Transplantierte Stammzellen im Gehirn aktiv – neuer Weg zur Epilepsie-Therapie

Neuigkeiten vom 6th European Congress on Epileptology in Wien

Embryonale Stammzellen können zur Regeneration von Hirngewebe beitragen. Dieses Ergebnis einer deutschen Forschergruppe sorgte auf dem gestern zu Ende gegangenen 6th European Congress on Epileptology in Wien für großes Interesse. Berichtet wurde, dass Vorläufer von Nervenzellen, die aus embryonalen Stammzellen entwickelt wurden, nach einer Transplantation ins Hirngewebe sich dort funktionell mit dem Empfängergewebe verbinden. Die therapeutischen Möglichkeiten – nicht nur für Epilepsie-Patienten – wurden von den Kongress-Teilnehmern aus 80 Nationen heftig diskutiert.

Das intensive Erforschen der Epilepsie führt häufig zu spannenden Erkenntnissen über grundlegende Mechanismen des menschlichen Gehirns. Der European Congress on Epileptology (ECE) – eine der größten medizinischen Spezialveranstaltungen in Europa – bietet regelmäßig ein Forum, um diese Erkenntnisse zu diskutieren.

Dieses Jahr – beim 6th ECE in Wien – sorgten die Ergebnisse von Prof. Oliver Brüstle, Institut für Rekonstruktive Neurobiologie, Universität Bonn, für große Aufmerksamkeit. Dieser konnte in Zellkulturen und in Tiermodellen das Potenzial der aus embryonalen Stammzellen (ES) gezüchteten Nervenvorläuferzellen demonstrieren. Denn nach einer Transplantation in das Empfängergewebe integrieren sich diese morphologisch und funktionell. Damit deutet sich eine Möglichkeit an, die bedingte Regenerationsfähigkeit des Zentralnervensystems durch die Transplantation von neuronalen Vorläuferzellen zu unterstützen. Eine Möglichkeit, die auch in der Epilepsie-Chirurgie mit großem Interesse beobachtet wird. Hier ist die Entfernung jener Nervenzellen aus dem Gehirn, die durch unkontrollierte Erregung elektrische Entladungen verursachen und so zu epileptischen Anfällen führen, derzeit für 20 % der Epilepsie-Betroffenen die beste Heilungschance.

Prof. Brüstle erläutert die Arbeit, die in der aktuellen Ausgabe des „The Journal of Neuroscience“ (Referenz s. u.) publiziert ist: „Wir befinden uns derzeit in einem sehr frühen Stadium unserer Forschung. Damit wir den möglichen klinischen Einsatz embryonaler Stammzellen richtig einschätzen können, ist noch einiges an Grundlagenforschung notwendig. Tatsächlich konnten wir aber in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Heinz Beck an der Bonner Klinik für Epileptologie am Tiermodell bereits nachweisen, dass aus embryonalen Stammzellen gewonnene Nervenzellen sich im Anschluss an eine Transplantation mit den Nervenzellen des Empfängers vernetzen. Sie wandern dort in verschiedene Hirnregionen ein, wo sie dann nicht nur selbst elektrisch aktiv werden und Aktionspotenziale feuern, sondern auch Signale aus dem Empfängergehirn erhalten und verarbeiten.“

Ob die Regeneration von Nervengewebe im Gehirn durch diesen Ansatz verbessert werden kann, ist derzeit noch fraglich, und damit auch, ob Epilepsie-Patienten mit dieser Methode geholfen werden kann. Doch neben der Möglichkeit, chirurgisch entfernte oder anderweitig verloren gegangene Nervenzellen zu ersetzen, bietet die Transplantation von Stammzellen in das Gehirn auch die Möglichkeit, anfallshemmende Stoffe in das epileptische Gehirn einzuschleusen – ein innovativer Ansatz für die Epilepsie-Therapie.

Dass neue Therapieansätze für zahlreiche Epilepsie-Patienten notwendig sind, bestätigt auch Prof. Christoph Baumgartner, Chairman des Scientific Advisory Committee des 6th ECE und Leiter der Epilepsy Monitoring Unit an der Universitätsklinik für Neurologie, AKH Wien: „Derzeit können zwar bereits zwei Drittel der Betroffenen sehr gut mit modernen Medikamenten behandelt werden, aber noch immer müssen wir für tausende von Patienten andere Therapiewege finden. Einen Ansatz dazu bietet die Epilepsie-Chirurgie, bei der betroffene Hirnareale entfernt werden. Die Effektivität eines solchen Eingriffes könnte durch die anschließende Regeneration mit Hilfe hemmender Nervenzellen noch gesteigert werden.“

Der 6th ECE, der gestern am Donnerstag, dem 3. Juni, zu Ende ging, bot eine ideale Plattform, um diesen möglichen Ansatz für eine innovative Epilepsie-Therapie mit Fachleuten aus verschiedenen Disziplinen, wie Neurologie, Pädiatrie, Psychologie und Molekularbiologie, zu besprechen. Dazu Prof. Baumgartner: „Glücklicherweise ist die Therapie-Palette bei Epilepsie breit gefächert. Daher ist es wichtig, jeden innovativen Therapieansatz mit Kollegen der verschiedenen Fachrichtungen zu diskutieren. Nur so kann für die Patienten die jeweils optimale Behandlung gefunden werden. Auch dazu dient der ECE, der dieses Jahr erstmals in Wien stattfand und 3.394 Delegierte aus über 80 Nationen versammelte.“ Der ECE wird alle zwei Jahre in einer europäischen Hauptstadt von der International League Against Epilepsy (ILAE) mit Unterstützung der jeweiligen nationalen Sektion veranstaltet. Für das Jahr 2004 wurde Wien als Veranstaltungsort gewählt, und die Österreichische Sektion der ILAE stellte den Co-Vorsitz des International Organising Committee und den Vorsitz des Scientific Advisory Committee.

Referenz: Wernig et al.: Functional Integration of Embryonic Stem Cell-Derived Neurons In Vivo. Journal of Neuroscience 2004 Vol. 24 No. 22: pp 5258-5268. DOI:10.1523/JNEUROSCI.0428-04.2004

Kontakt: Prof. Christoph Baumgartner Universitätsklinik für Neurologie Währinger Gürtel 18-20, A-1090 Wien Tel. +43/1/40 400-3433 Email: christoph.baumgartner@univie.ac.at

Media Contact

Ulrike Unterberger PR&D

Weitere Informationen:

http://www.univie.ac.at

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Anlagenkonzepte für die Fertigung von Bipolarplatten, MEAs und Drucktanks

Grüner Wasserstoff zählt zu den Energieträgern der Zukunft. Um ihn in großen Mengen zu erzeugen, zu speichern und wieder in elektrische Energie zu wandeln, bedarf es effizienter und skalierbarer Fertigungsprozesse…

Ausfallsichere Dehnungssensoren ohne Stromverbrauch

Um die Sicherheit von Brücken, Kränen, Pipelines, Windrädern und vielem mehr zu überwachen, werden Dehnungssensoren benötigt. Eine grundlegend neue Technologie dafür haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Bochum und Paderborn entwickelt….

Dauerlastfähige Wechselrichter

… ermöglichen deutliche Leistungssteigerung elektrischer Antriebe. Überhitzende Komponenten limitieren die Leistungsfähigkeit von Antriebssträngen bei Elektrofahrzeugen erheblich. Wechselrichtern fällt dabei eine große thermische Last zu, weshalb sie unter hohem Energieaufwand aktiv…

Partner & Förderer