Auto-Antikörper lösen Erkrankung des Zentralnervensystems aus

Forscher von der Neurologischen Klinik der Universität Würzburg haben erstmals bewiesen, dass Auto-Antikörper eine Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS) auslösen können. Während das für einige Krankheiten des peripheren Nervensystems schon seit Jahrzehnten feststeht, waren alle bisherigen Versuche fehlgeschlagen, etwas Vergleichbares am ZNS zu belegen.

In der Zeitschrift „Lancet“ berichtet die Forschergruppe um die Professoren Claudia Sommer und Klaus Toyka über eine Patientin, die am „Stiff person Syndrom“ erkrankt ist. Bei diesem Leiden versteift sich die Muskulatur erst anfallsartig, später dauerhaft. In Verbindung damit treten Platzangst sowie eine übergroße Schreckhaftigkeit auf. Wenn die Krankheit voll ausgeprägt ist, können die Betroffenen nicht mehr gehen und stehen.

„Diesem Syndrom liegt eine seltene Immunerkrankung des Gehirns zu Grunde“, erklärt Professor Sommer. Wie bei rund zehn Prozent der Betroffenen fanden sich auch im Blut der Würzburger Patientin große Mengen Auto-Antikörper gegen das Protein Amphiphysin. Dieses spielt an den Schaltstellen zwischen Nervenzellen sowie zwischen Nerven und Muskeln eine Rolle. Mit Antikörpern wehrt das Immunsystem im Normalfall Eindringlinge ab, etwa Bakterien oder Viren. Auto-Antikörper aber richten sich fälschlicherweise gegen den eigenen Körper – in diesem Fall gegen das genannte Protein.

Durch Blutwäschen gelang es den Würzburger Medizinern, die Anzahl der Auto-Antikörper bei der Frau zu verringern und die Beschwerden deutlich zu lindern. Aus dem Blut der Patientin isolierten sie den schädlichen Antikörper, ein Immunglobulin G. Nun wollten sie herausfinden, ob dieser Antikörper die Krankheit direkt auslösen kann, und übertrugen ihn auf gesunde Ratten. Zugleich setzten sie deren Blut-Hirn-Schranke außer Funktion, so dass der Antikörper in großer Menge ins Gehirn eindringen konnte.

Ergebnis: Nur die mit dem Immunglobulin der Patientin behandelten Nager entwickelten ein Krankheitsbild mit Muskelsteifigkeit und Muskelverkrampfungen, welches das „Stiff person Syndrom“ in Teilen widerspiegelt. Im Blut der Tiere fanden die Wissenschaftler entsprechende Mengen des übertragenen Immunglobulins wieder. Außerdem stießen sie vor allem in Gehirn und Rückenmark auf Ablagerungen des Antikörpers.

Mit diesem Experiment haben die Forscher gezeigt, dass nach der Öffnung der Blut-Hirn-Schranke eine antikörpervermittelte Erkrankung des Zentralnervensystems auf ein Versuchstier übertragen werden kann. Im Fachblatt „Lancet“ kommentiert der Neurologe Ted Burns von der University of Virginia: „Diese Studie ist wichtig, weil sie zeigt, dass alleine Auto-Antikörper dazu in der Lage sind, die Erkrankung in Gang zu bringen.“ Die Würzburger Mediziner wollen nun untersuchen, welche Rolle andere Auto-Antikörper bei Erkrankungen des Zentralnervensystems spielen.

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Robert Emmerich idw

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