Immunbremse gegen Abstoßung des fremden Herzens

Neuer Therapieansatz gegen chronische Abstoßung? / „International Society for Heart and Lung Transplantation“ fördert Forschungsarbeit in der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg

Jede Organtransplantation löst im Körper des Empfängers Abwehrreaktionen gegen das fremde Gewebe aus. Das fremde Organ kann direkt nach der Operation abgestoßen werden oder einer schleichenden Entzündung ausgesetzt sein, beim transplantierten Herzen der so genannten Transplantatvaskulopathie TAV. Wissenschaftler am Universitätsklinikum Heidelberg haben jetzt entdeckt, dass ein Botenstoff des Immunsystems, das Interleukin 10 (IL 10), die unerwünschten Abwehrreaktionen teilweise unterdrücken kann.

Für die erfolgreichen Arbeiten unter Federführung von Privatdozent Dr. Thomas Dengler, Oberarzt in der Abteilung Kardiologie, Medizinische Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Professor Dr. Hugo A. Katus), wurde Dr. Christian Gleißner mit dem „2004 Research Fellowship Award“ ausgezeichnet. Die „International Society for Heart and Lung Transplantation“ unterstützt durch den mit 40.000 Dollar dotierten Preis klinische Forschung und Grundlagenforschung auf dem Gebiet der Transplantation sowie der Herz- und Lungenkrankheiten.

Chronische Abstoßung ist Haupttodesursache nach Herztransplantation

Blutgruppe von Spender und Empfänger stimmen bei einer Herztransplantation überein, viele Gewebemerkmale nicht. Das Immunsystem des Empfängers erkennt das Spenderorgan als Fremdkörper und wehrt sich dagegen. Medikamente unterdrücken die Abstoßungsreaktion. „Trotz aller Fortschritte in der Transplantationsmedizin: Bei vielen Patienten entwickelt sich innerhalb weniger Jahre eine chronische TAV. Sie gilt als eine der Haupttodesursachen nach Herztransplantationen“, erklärt Dr. Christian Gleißner. Dabei spielen sich Entzündungsprozesse an der Innenhaut (Endothelschicht) der Herzkranzgefäße ab, die zu einer aggressiven Form von Arteriosklerose (Arterienverkalkung) führen. Innerhalb weniger Jahre sind diese Gefäße stark verengt, Durchblutung und Sauerstoffversorgung des Herzens sind stark vermindert.

An der Innenwand der Herzgefäße treffen Gefäßwandzellen des Spenders (Endothelzellen) und weiße Blutzellen des Empfängers (Lymphozyten) aufeinander. Die Endothelzellen präsentieren auf ihrer Oberfläche bestimmte Strukturen (Antigene), die von den Lymphozyten als fremd erkannt werden. Dadurch aktivieren die Gefäßwandzellen die Lymphozyten: Die weißen Blutzellen vermehren sich und produzieren Botenstoffe (Zytokine), die Abwehrreaktionen des Immunsystems gegen das transplantierte Organ unterstützen.

„Ein bestimmtes Zytokin, das so genannte Interleukin 10, bremst im gesunden Körper Abwehrreaktionen. Wir wollen herausfinden, ob diese „Immunsystem-Bremse“ auch beim Kontakt von Spenderherz und Empfängerblut funktioniert“, erklärt Dr. Gleißner. Deshalb behandeln die Heidelberger Wissenschaftler isolierte Endothelzellen mit Interleukin 10, bevor sie mit fremden Blutzellen in Kontakt kommen. Tatsächlich vermindert sich die Fähigkeit der behandelten Endothelzellen, die fremden Blutzellen zu aktivieren und dadurch Abwehrreaktionen zu verstärken.

Ziel seines von der „International Society for Heart and Lung Transplantation“ geförderten Projektes ist es nun, die molekularen Mechanismen zu untersuchen, mit denen Interleukin 10 die Lymphozytenaktivierung durch die Gefäßwandzellen hemmt. „Wir hoffen, einen neuen Ansatzpunkt zur Vorbeugung und Therapie von TAV gefunden zu haben. Ein wirksamer Schutz vor chronischer Abstoßung wäre für Herztransplantierte von entscheidender Bedeutung.“

Erste Herztransplantation in Deutschland 1969 / 60 Prozent der Patienten überleben fünf Jahre

Eine Herztransplantation ist oft die letzte Rettung für Patienten, die an fortschreitender Herzmuskelschwäche nach koronarer Herzkrankheit oder Herzmuskelentzündung leiden. 2003 wurden in Deutschland 393 Herzen transplantiert. Die Überlebensrate nach einem Jahr liegt bei ca. 70 Prozent, nach fünf Jahren bei etwa 60 Prozent. Die erste Herztransplantation in Deutschland führten 1969 die beiden Professoren Fritz Sebening und Werner Klinner an der Chirurgischen Universitätsklinik München durch. Ihr Patient überlebte nur einen Tag. In den achtziger Jahren kam es durch die Entwicklung von geeigneten immunsuppressiven Medikamenten zu einer starken Zunahme der Herztransplantationen.

Seit 1989 werden am Universitätsklinikum Heidelberg Herztransplantationen durchgeführt. Bisher haben mehr als 300 Patienten ein Spenderherz erhalten. Das Heidelberger
Herztransplantations-Programm erfolgt in enger Kooperation der Abteilungen für Herzchirurgie, für Allgemeine Klinische und Psychosomatische Medizin sowie für Kardiologie, Angiologie und Pneumologie. (jb)

Ansprechpartner: Dr. Christian Gleißner, E-Mail: Christian_Gleißner@med.uni-heidelberg.de

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Dr. Annette Tuffs idw

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