Vollautomatischer Herzschrittmacher überprüft Einstellung und passt Funktionen automatisch an

Am Universitätsklinikum Heidelberg ist erstmals ein vollautomatischer Schrittmacher zur Verhinderung eines zu langsamen Herzschlages eingesetzt worden. Das neue Gerät namens EnPulse der Firma Medtronic kontrolliert eigenständig einmal am Tag wichtige Funktionen des Schrittmachers und gilt deshalb als besonders sicher. Ein Teil der Kontrolltests, die der Arzt üblicherweise mittels eines Programmiergerätes durchführt, entfallen damit.

„Der erste Patient, den wir mit dem neuen Schrittmacher erfolgreich behandelt haben, litt an einem sogenannten AV-Block. Sein Herz schlug langsam und unregelmäßig, weil die elektrische Erregung im Herzen nicht weitergeleitet wurde“, erklärten Prof. Dr. Wolfgang Schöls, leitender Oberarzt der Abteilung Kardiologie, Pulmologie und Angiologie der Medizinischen Universitätsklinik Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Hugo Katus), der Bereichsleiter Schrittmacher/Defibrillatoren Dr. Alexander Bauer und Privatdozentin Dr. Brigitte Osswald Abteilung Herzchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Siegfried Hagl). Der 67-jährige Patient Slavko Durica litt unter Schwindel und Ohnmachtsanfällen; mit stabilisiertem Herzrhythmus kann er heute wieder problemlos im Garten arbeiten.

Schrittmacher kommen zum Einsatz, wenn das Herz zu langsam schlägt und der Körper deshalb ungenügend mit Blut und Sauerstoff versorgt wird. Oft ist das Herzmuskelgewebe geschädigt, so dass die elektrische Erregung, die automatisch im sogenannten Sinusknoten des Vorhofs, dem natürlichen Schrittmacher des Herzens, erzeugt wird, nicht mehr regulär in die Herzkammern weitergeleitet wird und dort deren Kontraktion auslöst.

Der künstliche Schrittmacher, ein Gerät etwa von der Größe einer flachen Streichholz-Schachtel, wird unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt. Seine Elektroden, dünne, elektrisch isolierte Drähte, werden durch die Venen in den rechten Herzvorhof und in die rechte Herzkammer vorgeschoben. Stockt der Herzschlag, wird dies per Elektrode vom Schrittmacher registriert: Er sendet dann elektrische Impulse an den Herzmuskel aus, so dass ein stabiler Rhythmus entsteht.

Mehr Sicherheit für den Patienten / Zeitersparnis für den Arzt

Welche Vorteile bietet nun der neue Schrittmacher? „EnPulse ist das einzige Schrittmachersystem, das in beiden Herzkammern über ein sogenanntes automatisches Reizschwellen-Management verfügt,“ erklärt Dr. Bauer. Das bedeutet: Der Arzt muss nicht mehr selbst einstellen, wie stark der elektrische Impuls sein muss, um das Herz zum Schlagen zu bringen. Während des automatischen Reizschwellentests bestimmt der Schrittmacher wie viel Energie erforderlich ist, um den elektrischen Impuls auf den Herzmuskel zu übertragen. Durch die tägliche Selbsttestung wählt der Schrittmacher selbständig die energiefreundlichste und sicherste Einstellung. Sollte zwischen den halbjährlichen Kontrollterminen beim Arzt unerwartet ein stärkerer Impuls erforderlich sein, kann das Gerät rasch darauf reagieren. Für den Patienten bedeutet die automatische Kontrolle vor allem höhere Sicherheit.

Zusätzlich verfügt der neue Schrittmacher über eine automatische Suchmethode mit der er sämtliche natürlichen Erregungsvorgänge im Herzmuskel auswertet, damit nur Impulse ausgesendet werden, wenn tatsächlich Bedarf besteht. Der Schrittmacher ist dadurch weniger häufig in Aktion, seine Lebensdauer, die im Durchschnitt bei sieben Jahren liegt, wird verlängert. Aktuelle klinische Studien weisen zudem darauf hin, dass eine verringerte Schrittmacherstimulation das Risiko für die Entwicklung einer Herzschwäche senken kann.

Außerdem erkennt der Schrittmacher selbst, ob seine Elektroden schadhaft sind oder falsch liegen, da er den elektrischen Widerstand und die Wahrnehmung der Sonde ebenfalls täglich testet. Sollten Störungen vorliegen kann der Schrittmacher die Wahrnehmung verändern; ein Bericht setzt den Arzt bei der nächsten Kontrolle darüber in Kenntnis.

Heidelberger Klinik nimmt an Studien zur Testung von Effektivität und Zeitersparnis teil

„Die automatische Einstellung spart dem Arzt bis zu 50 Prozent der Zeit ein, die er normalerweise für die Schrittmachereinstellung benötigt“, sagt Dr. Bauer. Auch die regelmäßigen Kontrollen, die alle sechs Monate mit Hilfe eines computergestützten Programmiergerätes, vorgenommen werden, sind einfacher geworden. Alle Testungen mussten bisher vom Arzt manuell durchgeführt werden. Nun ist die Kontrolluntersuchung nach Aufrufen des Ereignisberichts im PC abgeschlossen und der Patient kann die Ambulanz wieder verlassen.

Die Heidelberger kardiologische Abteilung nimmt derzeit an zwei Studien teil, die die Effektivität des neuen Schrittmachers und Zeitersparnis durch seinen Einsatz überprüfen. Das neue Gerät ist prinzipiell für jeden Patienten geeignet, der wegen zu langsamen Herzschlags einen Schrittmacher benötigt. In den nächsten Monaten sollen, so Dr. Bauer, weitere Patienten in den Genuss der Innovation kommen.

Kontakt: Dr. Alexander Bauer, E-Mail Alexander_Bauer@med.uni-heidelberg.de

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Dr. Annette Tuffs idw

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