Neu ist nicht immer besser: Mainzer Forscher raten Ärzten von zwei Schnelltests für Atemwegsinfektionen ab

Beide Tests zu ungenau – Ärzte erkennen echte Virusgrippe anhand der Krankheitszeichen besser als mit dem untersuchten Schnelltest

„Antibiotika – ja oder nein?“, lautet die Gretchenfrage bei tiefen Atemwegsinfektionen. Schnelltests sollen die therapeutische Entscheidung des Arztes unterstützen – aber wie gut sind sie? Wissenschaftler des Forschungsnetzwerkes PID-ARI.net haben zwei Schnelltests untersucht. „Das Ergebnis war enttäuschend“, sagte Dr. Britta Gröndahl von der Kinderklinik und Kinderpoliklinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz. Die Einrichtung ist Teil des Forschungsnetzwerkes PID-ARI.net, das Infektionen der Atemwege im Kindesalter untersucht.

Viele Viren befallen unsere Atemwege, viele davon sind harmlos. Nicht jedoch die echte Virusgrippe (Influenza) und das Respiratory Syncytial Virus (RSV). Beide gehen im Winter in Wellen durch die Bevölkerung. RSV macht vor allem Säuglinge und Kleinkinder schwer krank, häufig verursacht es eine untypische Lungenentzündung. Aber auch die echte Virusgrippe bereitet Kindern Probleme: Rund 80 Prozent der Kinder, die wegen einer Influenza ins Krankenhaus müssen, gehören keiner Risikogruppe an, sie waren vorher gesund.

Seit einiger Zeit werden Schnelltests angeboten, die Ärzten helfen sollen, Lungenentzündungen und andere schwere Atemwegserkrankungen richtig zu behandeln. Die Qualität eines RSV- und eines Influenza-Schnelltests haben Wissenschaftler des Forschungsnetzwerkes PID-ARI.net untersucht. Das Ergebnis war ernüchternd: „In der Influenza-Saison können Ärzte eine Virusgrippe allein anhand der Krankheitszeichen treffgenauer diagnostizieren als mit dem untersuchten Schnelltest. Auch außerhalb der Grippe-Saison ist er zu ungenau“, erklärte Dr. Gröndahl. „Auch der untersuchte RSV-Test ist außerhalb der Saison ungeeignet und insbesondere in der kritischen Übergangszeit zu ungenau.“

In der Studie wurden insgesamt 635 Proben von Schleim aus dem Nasen-Rachen-Raum untersucht. Alle Proben stammten von Kindern zwischen 0 und 16 Jahren, die wegen akuter Infektion der unteren Atemwege in die Kinderklinik der Universität Mainz eingeliefert wurden. „Zumindest die Ergebnisse des RSV-Schnelltests sehen zunächst noch recht verlässlich aus“, so Gröndahl, „dennoch sind sie mit Vorsicht zu bewerten. Außerhalb einer Erkrankungswelle werden die Ergebnisse fragwürdig.“ Die Wissenschaftlerin empfiehlt deshalb, außerhalb der Erkältungszeit präzisere Nachweismethoden wie die PCR (Polymerasekettenreaktion) einzusetzen.

An dem Forschungsnetzwerk PID-ARI.net sind Universitätskliniken, Krankenhäuser, Arztpraxen und der öffentliche Gesundheitsdienst beteiligt. An den drei Standorten in Kiel, Mainz und Freiburg wird in einem begrenzten Gebiet fortlaufend untersucht, an welchen Erregern Kinder unter 16 Jahren erkranken. Die Ergebnisse erlauben Rückschlüsse auf die aktuelle Situation in ganz Deutschland.

Kontakt und Informationen:

Dr. Britta Gröndahl
Kinderklinik und Kinderpoliklinik
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Tel. 06131 17-3344
E-Mail: groendahl@zpp.klinik.uni-mainz.de

Media Contact

Petra Giegerich idw

Weitere Informationen:

http://www.pid-ari.net

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