Langzeitschäden durch rückenmarknahe Katheter: DGSS-Schmerzspezialisten warnen schon lange

Spiegel: Fatale Langzeitschäden durch rückenmarknahe Katheter

DGSS-Schmerzspezialisten warnen schon seit langem

Von einer Häufung schwerer Nebenwirkungen bis hin zur bleibenden Querschnittlähmung bei Patienten mit chronischen Schmerzen durch einen speziellen Katheter („Racz-Katheter“) berichtet die Zeitschrift „Der Spiegel“ in seiner Ausgabe 5/2005. Diese Nachricht kommt für Schmerzspezialisten nicht überraschend: Sie warnen seit langem vor den Risiken dieser Therapie. Die Schmerzspezialisten Dr. Doris Kindler, Prof. Dr. Christoph Maier und Prof. Dr. Michael Zenz hatten bereits im Mai 2004 in „Der Schmerz“, dem offiziellen Organ der Deutschen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes e.V. (DGSS) drei alarmierende Fallberichte publiziert, um auf die extremen Gefahren auch bei der rückenmarknahen Morphintherapie hinzuweisen. Sie fordern einen verantwortungsvollen Umfang mit dieser Therapiemethode und die Behandlung besonders schwerer Fälle in spezialisierten Zentren.

Fatale Fehler bei der Behandlung

Im Schmerzzentrum der BG-Kliniken Bergmannsheil, Klinikum der Ruhr-Universität Bochum wurden in den letzten Jahren 18 Patienten behandelt, bei denen ernste Probleme nach rückenmarknaher Schmerztherapie aufgetreten waren. Die Patienten erhielten hochwirksame Medikamente über einen Katheter direkt in die Rückenmarkflüssigkeit. „Dieses Therapieprinzip kann bei schwersten Schmerzzuständen helfen, etwa bei Krebsschmerzen“, so Prof. Maier, „aber es ist nur sehr selten und nur bei wenigen Patienten indiziert.“ Fatal kann sich vor allem die unsachgemäße Durchführung der Therapie auswirken: Die Bochumer Autoren hatten anhand von Fällen aus ihrer Klinik demonstriert, dass allgemein anerkannte Regeln der Schmerztherapie bei der Anwendung der Methode oft nicht eingehalten werden.

Hilflosigkeit der Therapeuten

Zudem stellten sie fest, dass die Therapie mitunter unbegründet angewendet wurde: In einem Fall hatte ein Patient nach wiederholter Behandlung mittels Katheter eine Rückenmarksschädigung erlitten, obwohl er lediglich an einem einfachen und gut krankengymnastisch therapierbaren Krankheitsbild litt. „Die voreilige Etikettierung solcher Patienten als ’nicht behandelbar’ ist oft nur Ausdruck der therapeutischen Hilflosigkeit der primär beteiligten Therapeuten“, mussten die Spezialisten feststellen. Sie berichten auch über den Fall eines Patienten, der wegen angeblich unbeeinflussbarer Schmerzen sogar einen Katheter ins Gehirn gelegt bekam, unter dem er jedoch eher mehr als weniger Schmerzen hatte und lebendbedrohliche Zwischenfälle auftraten. In der Bochumer Klinik gelang es später, diesen Patienten auf eine ganz einfache Schmerztherapie mit Tabletten umzustellen. Er ist seit zwei Jahren ohne den Katheter im Kopf gut eingestellt.

Patienten gehören in spezialisierte Zentren

Die DGSS-Spezialisten weisen darauf hin, dass weder der Racz- Katheter oder noch vergleichbare Verfahren immer falsch sein müssen. „Aber sie gehören in spezialisierte Zentren, die interdisziplinäre Therapiemodelle, also medizinische, krankengymnastische und psychotherapeutische Ansätze gemeinsam realisieren“, unterstreicht Prof. Maier. Dies sei in Bochum und einigen anderen Zentren in Deutschland seit Jahren realisiert. „Auch hier wird invasive Schmerztherapie durchgeführt, aber nur bei einem Bruchteil der Patienten.“ Die Bochumer Ärzte äußern ihre Befürchtung, dass derartige Exzesse, wie auch im Spiegel beschrieben, dazu führen müssen, die Verdienste der Schmerztherapie in Misskredit zu bringen. Diese Erfahrung unterstreicht jedoch erneut die Forderung der DGSS, dass in die Interprofessionalität der Schmerztherapie mehr investiert werden muss. Eine Forderung die von der Politik leider behindert wird. „Auch die neue Gebührenordnung für Ärzte begünstigt Monotherapien mit Spritzen oder Kathetern und begünstigt daher „Exzesse“ wie jetzt beschrieben“, bedauern die Experten.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Christoph Maier, Zentrum für Schmerztherapie, Berufsgenossenschaftlichen Kliniken Bergmannsheil, Klinikum de Ruhr-Universität Bochum, Bürkle-de-la-Camp Platz 1, 44789 Bochum, Tel. 0234/302-6366, E-Mail: christoph.maier@rub.de

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Meike Drießen idw

Weitere Informationen:

http://www.dgss.org

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