Einfache Messmethode zur Bestimmung des Tremors, Hauptsymptom der Parkinson-Krankheit

Sprialzeichnung eines Tremorpatienten mit gering ausgeprägtem Zittern.

Wenn durch Parkinson die Hände zittern – Graphimetrie bestimmt das Ausmaß des Tremors – Mediziner der Ruhr-Universität entwickeln neue Messmethode

Eines der Hauptsymptome der Parkinson-Krankheit ist Zittern (Tremor): Patienten können die Hände nicht ruhig halten, sie zittern unwillkürlich. Das Ausmaß eines solchen Tremors sicher, schnell und einfach zu bestimmen und somit auch die Wirkung von Medikamenten exakt zu prüfen, hilft eine neue, standardisierte Messmethode, die Mediziner der RUB-Klinik für Neurologie im St. Josef Hospital mit Unterstützung der Firma Boehringer-Ingelheim entwickelt haben: Der Patient zeichnet eine Spirale, der Arzt schickt sie an den Bochumer Fax-Server, und binnen drei Minuten ist das objektive Ergebnis per Fax in der Praxis des Arztes.

Zurück zu den Wurzeln

Nachdem sich zahlreiche aufwändige und komplizierte Methoden zur Analyse von Bewegungsstörungen in den letzten Jahren als untauglich für die tägliche Routine erwiesen haben, gingen die Bochumer Mediziner zurück zu den Wurzeln: Sie entdeckten die Graphimetrie neu, bei der eine einfache Zeichnung auf Papier Aufschluss über den Zustand des Patienten gibt. In einfachster Form wurde diese Methode schon im letzten Jahrhundert angewandt, sie hatte aber einige Tücken. „Üblicherweise wurden diese Zeichnungen vom Untersucher nach bestimmten subjektiven Kriterien befundet“, erläutert Dr. Peter H. Kraus. „Bis vor einem Jahr verglich der Arzt das Ergebnis mit einem Satz aus mehreren Standardspiralzeichnungen mit unterschiedlicher Tremorausprägung und ordnete den Tremor seines Patienten dann in die Stufen 0 bis 10.“

Objektive automatische Bewertung

Neben der Subjektivität der Ergebnisse war ein weiterer Nachteil der Methode, dass dem bewertenden Arzt die Behandlung bekannt ist – wenn er z.B. durch ein verabreichtes Medikament eine Besserung des Tremors erwartet, könnte er zu Fehleinschätzungen neigen. Da es sich in einer großen Feldstudie zeigte, dass auch andere Skalen, die den klinischen Eindruck ähnlich wie in einem Schulnotensystem bewerteten, nicht ausreichten, um die therapeutische Wirkung eines Medikaments zu beurteilen, entstand die Idee, die Spiralzeichnungen dieser Studie genauer und standardisierter auszuwerten. Die Forscher entwickelten einen Algorithmus, mit dem sich aus eingescannten Zeichnungen die Tremoramplitude bestimmen ließ (Spiralometrie). Ein Vergleich der Methoden „Rating-Skalen“ und Spiralometrie zeigte eine deutliche Überlegenheit der objektiven automatischen Auswertung.

In drei Minuten zum Ergebnis

Nach der ersten Bewährungsprobe arbeiten die Spezialisten nun an der Alltagstauglichkeit des Verfahrens. In einer großen bundesweiten Feldstudie der Firma Boehringer Ingelheim mit ca. 1.000 Patienten und etwa 600 Ärzten zeichnen die Patienten alle drei Monate eine Spirale auf einem Formblatt. Das Blatt wird unmittelbar danach an den Fax-Server des St. Josef Hospitals geschickt, der dann automatisch die Tremoramplitude ermittelt und per Fax an den Arzt zurückschickt. „In der Regel dauert dieser Gesamtvorgang ca. drei Minuten“, so Dr. Kraus. „Damit ist es erstmals möglich, vor Ort eine unkomplizierte Erfassung mit einer komplexen Auswertung zu verbinden und das Ergebnis zu erhalten, wenn der Patient noch in der Praxis ist.“ So könne der Arzt das Ergebnis unmittelbar in therapeutische Entscheidungen einbeziehen.

Einfach, billig, schnell

Inzwischen wurde die Technik auf weitere Erkrankungen ausgedehnt. So gibt es z.B. ein Set von Untersuchungsbögen für Überbeweglichkeit (Hyperkinesien), das u. a.. die Kontrolle der Huntington’schen Erkrankung ermöglicht. Weiterhin ist ein standardisierter Schreibtest mit automatischer Auswertung kurz vor der Fertigstellung. Zusätzlich verbessern die Forscher die Analyse der Zeichnungen, um zukünftig nicht nur Werte für Amplituden, sondern auch Formparameter zu erhalten. Diese verbesserte diagnostische Bewertung kann in Zukunft dann auch der Frühdiagnose (z. B. als Screening-Test) dienen. „In einer Zeit, in der die Mittel für Neuerungen in der Medizin knapp sind und deshalb die rasante Entwicklung im Bereich der Technik und ihr Einsatz in der praktischen Medizin zunehmend weiter auseinander klaffen, ist eine so einfache Methode wie die Graphimetrie ein Weg, der fast allen Bedürfnissen entgegenkommt“, unterstreicht Dr. Kraus. „Die Methode kostet wenig, liefert viel Information, ist unkompliziert und schnell.“ Das inzwischen patentgeschützte Verfahren könne auch die Liegezeiten im Krankenhaus verkürzen, da die Patienten zu Hause standardisiert weiterkontrolliert werden können. Außerdem kann eine frühzeitige Erkennung von Erkrankungen kostenaufwendigere Spätfolgen verringere.

Weitere Informationen

Dr. Peter H. Kraus, Klinik für Neurologie der Ruhr-Universität Bochum im St. Josef Hospital, Stadionring 23b, 44791 Bochum, Tel. 0234/509-0, E-Mail: peter.h.kraus@rub.de

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Dr. Josef König idw

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http://www.rub.de

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