Antibiotika helfen gegen gefährliche Tropenkrankheit

Patient mit Lymphödem, das durch eine Elefantiasis ausgelöst wurde. In dem Eimer ist eine Jodlösung, mit dem der Kranke sein Bein reinigt. Das Bild zeigt ein vergleichsweise leichtes Stadium der Erkrankung. (c) AG Prof. Hörauf

Ein Antibiotikum, das schon lange gegen Atemwegs- und Darminfektionen eingesetzt wird, scheint auch die Erreger der gefährlichen Elefantiasis besiegen zu können. Das belegt eine Studie, die Parasitologen der Universität Bonn mit Kollegen aus Hamburg, Liverpool und Tansania durchgeführt haben. Ihre Ergebnisse sind im renommierten Mediziner-Fachblatt The Lancet erschienen (Band 365, Mai 2005). Bislang lässt sich die Krankheit kaum heilen.

Auslöser ist der Stich einer infizierten Mücke: Zusammen mit seinem Gerinnungshemmstoff pumpt der Blutsauger Wurmlarven in den Körper seines Opfers. Diese wandern zu den Lymphknoten und wachsen dort zu Fadenwürmern heran, die bis zu zehn Zentimeter lang werden können. Der Körper reagiert mit einer Entzündung, durch die der Lymphfluss zum Erliegen kommt. In der Folge schwellen Arme, Beine und Genitalien monströs an – daher auch der Name „Elefantenkrankheit“ oder Elefantiasis. Mehr als 120 Millionen Menschen weltweit sind mit dem Erreger Wuchereria bancrofti infiziert.

Fünf Jahre können die erwachsenen Wuchereria-Würmer alt werden. In dieser Zeit produzieren sie Millionen von Nachkommen, die so genannten Mikrofilarien, jede kleiner als der Punkt am Ende dieses Satzes. Bei einem erneuten Mückenstich werden die Mikrofilarien mit dem Blut aufgenommen. In dem Insekt reifen sie zu infektiösen Wurmlarven heran. Damit schließt sich der Kreislauf.

„Die heute eingesetzten Medikamente töten zwar die Mikrofilarien, lassen jedoch die erwachsenen Würmer größtenteils ungeschoren“, erklärt der Bonner Parasitologe Professor Dr. Achim Hörauf. „Wegen der langen Lebensdauer der Wuchereria-Würmer dauert die Behandlung daher mehrere Jahre, in denen die Symptome fortbestehen.“ Zudem können die Medikamente schwere Nebenwirkungen verursachen.

Wurmkur auf Umwegen

Doch auch der Fadenwurm selbst hat einen Untermieter, und der könnte sich als seine Achillesferse entpuppen: In jedem Wuchereria-Wurm leben nämlich bestimmte Bakterien, die der Schmarotzer zum Überleben unbedingt benötigt. Sterben diese Bakterien, stirbt früher oder später auch der Parasit. „Daher ist Wuchereria angreifbar für Antibiotika, die normalerweise gegen bakterielle Infektionen eingesetzt werden“, betont Hörauf. Ein Beispiel ist Doxycyclin, das schon seit Jahrzehnten gegen Infektionen der Atemwege oder des Magen-Darm-Trakts eingesetzt wird.

In ihrer Studie haben die Mediziner in Tansania insgesamt 72 männliche Betroffene für acht Wochen mit Doxycyclin oder einem Placebo behandelt. Anfangs wimmelte es im Blut der Versuchsteilnehmer von Mikrofilarien: Bis zu 1.300 Tiere pro Milliliter Blut zählten die Experten. Acht Monate nach der Behandlung waren sie fast völlig verschwunden; nur bei einem Kranken ließen sich noch einzelne Mikrofilarien nachweisen. Allerdings ging auch in der Placebo-Gruppe die Mikrofilarien-Belastung zurück – ein Effekt, der wahrscheinlich auf die bessere Betreuung der Patienten zurückzuführen war.

Anders als bislang eingesetzte Medikamente tötete das Antibiotikum aber auch die ausgewachsenen Würmer. 14 Monate nach der Doxycylin-Kur konnten die Ärzte im Ultraschall-Bild lediglich bei jedem fünften Patienten noch die typischen Wurmbewegungen („Filarien-Tanz“) nachweisen. In der Placebo-Gruppe lag diese Quote bei 89 Prozent. Auch Konzentration bestimmter Wurm-Proteine im Blut ging in der Doxycyclin-Gruppe um mehr als die Hälfte zurück.

Wirksam, günstig, nebenwirkungsarm

„Diese Ergebnisse sind für die Therapie nicht zu unterschätzen“, betont Hörauf. „Die ausgewachsenen Würmer sind schließlich verantwortlich für die Krankheitssymptome wie die extrem geschwollenen Extremitäten. Bislang gab es aber keine effektive und sichere Methode, sie zu bekämpfen!“ Die Wirksamkeit des Antibiotikums könne sogar höher sein als gemessen: „Es ist nicht auszuschließen, dass einige Patienten sich in den Monaten nach der Doxycyclin-Kur aufs Neue infiziert haben. Es kann also durchaus sein, dass alle Würmer abgetötet wurden und die 20 Prozent ’Rest’ Neuinfektionen sind, die bei einer wirksamen Kontrolle der Übertragung gar nicht mehr auftreten würden.“

Doxycyclin wird seit vielen Jahren eingesetzt und hat nur geringe Nebenwirkungen. Allerdings kann es bei kleinen Kindern die Zähne irreversibel schädigen und das Knochenwachstum verzögern. Aus diesem Grund sollte das Antibiotikum auch nicht in der Schwangerschaft eingesetzt werden. Für Jugendliche und Erwachsene ist das Mittel aber unbedenklich. Außerdem ist es vergleichsweise günstig. „Sein größter Vorteil: Es ist bereits als Medikament zugelassen“, sagt Hörauf. „Elephantiasis trifft vor allem die Armen. Völlige Neuentwicklungen sind von der Pharmaindustrie daher nicht zu erwarten.“

Einen Ultraschall-Film zu dieser Pressemitteilung gibt’s im Internet unter http://www.uni-bonn.de/Aktuelles/Presseinformationen/2005/228.html

Kontakt:
Professor Dr. Achim Hörauf
Institut für Medizinische Parasitologie
Telefon: 0228/287-5673 oder -5674
E-Mail: hoerauf@parasit.meb.uni-bonn.de

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