Behandlungsmöglichkeiten bei nächtlichem Einnässen

Jedes sechste Kind im Alter von fünf Jahren nässt nächtlich ein – bei den 15 jährigen noch rund 1,5 Prozent. „Das nächtliche Bettnässen ist meist sowohl für das Kind als auch für die Eltern eine große Belastung“, so Dr. Ingo Franke, Oberarzt am Zentrum für Kinderheilkunde des Universitätsklinikums Bonn. Angst und Scham beeinträchtigen häufig das Selbstbewusstsein der Kinder, die wegen des nächtlichen Bettnässens, genannt Enuresis nocturna, beispielsweise nicht bei Freunden übernachten möchten oder sich weigern an Klassenfahrten teilzunehmen.

Wenn ein Kind nachts nicht trocken wird, liegt dem nicht, wie des öfteren fälschlicherweise angenommen, eine psychische Ursache wie Stress zugrunde, sondern eine Reifungsverzögerung. Die Enuresis nocturna ist meist erfolgreich therapierbar. Zuerst wird das Kind umfassend medizinisch untersucht, um organische Ursachen wie beispielsweise Fehlbildungen der Harnwege auszuschließen. Mit einem Uroflowmetrie-Gerät kann der Arzt feststellen, ob bei der Blasenentleerung tatsächlich eine funktionelle Störung, wie beim nächtlichen Einnässen, oder eine organische Ursache, wie bei einer akuten Harnwegsinfektion oder einer neurogenen Blasenentleerungsstörung, vorhanden ist. Ein solches Gerät misst während der Blasenentleerung den Harnfluss und zeigt bei bestimmten Erkrankungen einen typischen Verlauf auf. Der Förderverein für nierenkranke Kinder und Jugendliche e.V. im Zentrum für Kinderheilkunde des Universitäts-Kinderklinikums Bonn spendete nun der nephrologischen Ambulanz ein Uroflowmetrie-Gerät im Wert von 4000 Euro. Jetzt bleibt den Kindern der Weg zur Urologischen Klinik auf dem Venusberg erspart.

Erfahrungsgemäß erzielt die Verhaltenstherapie sehr gute Heilungserfolge bei der Enuresis nocturna. Zunächst führen die Eltern ein Protokoll über das Trinkverhalten sowie über das Wasserlassen und Einnässen ihres Kindes über einen Zeitraum von vier bis sechs Wochen. „Bis zu einem Viertel aller Kinder werden trocken, nachdem ihr Trinkverhalten protokolliert und anschließend die Trinkgewohnheiten bewusst gemacht wurden“, sagt Oberarzt Franke. Der Einsatz von Klingelhosen, die ein lautes Klingelgeräusch ertönen lassen, sobald diese feucht werden, ist für Franke eher uneffektiv. Diese Methode hat mit 75 Prozent eine hohe Versagensrate, denn die Kinder ignorieren den Klingelton häufig und nässen weiterhin nächtlich ein. Sinnvoll sei diese Methode nur, wenn die Klingel die Eltern aufwecke, damit diese konsequent bei jedem Läuten mit dem Kind zur Toilette gehen. Nur so kann diese Konditionierung einen dauerhaften Erfolg bringen. „Dabei ist ganz entscheidend, wie hoch der Leidensdruck sowohl des betroffenen Kindes als auch der Eltern ist“, sagt Franke. Von einer medikamentösen Therapie rät er ab: „Ein Kind sollte nicht regelmäßig aufgrund einer Reifungsverzögerung Psychopharmaka einnehmen.“ Zudem sei die Gefahr einer Vergiftung bei falscher Einnahme recht groß. In besonderen Ausnahmefällen, wie beispielsweise bevorstehenden Klassenfahrten, sei jedoch die Zugabe von bestimmten Hormonpräparaten sinnvoll, da diese kurzfristig eine Wirkung erzielen.

In Sydney haben Wissenschaftler einen Zusammenhang zwischen Bettnässen und nächtlichen Atemstörungen festgestellt. Kinder mit zu großen Gaumen- oder Rachenmandeln konnten häufig durch die Beseitigung der Atemhindernisse vom Bettnässen befreit werden. Ebenso: Bettnässer, deren Atmung wegen eines zu engen Gaumen gestört ist, werden beim Tragen eines Expanders zur Dehnung des Rachens rasch trocken, wie erste Studienergebnisse belegen. In Deutschland gibt es bisher noch keine Forschungsansätze auf diesem Gebiet. Der Grund, warum Kinder mit nächtlichen Atembeschwerden einnässen, ist bisher noch unklar. „Möglicherweise sinkt durch die Atemprobleme der Unterdruck im Brustkorb so sehr, dass vermehrt bestimmte Hormone gebildet werden, die zusätzlich Flüssigkeiten aus dem Körper ausscheiden“, so Kindernephrologe Franke. „Insbesondere Kinder mit sehr hartnäckigem Verlauf sollten kontrolliert in einem kindgerechten Schlaflabor untersucht werden.“ Er hält eine Studie zum Zusammenhang zwischen Atemstörungen und Bettnässen für sehr sinnvoll, denn so könnte mit recht einfachen Methoden vielen Kindern geholfen werden.

Media Contact

Dr. Andreas Archut idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de/

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