Volkskrankheit Vorhofflimmern – erste Ergebnisse aus dem Patientenregister

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern baut zur Zeit ein bundesweites Patientenregister auf. Rund 5700 Patienten wurden bis jetzt rekrutiert. Die Zwischenauswertung nach einem Jahr brachte erste Ergebnisse hervor, zum Beispiel zur Alters- und Geschlechtsverteilung der Krankheit, zu den Behandlungsmethoden und Komplikationen. Darüber hinaus dient das Vorhofflimmerregister als Basis für neue klinische Studien.

Mehr als eine Million Menschen in Deutschland leiden an Vorhofflimmern, der klinisch wichtigsten Herzrhythmusstörung. Betroffen sind überwiegend ältere Menschen. Aufgrund der demographischen Entwicklung schätzen Experten, dass es in vierzig Jahren bereits über 2,5 Millionen sein werden.

Obwohl die Volkskrankheit Vorhofflimmern ein immer ernsteres Problem im Gesundheitswesen darstellt, ist über die Versorgung und Behandlung hierzulande wenig bekannt. Um darüber mehr zu erfahren, führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Steinbeck zur Zeit eine umfassende Erhebung durch und baut ein bundesweites Register auf. Patientendaten werden über ein Datendokumentationssystem anonymisiert erfasst. Über 600 Klinikärzte und niedergelassene Kardiologen, Internisten und Allgemeinmediziner wirken daran mit, indem sie Patienten rekrutieren.

Gut ein Jahr nach dem Start sind jetzt bereits mehr als 5700 Vorhofflimmerpatienten ins Register eingeschlossen, von denen etwa die eine Hälfte aus Klinken, die andere Hälfte aus Praxen stammt. Eine erste Zwischenauswertung brachte vielfältige Ergebnisse hervor, die teils die Erwartungen bestätigen, teils aber auch Überraschendes ans Licht bringen.

Die alters- und geschlechtsspezifische Verteilung zeigt zum Beispiel, dass Männer und Frauen zwischen 66 und 75 Jahren am häufigsten im Vorhofflimmerregister vertreten sind, wobei unter 75 die Männer in der Überzahl sind, über 75 die Frauen. Von den drei verschiedenen Vorhofflimmertypen kommt permanentes Vorhofflimmern am häufigsten vor, gefolgt von paroxysmalem und an dritter Stelle persistierendem Vorhofflimmern.

Die Auswertung gibt Aufschluss über die eingesetzten Behandlungsmethoden: am häufigsten angewandt wurde die elektrische Kardioversion, gefolgt von der Wiederherstellung des Sinusrhythmus mittels Antiarrhythmika, der Katheterablation und in seltenen Fällen der Implantation eines eine Schrittmachers. In der großen Mehrzahl der Fälle konnten die Ärzte damit ihr Therapieziel erreichen und die Symptome der Patienten bessern.

Vorhofflimmern geht mit schwerwiegenden Komplikationen einher: einerseits hatten rund zehn Prozent der untersuchten Patienten bereits einen Schlaganfall oder ähnliche Komplikationen erlitten, andererseits traten bei fünf Prozent Blutungskomplikationen auf, verursacht durch blutverdünnende Medikamente zur Vorbeugung gegen Schlaganfälle. Diese Zahlen verdeutlichen, dass es sich um eine hochgradig gefährdete Patientengruppe handelt und dass insbesondere die Entscheidung für oder gegen eine Blutverdünnung häufig eine Gratwanderung darstellt.

Mit Verlaufsuntersuchungen sind von diesem Register weitere Ergebnisse zu erwarten, die Aufschluss über die Versorgungsqualität in Deutschland geben. Die Experten um Prof. Steinbeck versprechen sich davon zum Beispiel Antworten auf folgende Fragen: Wie effektiv werden Vorhofflimmerpatienten in deutschen Kliniken und Praxen behandelt? Entspricht die Versorgung hierzulande den international gültigen Leitlinien?

Neben den epidemiologischen Untersuchungen dient das bundesweite Vorhofflimmerregister als Basis für multizentrische klinische Studien, in denen verbesserte Therapieverfahren bewertet werden.

Die BACE-PACE-Studie untersucht bei Herzschrittmacherpatienten, die an paroxysmalem Vorhofflimmern leiden, in wie weit eine Kombination aus Schrittmacherstimulation und medikamentöser Behandlung zur Prävention von paroxysmalem Vorhofflimmern geeignet ist. Das Projekt wird in Kooperation mit dem Schrittmacherhersteller Vitatron durchgeführt. Ende Januar wurden die ersten Patienten rekrutiert.

Ebenfalls Anfang dieses Jahres ging die ANTIPAF-Studie an den Start, die die Wirksamkeit des Angiotensin II Rezeptorblockers Olmesartan zur Verringerung von paroxysmalem Vorhofflimmern testet. Die Studienmedikation stellt Kooperationspartner Sankyo Pharma zur Verfügung.

Persistierendes Vorhofflimmern lässt sich fast immer durch eine elektrische Kardioversion erfolgreich beenden. Um Rückfalle zu verhindern, werden anti-arrhythmische Medikamente eingesetzt. Die Flec-SL-Studie, die in diesen Tagen anläuft, untersucht nun, ob eine kurzzeitige Antiarrythmika-Therapie genau so effektiv ist wie die übliche Langzeittherapie.

Wenn Medikamente nicht helfen, kann in vielen Fällen eine Katheterablation das Vorhofflimmern beseitigen. Verbesserte Verfahren bei der Katheterablation sollen nun in der GAP-AF-Studie untersucht werden. Mit dem Beginn der Studie ist in den nächsten Wochen zu rechnen.

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Dr. Angelika Leute idw

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