"Grenzkontrolle" im Gehirn
Die so genannte Blut-Hirn-Schranke verhindert die Passage einiger Stoffe. Für die Behandlung von Hirn-Krankheiten müssen Mediziner diese Grenzkontrolle allerdings austricksen. Ein neuer Test ermöglicht es ihnen jetzt, ohne Tierversuche zu ermitteln, welche Stoffe wie passieren können.
Grenzkontrolle stoppt Medikamente
RUBIN 1/01: Tierversuche vermeiden
Forscher züchten künstliche Blut-Hirn-Schranke
An sich ist es sinnvoll, dass nicht alle Stoffe aus der Blutbahn ins Gehirn gelangen können. Schließlich könnten sie dort empfindliche Gleichgewichte stören und so großen Schaden anrichten. Die so genannte Blut-Hirn-Schranke verhindert die Passage einiger Stoffe. Für die Behandlung von Hirn-Krankheiten müssen Mediziner diese Grenzkontrolle allerdings austricksen. Ein neuer Test ermöglicht es ihnen jetzt, ohne Tierversuche zu ermitteln, welche Stoffe wie passieren können. Prof. Dr. Rolf Dermietzel, Dr. Dorothee Krause-Finkeldey und PD Dr. Pedro Faustmann (Institut für Anatomie, Medizinische Fakultät der RUB) gelang die Züchtung einer Blut-Hirn-Schranke in der Kulturschale.
Das Gehirn arbeitet im Schonraum
Damit das Gehirn reibungslos funktionieren kann, bedarf es neben einer gleichbleibenden Struktur auch eines konstanten inneren Milieus: Die Konzentration von Ionen, Aminosäuren, Eiweißen und Hormonen in den Zellzwischenräumen darf keine größeren Schwankungen aufweisen. Das Gehirn muss also von den Turbulenzen des restlichen Körpergeschehens ungestört arbeiten. Die notwendige Ruhe gewährleistet die Blut-Hirn-Schranke. Die feinen Haargefäße (Kapillaren) des Gehirns verfügen über besondere Eigenschaften. Wichtigste Beteiligte sind die Endothelzellen, die die Gefäßwände von innen auskleiden und weder Blutzellen noch lösliche Blutbestandteile durchlassen. Die Versorgung der Nervenzellen mit Nährstoffen und den Abtransport von Abfallstoffen übernehmen Vehikel-Moleküle. Neben diesem Transportsystem besitzen die Endothelzellen auch Enyzme, die unerwünschte Stoffwechselprodukte des Gehirns rasch abbauen.
„Schrankengängigkeit“ testen
Problematisch ist die Schranke nur dann, wenn Stoffe, die eigentlich helfen sollen, nicht passieren dürfen. So kommt z. B. Dopamin, ein Botenstoff, der Parkinson-Erkrankten fehlt, nur unzureichend am Bestimmungsort im Gehirn an. Erst die Vorstufe des Stoffs, L-DOPA, überwindet schließlich die Barriere. Auch Tumor- und Aidsmedikamente scheitern zum Teil an der Schranke. Ob ein Stoff passieren darf oder nicht, entscheidet sich oft anhand von kleinen Veränderungen an Molekülen. Der Test auf „Schrankengängigkeit“ ist also bedeutsam – und war bisher nur im Tierversuch möglich. Den Bochumer Medizinern gelang es nun, aus einem Gemisch von drei Zelltypen mit Differenzierungsfaktoren Gefäße in der Kulturschale wachsen zu lassen, die den natürlichen Kapillaren entsprechen. Auch das Anlegen von „Rasen“ aus Endothelzellen hat sich für Tests bewährt. In Zukunft wird man auf diesem Wege nicht nur herausfinden können, welche Stoffe die Schranke passieren können, sondern man wird auch nähere Erkenntnisse zu Störungen der Blut-Hirn-Schranke gewinnen, wie sie etwa bei Multipler Sklerose vorkommen.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in RUBIN 1/01. Dort finden Sie außerdem folgende Themen: Alarm in der U-Bahn: Mit „NADiS“ sicher aus dem Tunnel; Krebsgen gegen Nervenleiden; Chemische Tricks mit molekularen Klümpchen; Stoßfrei durch die Nanostruktur; Simulation Intelligenter Netze; Der Islam und die europäische Kultur; Münzen machen Geschichte. RUBIN ist in der Pressestelle der RUB für 5 DM erhältlich.
Weitere Informationen
Prof. Dr. Rolf Dermietzel, Institut für Anatomie, Medizinische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-25003, Fax: 0234/32-14655, E-Mail: rolf.dermietzel@ruhr-uni-bochum.de
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