Killerzellen jagen Neuroblastom-Zellen

Immuntherapie soll Heilungschancen bei Kindern verbessern

Die Aufgabe des menschlichen Abwehrsystems ist es, Fremdstoffe, Krankheitserreger und auch Krebszellen zu erkennen und zu zerstören. Doch oft verliert das Immunsystem im Kampf gegen einen Tumor. Jetzt wollen Wissenschaftler in Frankfurt und Berlin die körpereigene Abwehr gegen das Neuroblastom verstärken. Das Neuroblastom ist eine besonders bösartige Krebsart, die sich aus dem Nervensystem entwickelt. Es gehört zu den häufigsten soliden Tumoren im Kindesalter. Hier sind neue Therapie-Strategien dringend erforderlich. Denn die Heilungschancen sind in fortgeschrittenen Krankheitsstadien nach wie vor schlecht. Die Deutsche Krebshilfe fördert das Kooperationsprojekt mit 420.000 Euro.

„Ein großes Problem bei der Behandlung des fortgeschrittenen Neuroblastoms besteht darin, dass die Krebszellen trotz intensiver Chemotherapie meist nicht alle zerstört werden und irgendwo im Körper wieder auftauchen“, erklärt Professor Dr. Winfried Wels. Er ist Leiter des Projektes am Chemotherapeutischen Forschungsinstitut Georg-Speyer-Haus in Frankfurt am Main. „Bei einem solchen Rückfall überlebt nur sehr viel weniger als ein Drittel der Kinder“, sagt Frau Dr. Ruth Esser, Klinik für Kinderheilkunde, Universitätsklinikum Frankfurt am Main. Ihre Arbeitsgruppe kooperiert mit den Forschern um Professor Wels. Im Rahmen des von der Deutschen Krebshilfe geförderten Forschungsprojektes entwickeln die Wissenschaftler jetzt eine Immuntherapie, die zusätzlich zur Chemotherapie eingesetzt werden soll. Das Ziel der Forscher: Das körpereigene Abwehrsystem soll die Neuroblastom-Zellen, die auch noch nach einer Hochdosis-Chemotherapie im Körper des Patienten vorhanden sind, erkennen und vernichten.

Das Abwehrsystem ist ein kompliziert aufgebauter Verbund von Molekülen und Zellen, der einem einzigen Zweck dient: der Unterscheidung zwischen „körpereigen“ und „fremd“. Die Abwehrzellen identifizieren mittels spezifischer Erkennungsregionen, so genannter Rezeptoren, fremde Eindringlinge oder veränderte Körperzellen und leiten deren Zerstörung ein. „Auch Neuroblastom-Zellen tragen auf ihrer Oberfläche spezifische Merkmale, welche die Abwehrzellen erkennen können“, erläutert Professor Wels. „Die körpereigene Abwehr ist jedoch oft zu schwach, um diese Krebszellen zu vernichten.“

Die Wissenschaftler wollen daher das Immunsystem gegen die Neuroblastom-Zellen „aufrüsten“. Dazu nutzen sie die so genannten Natürlichen Killerzellen, auch NK-Zellen genannt. Diese Zellen sind im Körper an der Abwehr virusinfizierter und krebsartig veränderter Zellen beteiligt. Im Rahmen einer Studie werden seit Kurzem an der Klinik für Kinderheilkunde in Frankfurt am Main NK-Zellen zur Therapie von Leukämien, also Blutkrebs, eingesetzt. Ihr Einsatz beim Neuroblastom funktioniert jedoch noch nicht ohne weiteres. „Wir wollen die NK-Zellen daher so verändern, dass sie auch beim Neuroblastom erfolgreich zur Therapie eingesetzt werden können“, sagt Professor Wels. Dazu statten die Forscher die Natürlichen Killerzellen mit einer zusätzlichen Erkennungsregion aus. Dieser Rezeptor passt dann zu dem spezifischen Merkmal auf der Oberfläche der Neuroblastom-Zellen wie ein Schlüssel zum Schloss. Auf diese Weise können sich die NK-Zellen an die Neuroblastom-Zellen andocken und deren Zerstörung einleiten.

In einem ersten Schritt wird der Rezeptor zunächst mit Hilfe molekulargenetischer Methoden in isolierte NK-Zellen im Labor eingebracht. Geplant ist, diese manipulierten Zellen anschließend auf den Patienten zu übertragen. „Bevor es so weit ist, muss das Verfahren jedoch noch weiter optimiert werden“, berichtet Professor Wels. „Bei erfolgreichem Verlauf der experimentellen Arbeiten sollen sich dann weiterführende klinische Studien anschließen“.

An dem Forschungsprojekt sind neben dem Georg-Speyer-Haus und der Klinik für Kinderheilkunde der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt Main auch das Institut für Immunhämatologie und Transfusionsmedizin der Universität Frankfurt Main und das Otto-Heubner-Centrum für Kinder- und Jugendmedizin der Charité Berlin beteiligt.

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