Bessere Chancen für beatmete Patienten nach Schlaganfall

Neues Pflegekonzept soll Lungenentzündung und Druckgeschwüren vorbeugen / Preis für Heidelberger Intensiv-Pflegeteam


Für ein innovatives Konzept zur Intensivpflege von Patienten nach schwerem Schlaganfall ist ein Pflegeteam der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg ausgezeichnet worden. Danach können Patienten, die an einem erhöhten Hirndruck leiden, frühzeitig umgelagert und mobilisiert werden. So werden schwere Komplikationen wie Lungenentzündung und Druckgeschwüre verhindert.

„Dieses Pflegekonzept könnte den Krankheitsverlauf von schwerstkranken Schlaganfall-Patienten positiv beeinflussen“, erklärt Professor Dr. Werner Hacke, Ärztlicher Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Heidelberg. Damit sei ein berufsgruppenübergreifender Ansatz ausgezeichnet worden, bei dem Mitarbeiter des Pflegedienstes wissenschaftliche Konzepte erarbeitet, umgesetzt und hervorragend präsentiert hätten.

Dieter Rüdiger von der Neurologischen Intensivstation erhielt zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Pflegepostersonderpreis der Deutschen Gesellschaft für Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin bei ihrer Jahrestagung im Januar 2005 in Klagenfurt.

Das Team hatte sich ein schwieriges Thema vorgenommen, das viele beatmete Patienten auf der neurologischen Intensivstation betrifft: Durch eine Blutung, Durchblutungsstopp oder eine Schädelhirnverletzung steigt der Druck im Schädelinneren an und droht das Hirngewebe zu zerstören.

Ist die stabile Oberkörper-Lagerung von 30 Grad bei Hirndruck obsolet?

Bislang werden Patienten, deren Hirndruck zu hoch ist, durchweg stabil auf dem Rücken gelagert. Der Kopf wird dabei ständig leicht erhöht gehalten, der Oberkörper des Patienten ist in einem Winkel von 30 Grad geneigt. Selbst beim Umbetten und der Körperpflege wird diese Position beibehalten. Dadurch soll vermieden werden, dass bei veränderter Körperhaltung der medikamentös gesenkte Hirndruck steigt.

„Die mangelnde Bewegung über viele Tage oder Wochen kann zu schweren Komplikationen führen“, sagt Dieter Rüdiger. Vor allem wird die Lunge nicht mehr ausreichend belüftet, hartnäckige Infektionen bedrohen den beatmeten Patienten. Auch seine Hautdurchblutung leidet, so dass vermehrt Druckgeschwüre entstehen. Außerdem ist es für die Pflegenden körperlich belastend, den Patienten in ständig gleich bleibender Körperlage zu versorgen.

Grundlage des neuen Pflegekonzeptes ist die so genannte „Kinästhetik“. Die Pflegende wenden dabei Grundsätze an, die es ihnen ermöglichen, die eigene Bewegung und den eigenen Körper zur Unterstützung und Führung der Bewegung des Patienten zu nutzen.

Das Heidelberger Team bereitete den ersten Einsatz bei Intensivpatienten umfassend vor. Zunächst entwickelten sie harmonische Bewegungsmuster zur Umlagerung des Patienten und übten diese an sich selbst ein. Dann setzten sie diese an wachen Intensivpatienten ein, deren Wahrnehmung und Bewegung leicht beeinträchtigt ist. Schließlich bereiteten sie den komatösen Patienten durch Sprechen und Berührung auf die Umlagerung vor.

Hirndruck bei der Umlagerung vorübergehend erhöht

„Bislang haben wir die Umlagerung bei nur wenigen beatmeten Patienten durchgeführt“, berichtet Dieter Rüdiger. Bei den zweistündlichen Umlagerungen wurde der Hirndruck kontinuierlich überwacht: Eine Sonde im Gehirn registrierte die Hirndruckwerte, eine zweite maß toxische Substanzen, die bei drohender Gewebeschädigung produziert werden (Mikrodialyse).

Die Hirndruckwerte stiegen während der Mobilisation kurzfristig an, gingen aber wieder auf den gewünschten Stand zurück; langfristige Auswirkungen, ablesbar am Hirnstoffwechsel, waren nicht zu verzeichnen. Die Patienten entwickelten keine Lungenprobleme, auch Druckgeschwüre kamen nicht vor.

Nun soll in einer größer angelegten Studie überprüft werden, ob die Mobilisation beatmeter Patienten mit erhöhtem Hirndruck den Krankheitsverlauf tatsächlich positiv beeinflussen kann.

Media Contact

Dr. Annette Tuffs idw

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