"Blitztod" – Neue Therapie verbessert Überlebensrate

„Blitztod“ kann jeden treffen – In der Heidelberger Universitäts-Klinik für Anaesthesiologie wurde nun ein neues Verfahren entwickelt – Blutgerinnsel auflösen, Leben retten

Der „Blitztod“ kann jeden treffen. Ursache für ein solches plötzliches Versterben ist meist die Erkrankung der Herzkranzgefäße, eine Volkskrankheit. Hat man Glück, dann werden Wiederbelebungsmaßnahmen versucht. Aber selbst dann überlebt bisher nur etwa jeder zehnte Betroffene. In der Heidelberger Universitäts-Klinik für Anaesthesiologie wurde nun ein neues Verfahren entwickelt, das die Überlebenschance wahrscheinlich deutlich verbessert. Die Heidelberger Ärzte hatten beobachtet, dass sich nach einem Blitztod überall im Körper Blutgerinnsel bilden. Löst man diese mit einem speziellen Medikament auf, dann können mehr Menschen als bisher erfolgreich wiederbelebt werden. Dieses Ergebnis hat weltweit große Beachtung und Anerkennung gefunden.

Grundlagenforschung, die bewegt

An der Klinik für Anaesthesiologie am Universitätsklinikum Heidelberg beschäftigen sich Ärzte und Grundlagenwissenschaftler aus der Arbeitsgruppe von Priv.-Doz. Dr. med. Bernd Böttiger seit nunmehr fast zehn Jahren intensiv mit der Erforschung von Maßnahmen zur Verbesserung der Überlebensrate durch Wiederbelebungsmaßnahmen nach einem plötzlichen Herz-Kreislaufversagen. Dieses sehr interessante und fast spektakuläre Thema und die damit verbundene Forschung wurden in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit kaum beachtet. Das lag sicherlich auch mit daran, dass auf diesem Gebiet seit der Entdeckung der Möglichkeit der Wiederbelebung in den vergangenen 40 Jahre keine wesentlichen Fortschritte zu verzeichnen waren.

Das Thema ist aber für alle erwachsenen Menschen, und besonders in den westlichen Industrieländern, sehr wichtig. Wir alle können plötzlich vom Herztod betroffen sein und – wenn wir Glück haben – dann auch wiederbelebt werden. In Deutschland werden pro Jahr bei bis zu 100 000 Menschen Wiederbelebungsmaßnahmen nach einem „Blitztod“ durchgeführt. Nur etwa 10%, das heißt nur jeder zehnte dieser Patienten, können im Anschluss daran wieder aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die verbleibenden 90 000 Menschen versterben trotz aller medizinischen Maßnahmen und Bemühungen. Es gab bisher keine spezifische Therapie, mit der das Überleben der Betroffenen verbessert werden konnte. Zahlreiche Gruppen vor allem in den USA, aber auch in Europa, forschen seit mehr als 40 Jahren an diesem Problem. Dennoch konnte hier bis vor kurzem kein entscheidendender Durchbruch erzielt werden.

Die Heidelberger Forscher hatten sich zunächst für das Problem interessiert, was eigentlich genau passiert, wenn ein Mensch einen „Blitztod“ erleidet und dann wiederbelebt wird. Insbesondere wollte man wissen, was im oder mit dem Blut genau passiert, denn das Blut ist ja für die Wiederdurchblutung des gesamten Körpers sozusagen das entscheidende Agens. So konnte in Heidelberg bereits vor einigen Jahren erstmals beobachtet werden, dass es nach einem „Blitztod“ unter anderem auch zu einer äußerst starken Aktivierung der Blutgerinnung und damit zu einer Bildung von Blutgerinnseln nicht nur in den Herzkranzgefäßen, sondern praktisch überall im Körper kommt.

In tierexperimentellen Untersuchungen, die auf diesen Erkenntnissen aufbauten, konnten die Forscher in Zusammenarbeit mit dem Max-Planck-Institut für neurologische Forschung in Köln beobachten, dass durch eine die Blutgerinnung hemmende und Blutgerinnsel auflösende medikamentöse Therapie eine Verbesserung der Wiederdurchblutung nach einem „Blitztod“ im Gehirn erreicht werden kann. Bei einer Wiederbelebung ist das Gehirn, neben dem Herzen, natürlich das entscheidende Organ.

Blutgerinnsel auflösen – Leben retten

Auf dieser fundierten Grundlage wurde anschließend in Heidelberg eine Untersuchung an 90 Patienten mit plötzlichem Herz-Kreislaufversagen durchgeführt. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden vor wenigen Wochen in einer der angesehensten wissenschaftlichen Zeitschriften zunächst der internationalen medizinischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Ergebnisse dieser Untersuchung weisen darauf hin, dass durch eine solche spezifische medikamentöse Therapie auch beim Menschen die Überlebenschance deutlich verbessert werden kann. Wichtig ist auch, dass ungünstige Nebenwirkungen dieser Therapie nicht beobachtet werden konnten.

Im Vergleich mit der Gruppe von Patienten, die im Jahr zuvor nicht mit den die Blutgerinnsel auflösenden Medikamenten behandelt wurden, konnten 68% der Menschen (gegenüber 44% in der nicht behandelten Gruppe) zunächst erfolgreich wiederbelebt werden. In der mit der neuen Therapie behandelten Gruppe erreichten 58% der Patienten die Intensivstation, gegenüber 30% in der nichtbehandelten Gruppe. Diese Unterschiede waren alle auch statistisch bedeutend. Nur 8% der Patienten der nichtbehandelten Gruppe gegenüber 15% der Patienten aus der behandelten Gruppe konnten im Anschluss an das plötzliche Herz-Kreislaufversagen und die Wiederbelebung auch wieder lebend aus dem Krankenhaus entlassen werden. Dies sind beachtliche und für die möglicherweise betroffenen Menschen sogar entscheidende Unterschiede zugunsten der neuen Behandlungsmöglichkeit.

Basierend auf den Untersuchungen der Heidelberger Ärzte steht nun erstmals eine spezifische medikamentöse Therapie zur Verbesserung der Überlebensrate von Patienten nach plötzlichem Herz-Kreislaufstillstand an der Schwelle zu einer breiten Anwendung im Alltag. Die hoffnungsvolle neue Therapie soll jetzt so schnell wie möglich zunächst in einer noch größeren Untersuchung, an der sich zahlreiche europäische und amerikanische Kliniken beteiligen möchten, weiter erforscht werden. Somit wird diese neue und lebensrettende Therapie bereits in naher Zukunft einem Großteil der betroffenen Menschen zur Verfügung stehen.

Für ihre erfolgreiche Arbeit wurden die Heidelberger Forscher in den vergangenen Monaten mit mehreren deutschen und internationalen Wissenschaftspreisen ausgezeichnet.

Rückfragen bitte an:
Priv.-Doz. Dr. med. Bernd W. Böttiger
Klinik für Anaesthesiologie
Universitätsklinikum Heidelberg
Im Neuenheimer Feld 110
69120 Heidelberg
Tel. 06221 566351, Fax 565345 
bernd_boettiger@med.uni-heidelberg.de

Dr. Michael Schwarz
Pressesprecher der Universität Heidelberg
Tel. 06221 542310, Fax 542317 
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