Krebs- und Herzkreislaufforscher entdecken Gen für Herzrhythmusstörung

Ein Gen, das in veränderter (mutierter) Form Herzrhythmusstörungen auslösen kann, haben Krebs- und Herzkreislaufforscher des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch entdeckt.

Das Gen auf Chromosom 12 enthält die Bauanleitung für das Protein Plakophilin 2. Dieses Protein ist ein wichtiger Bestandteil von Proteinkomplexen (Desmosomen), die für die Entwicklung des Herzens notwendig sind, Herzzellen miteinander verbinden und ihre Funktion aufrecht erhalten. Dr. Brenda Gerull und Prof. Ludwig Thierfelder (beide MDC und Helios Klinikum Berlin/Charité – Universitätsmedizin Berlin) untersuchten Patienten mit einer bestimmten Herzmuskelerkrankung (Kardiomyopathie), der Arrhythmogenen Rechtsventrikulären Kardiomyopathie (ARVC). Sie stellten fest, dass bei etwa 25 – 30 Prozent von ihnen das Plakophilin 2 Gen verändert ist. Unklar ist allerdings, weshalb die Herzmuskelerkrankung von Genträger zu Genträger unterschiedlich schwer ausgeprägt ist. Es gibt Patienten, die lebensbedrohlich erkranken können, andere haben dagegen fast keine Beschwerden. Auch Kinder und Jugendliche können von den Herzrhythmusstörungen betroffen sein, wenn sie das mutierte Gen geerbt haben. Die MDC-Krebsforscher Katja Grossmann und Prof. Walter Birchmeier hatten die Herzforscher auf die Spur des Gens gebracht. Sie konnten zeigen, dass Mäusen buchstäblich das Herz bricht, wenn Plakophilin 2 fehlt. Die Arbeiten sind jetzt in Nature Genetics* online sowie im Journal of Cell Biology (Vol. 167, Issue 1, October 11, 2004, pp. 149-160)* veröffentlicht worden.

Plakophilin 2 gehört zu einer Gruppe von Zellwandproteinen, die wie ein anderes Protein, das Plakoglobin, für die Entwicklung und Aufrechterhaltung eines gesunden Herzens entscheidend ist. Den Nachweis für diese Funktion erbrachten Prof. Birchmeier und der Zellbiologe Prof. Werner Franke (Deutsches Krebsforschungszentrum Heidelberg, DKFZ). Sie erforschen Moleküle, die Zellen in ihrem Zellverband halten und in der Embryonalentwicklung sowie bei der Entstehung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) , aber eben auch bei Herzerkrankungen eine Rolle spielen. „Die Erforschung von Mutationen in Zellwandproteinen, die sowohl bei der Krebsentstehung als auch für eine regelrechte Herzfunktion relevant sind, machen das Konzept der molekularen Medizin deutlich, die versucht, Krankheiten in ihrem Ursprung, in den Genen und den Proteinen, zu verstehen. Sie orientiert sich nicht nur an einzelnen medizinischen Fachgebieten, sondern bildet eine umfassende Klammer“, bewerten Prof. Birchmeier und Prof. Thierfelder die Doppelrolle dieser Proteine.

Dass Zellwandproteine für eine normale Herzentwicklung wichtig sind, konnte die Forschungsgruppe von Prof. Birchmeier bereits 1996 für das Plakoglobin zeigen. Dr. Patrizia Ruiz fand heraus, dass es Mäusen, die kein Plakoglobin bilden können, das Herz bereits in einer sehr frühen Phase der Entwicklung zerreißt. Dass ein defektes Plakoglobin auch beim Menschen zu Herzerkrankungen führen kann, konnten Wissenschaftler mit dem Nachweis von Mutationen bei der seltenen so genannten „Naxos“ Erkrankung zeigen. Patienten, die überwiegend auf der Ägäisinsel Naxos leben, haben wolliges Haar und ihre Handflächen und Fußsohlen sind von einer dicken Hornschicht bedeckt. In der Pubertät oder als junge Erwachsene erkranken sie an einer ARVC und leiden unter Rhythmusstörungen, die lebensbedrohlich sein können.

Prof. Thierfelder, leitender Kardiologe der Franz-Volhard-Klinik für Herzkreislauferkrankungen des Helios Klinikums Berlin/Charité – Universitätsmedizin Berlin, und Forschungsgruppenleiter am MDC, untersucht die genetischen Ursachen von Herzmuskelerkrankungen. In diesem Rahmen entdeckten jetzt Dr. Brenda Gerull und Dr. Arnd Heuser (beide sind Mitarbeiter der Forschungsgruppe von Prof. Thierfelder), dass bei ca. 25 – 30 Prozent von ARVC-Patienten ein erblicher Defekt im Plakophilin 2 Gen vorliegt. Plakophilin 2 ist, wie Plakoglobin, ein wichtiger Bestandteil von Zellwänden des Herzens. Zellwandschäden führen zu Gewebeveränderungen und diese wiederum können gefährliche Herzrhythmusstörungen auslösen.

Eine andere Form der ARVC, die in Neufundland, einer Provinz im Nordosten Kanadas häufiger vorkommt, ist ebenfalls genetisch bedingt. Den ursächlichen Gendefekt konnte die Forschungsgruppe von Prof. Thierfelder zwar noch nicht finden. Aber die Berliner Forscher wissen, dass das erkrankte Gen auf dem kurzen Arm von Chromosom 3 liegt. Damit können sie auch bei Patienten mit dieser Kardiomyopathie das Risiko für einen plötzlichen Herztod durch genetische Untersuchungen besser bestimmen. Sie vermuten, dass ein Einwanderer aus Großbritannien diese Erkrankung vor mehreren hundert Jahren nach Neufundland eingeschleppt hat. „Gefährdet sind vor allem junge Männer, die – im Mittel – nicht älter als 39 Jahre werden“, erläutert Prof. Thierfelder.

Gentest hilft Hochrisikopatienten zu entdecken und sie vor plötzlichem Herztod zu schützen
Zwar können die genetischen Ursachen der genannten verschiedenen Herzrhythmusstörungen nicht behoben werden. Dennoch hat Prof. Thierfelder gezeigt, dass der Nachweis einer Genveränderung zu einer vorbeugenden Behandlung führen kann. Betroffene, die ein besonders hohes Risiko für einen plötzlichen Herztod haben, erhalten einen Defibrillator, wenn ihr Herz droht, aus dem Takt zu geraten. Das Gerät bringt im Notfall das Herz durch einen Stromstoß wieder in den normalen Rhythmus. In Kanada gibt es bereits einige junge Männer in den betroffenen Familien, denen der Defibrillator das Leben gerettet hat. „So kann ein Gentest in einigen Fällen bereits heute helfen, Hochrisikopatienten zu identifizieren und sie wirksam zu behandeln“, sagt Prof. Thierfelder.

Auch im Fall einer Plakophilin 2 Mutation konnten die Berliner Ärzte bereits einer jungen Frau mit einem Defibrillator helfen. Sie hatte nachts einen Herzanfall erlitten. Ihr Mann, der als Ersthelfer ausgebildet war, konnte sie wiederbeleben und sofort in die Klinik bringen. Verwandte der jungen Frau hatten an der genetischen Studie von Prof. Thierfelder zu Plakophin 2 teilgenommen. So eindeutig, wie in diesem Fall, können die Ärzte bei Patienten, die eine Mutation im Plakophilin 2 Gen haben, nicht immer sagen, wer einen Defibrillator benötigt und wer nicht. Größere Feldstudien sollen jetzt helfen, das Risiko für den plötzlichen Herztod bei diesen Genträgern genauer zu erkennen.

*Mutations in the desmosomal arm repeat protein plakophilin 2 are common in arrhythmogenic right ventricular cardiomyopathy

Brenda Gerull1, 2*, Arnd Heuser1,2*, Thomas Wichter3, Matthias Paul3, Craig T. Basson4, Deborah A McDermott4, Bruce B Lerman4, Steve M Markowitz4, Patrick T. Ellinor5, Calum A. MacRae5, Stefan Peters6, Katja S. Grossmann1, Beate Michely1,2, Sabine Sasse-Klaassen1, Walter Birchmeier1, Rainer Dietz2, Günter Breithardt3, Eric Schulze-Bahr3 & Ludwig Thierfelder1,2

1Max-Delbrueck Center for Molecular Medicine, D-13092 Berlin-Buch, Germany
2Department of Clinical and Molecular Cardiology, Franz-Volhard Clinic, HELIOS Clinics GmbH, Charité, Humboldt University Berlin, D-13125 Berlin, Germany
3Department of Cardiology and Angiology, University Hospital of Münster, and the Institute for Arteriosclerosis Research at the University of Münster, D-48149 Münster, Germany
4Greenberg Cardiology Division, Dept. of Medicine, Weill Medical College of Cornell University, New York, NY 10021, USA
5Cardiac Arrhythmia Service and Cardiovascular Research Center, Massachusetts General Hospital, Charlestown, MA 02129, USA
6Dept. of Cardiology, Klinikum Quedlinburg, D-06484 Quedlinburg, Germany *contributed equally to this work
Correspondence should be addressed to LT (email: lthier@mdc-berlin.de)

* Requirement of plakophilin 2 for heart morphogenesis and cardiac junction formation

Katja S. Grossmann,1 Christine Grund,2 Joerg Huelsken,1 Martin Behrend,1 Bettina Erdmann,1 Werner W. Franke,2 and Walter Birchmeier1

1Max Delbrueck Center for Molecular Medicine (MDC), Robert-Roessle-Strasse 10, D-13092 Berlin, Germany
2Division of Cell Biology, German Cancer Research Center (DKFZ), Im Neuenheimer Feld 280, D-69120 Heidelberg, Germany

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