Thorakales Aneurysma – weitere neue Stentgraftverfahren

Aneurysmen sind krankhafte Erweiterungen der Gefäße und können praktisch an allen Blutgefäßen im menschlichen Organismus vorkommen. Treten diese Gefäßerweiterungen im Bereich der Hauptschlagader im Brustkorb auf, spricht man von thorakalen Aortenaneurysmen. Sie machen etwa 10 % aller Aneurysmen aus und sind ab einer bestimmten Größe mit dem erheblichen Risiko einer lebensbedrohlichen Blutung verbunden.


Am Mittwoch, 11. Mai 2005, beschäftigt sich ein Symposium am Standort Großhadern des Klinikums der Universität mit genau diesen thorakalen Aneurysmen. Veranstalter sind die Chirurgische und die Herzchirurgische Klinik. Das Symposium findet von 15.30 bis 19.15 Uhr im Hörsaal VI in Großhadern statt. Thema sind dort neben den neuesten Therapien auch die Kosten, die bisher von den Krankenkassen nicht oder nur umzureichend übernommen werden.

Die große Gefahr von Aneurysmen liegt in ihrem Größenwachstum und dem damit verbundenen Risiko zu platzen (Ruptur). Thorakale Aneurysmen zeigen im Vergleich zu abdominalen Aneurysmen eine besonders schnelle Größenzunahme und ab einem Durchmesser über 6 cm eine erhebliche Rupturgefahr von 40-70 % innerhalb von 5 Jahren. In verschiedenen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass nur etwa 1/3 der Patienten mit bekanntem thorakalem Aneurysma größer als 6 cm weitere 5 Jahre überlebten.

Klassische Behandlung

Aneurysmen nahe dem Herzen und des Aortenbogen mit den abgehenden hirnversorgenden Gefäßen werden durch einen Herzchirurgischen Eingriff unter Verwendung der Herz-Lungen Maschine behandelt. Für die Behandlung der thorakalen absteigenden Aorta ist war bisher ein offener Zugang mit Eröffnung des Brustkorbs und Ersatz der Aorta durch eine Gefäßprothese notwendig. Die kompliziert zu versorgenden kombinierten Aneurysmen der Brust und Bauchschlagader müssen über einen großen Zugang mit Eröffnung beider Körperhöhlen operiert und Teilbereiche oder die gesamte absteigende Hauptschlagader ersetzt werden.

Operative Risiken

Die besondere Problematik der thorakalen Erkrankungen der Aorta liegt darin, dass bei einer klassischen offenen Operation die Blutversorgung zu den im Bauchraum gelegenen Organen (Leber, Darm und Nieren) unterbrochen werden und während dieser Zeit eine Mangeldurchblutung entstehen kann. Zusätzlich wird die Durchblutung des Rückenmarks vorübergehend oder dauerhaft eingeschränkt. Diese Durchblutungsstörungen der Organe und des Rückenmarks sind der Grund für die oft erheblichem Komplikationen und das hohe Sterblichkeitsrisiko Diese Risiken sind besonders groß, wenn das Aneurysma den absteigenden Teil der Hauptschlagader im Brust- und im Bauchraum betrifft. Dabei können in 10-30 % der Fälle ein dialysepflichtiges Nierenversagen und eine Querschnittslähmung auftreten.

Risikominderung durch minimal invasive Eingriffe?

Für die Behandlung von Verletzungen oder Aneurysmen der Hauptschlagader stehen seit einiger Zeit neue Behandlungsverfahren zur Verfügung, die für eine Reihe von betroffenen Patienten den operativen Eingriff wesentlich reduzieren und risikoärmer gestalten können. Das Prinzip besteht darin, dass das betroffene Hauptschlagadersegment von innen her mit einer stentgestützten Aortenprothese stabilisiert wird. Dabei wird eine durch ein Metallgitternetz stabilisierte Gefäßprothese über einen kleinen Hautschnitt in der Leiste durch die Bein- und Beckenarterie unter Durchleuchtung im Bereich der erweiterten Hauptschlagader freigesetzt und das Aneurysma abgedichtet. „Durch die minimal invasive endovasculäre Behandlung thorakaler Aneurysmata kann der operative Eingriff mit deutlich geringerer Belastung für den Patienten, mit kürzerem Intensiv- und Krankenhausaufenthalt und wesentlich reduziertem Risiko für das Auftreten einer Querschnittslähmung durchgeführt werden“, betont Oberarzt Dr. Reinhard Kopp.

Weitere neue Stentgraftverfahren bieten zusätzliche Möglichkeiten für die Behandlung der kombinierten Erkrankungen der Hauptschlagader im Brust- und Bauchraum. Als Alternative zum offen chirurgischen Gefäßersatz der Hauptschlagader des Brust- und Bauchraumes ermöglicht die Kombination aus einer endovasculären Stentgraft-Implantation und der Anlage von mehreren Gefäßbypässen (Hybrid-Operation) die Vermeidung eines ausgedehnten Eingriffes in beiden Körperhöhlen. Durch dieses operative Verfahren kann eine möglichst kurze Unterbrechung der Durchblutung von Leber, Darm und der Nieren mit deutlich geringerer Gefahr einer Querschnittslähmung erreicht werden.

Zukünftig wird durch die sogenannten gefensterten und verzweigten Stentgrafts mit zusätzlicher Implantation von kleinen beschichteten Stents als Verbindung zwischen dem Stentgraftkörper und den Gefäßabgängen der Viszeral- und Nierenarterien die komplette endovaskuläre Versorgung ausgedehnter Aneurysmen mit deutlich geringerem Risiko möglich sein. Da die offene Operationen in solchen Fällen bisher von einem hohen Risiko begleitet waren, könnten die neuen Stentgraftsysteme hier eine erhebliche Verbesserung erbringen.

Endovasculäre Gefäßchirurgie in Großhadern

In der Chirurgischen Klinik, Schwerpunkt Gefäßchirurgie im Klinikum der Universität München – Großhadern werden seit 1997 endovasculäre Stentgraftimplantationen zur Behandlung von aneurysmatischen Erweiterungen der thorakalen und abdominalen Aorta, von akuten und chronischen Einrissen der inneren Gefäßwand der Hauptschlagader und akuten traumatischen Aortenverletzungen eingesetzt. Bisher wurden in der Chirurgischen Klinik Großhadern bei als 160 Aortenstentgrafts bei 140 Patienten implantiert.

Damit liegen über einen relativ langen Zeitraum von fast 8 Jahren wissenschaftliche Ergebnisse über den Langzeitverlauf nach endovasculärer Chirurgie der Hauptschlagader vor. Bei etwa 10-15 % der Patienten sind Korrektureingriffe notwendig, die aber meist erneut über einen kleinen Zugang in der Leiste durchgeführt werden können. „Die neuen endovasculären Therapieverfahren zur Behandlung der Erkrankungen der Hauptschlagadern eröffnen nun auch Patienten mit schweren Begleiterkrankungen und hohem perioperativem Risiko erstmalig eine realistische Therapiechance“, sagt Prof. Dr. Karl Walter Jauch, Direktor der Chirurgischen Klinik in Großhadern.

Zukünftig können auch Patienten mit Aneurysmen der Bauchaorta und kurzem Aortensegment unterhalb der Nierengefäße durch sogenannte gefensterte Stentgrafts behandelt werden. Die Einführung der bisher in Deutschland noch nicht durchgeführten Implantation verzweigter Stentgraftsysteme zur Behandlung von Patienten mit ausgedehnten Aneurysmen des Brust- und Bauchraumes und schweren Begleiterkrankungen wird als weitere neue Therapieoption innerhalb der nächsten 12 Monate realisiert.

Problem der Vergütung von Innovationen in der Gefäßchirurgie

Die endovaskuläre Implantation dieser Stentgrafts hat bereits Einzug in die klinische Routinebehandlung gehalten. Die Anwendung dieser Verfahren verteuert die Behandlung im Einzelfall allerdings um ca. 7.000,- bis 8.000,- Euro pro Patient. Die Krankenhausbudgets in Deutschland sind aber weitestgehend gedeckelt. „Die Neueinführung eines derartigen Therapieverfahrens bedeutet einen erheblichen finanziellen Mehraufwand (in unserer Klinik pro Jahr ca. 50 Patienten mit einem Mehraufwand von etwa 400.000.- Euro). In Zusammenarbeit mit den Krankenkassen müssen hier Möglichkeiten geschaffen werden, solche für den Patienten segensreiche Neuerungen auch finanzieren zu können“, betont Prof. Dr. A. Billing, Finanzex-perte an der Chirurgischen Klinik.

Wie bereits erwähnt geht der endovasculäre Fortschritt noch weiter: die genannten gefensterten und verzweigten Stentgrafts werden als individuelle Einzelanfertigung für jeden Patienten hergestellt und sind deshalb ausgesprochen teuer (Kosten: derzeit 20.000,- bis 30.000,- Euro pro Stück). Der Wirkungsnachweis ist bisher durch eine Reihe von guten Einzelbeispielen dokumentiert. Für derartige, offensichtlich hoffnungsvolle Neuerungen galt im klinischen Bereich bisher der Grundsatz, dass solche Verfahren bei sonst fehlenden Therapiemöglichkeiten angewendet werden können, um ihren Nutzen nachzuweisen. Durch den neu eingerichteten gemeinsamen Bundesausschuss wird jetzt dagegen gefordert, dass derartige Behandlungen erst ermöglicht werden sollen, wenn in groß angelegten Studien mit hoher statistischer Aussagekraft der Nutzen wissenschaftlich erwiesen ist. Für die dargestellten Stentgraftsysteme, die für komplizierte Einzelfälle verwendet werden, dann aber die einzige Therapiechance darstellen, wäre ein derartiger Wirksamkeitsnachweis niemals zu erbringen.

Von der Bundesgesundheitsministerin Frau Ulla Schmid wurde nun in Aussicht gestellt, den Vorstoß des gemeinsamen Bundesausschusses abzuwenden, um auch in Zukunft Innovationen im Krankenhaus eine Chance zu geben. Der Ausgang dieses Verfahrens wird im Interesse unserer Patienten mit Spannung erwartet.

Weitere Infos bei:
OA Dr. Reinhard Kopp
Oberarzt des Schwerpunktes Gefäßchirurgie,
Chirurgische Klinik, Klinikum der Universität – Großhadern
LMU München
Tel. 089-7095-3510
email: rkopp@med.uni-muenchen.de

Media Contact

S. Nicole Bongard idw

Weitere Informationen:

http://www.med.uni-muenchen.de

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