessungen der Patienten vermitteln wichtige Informationen zu Aspekten der Durchblutung, des Blutdruckverhaltens und der diabetischen Stoffwechsellage aus augenheilkundlicher und internistischer Sicht.

Die Auswertung der Messdaten durch die behandelnden Ärzte über einen längeren Zeitraum dient der individuellen Therapieoptimierung. Durch die aktive Mitwirkung können sich die Patienten an der erfolgreichen Behandlung ihrer Erkrankung beteiligen. Das von Professor Dr. Frank Tost, dem stellvertretenden Klinikdirektor der Universitäts-Augenklinik Greifswald geleitete Projekt des Bundesministeriums für Bildung und Forschung wird in enger Kooperation und ständigem Informationsaustausch mit niedergelassenen Augenärzten unter Einbeziehung von Hausärzten und Diabetologen durchgeführt. „Das Telemedizinprojekt soll die Betreuungsqualität von chronisch Kranken vor allem in dünn besiedelten Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern verbessern und gravierenden Einbußen in der Lebensqualität der Patienten, wie schwere Gesichtsfeldausfälle und Erblindung, vorbeugen helfen“, erläuterte Projektleiter Prof. Tost. Die kontinuierliche Verlaufsbeobachtung und die Verfügbarkeit der Daten können unabhängig von Öffnungszeiten der Arztpraxis oder Klinikambulanz zu einer effektiveren interdisziplinären Zusammenarbeit führen. Das Modell soll nach erfolgreichem Abschluss auf weitere Bundesländer ausgedehnt werden.

Das telemedizinische Monitoring wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 75 Prozent in Höhe von 450.000 Euro gefördert (Gesamtkosten 590.000 Euro). Das Projekt ist Bestandteil der Telemedizin-Verbundinitiative „InnoRegio Unternehmen Region DISCO“ (Disease Informations Service Center Online). Ein komplettes Gerätesystem kostet 2.150 Euro.

Die Augenklinik bietet weiteren Patienten mit Verdacht auf Glaukom oder bereits diagnostiziertem Glaukom in möglicher Kombination mit Diabetes und Bluthochdruck Gelegenheit, am telemedizinischen Projekt teilzunehmen.
Kontaktaufnahme unter Telefon 03834/86 59 48 oder 03834/86 22 374,
E-Mail: teletonometrie@uni-greifswald.de

Hintergrund Glaukom (grüner Star)

Unter allen Erblindungsursachen in unserem Kulturkreis steht das Glaukom an erster Stelle; bei rechtzeitiger Behandlung kann das Sehen in der Regel erhalten werden. Als Glaukom bezeichnet man eine Sehnervenschädigung mit Gesichtsfeldausfällen im fortgeschrittenen Krankheitsstadium, die durch eine Steigerung des Augeninnendruckes entsteht. Das Auge enthält eine Flüssigkeit, das so genannte Kammerwasser, welches im Augeninneren produziert wird. Der Abfluss des Kammerwassers aus dem Auge kann aus verschieden Gründen gestört sein, in Folge dessen kommt es zu einer Erhöhung des Augeninnendruckes und einer Schädigung des Sehnerven. Zur Behandlung genügt in den meisten Fällen die Gabe von Augentropfen. Als weitere Optionen können eine Lasertherapie und drucksenkende Augenoperationen hilfreich sein.

Ansprechpartner
Universitätsklinikum Greifswald
Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde
Projektleiter: Prof. Dr. med. Frank Tost
Ärztliche Projektmitarbeiterin: Susanna Antal
Ferdinand-Sauerbruch-Straße, 17487 Greifswald
T +49 (0)3834/86 59 08
F +49 (0)3834/86 59 50
E teletonometrie@uni-greifswald.de

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Constanze Steinke idw

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