Gene und Krankheit – Chancen und Grenzen der prädiktiven genetischen Diagnostik

Die schnellen Fortschritte der Genomforschung in den letzten Jahren, darunter vor allem die Entschlüsselung des menschlichen Genoms, versprechen erhebliche Fortschritte in der medizinischen Anwendung. Dazu gehört auch der Bereich der prädiktiven genetischen Diagnostik, das heißt der Möglichkeit, eine Krankheitsdisposition noch vor Ausbruch klinischer Symptome zu erkennen oder Aussagen zur Wahrscheinlichkeit des Auftretens der Krankheit zu machen.

Das bessere Verständnis für den Zusammenhang zwischen genetischen Dispositionen und Krankheiten hat zu einem sprunghaften Anstieg genetischer Testverfahren geführt. Das geplante Gentestgesetz soll dem erheblichen Regelungsbedarf auf diesem Gebiet Rechnung tragen.

Vor diesem Hintergrund hat die Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) eine neue Stellungnahme zur prädiktiven genetischen Diagnostik erarbeitet. Sie löst die Stellungnahme „Humangenomforschung und prädiktive genetische Diagnostik: Möglichkeiten – Grenzen – Konsequenzen“ aus dem Jahr 1999 ab und führt über diese hinaus.

Die wesentlichen Empfehlungen der neuen Stellungnahme sind in sechs Punkten zusammengefasst, die dem Text vorangestellt sind. Neben der Forderung, die Forschung in diesem Bereich nachhaltig zu fördern, beziehen sich die Empfehlungen auf den Arztvorbehalt und die Qualitätssicherung, die genetischen Proben und Datenbanken sowie das Arbeits- und Versicherungsrecht.

Die DFG schlägt vor, die Durchführung prädiktiver genetischer Tests von Gesetzes wegen Ärzten vorzubehalten. Prädiktive genetische Diagnostik müsse stets mit qualifizierter genetischer Beratung sowohl vor dem Test als auch nach dem Vorliegen des Testergebnisses verbunden sein. Durch die Überantwortung an den ärztlichen Berufsstand werde die Autonomie der Betroffenen geschützt und zugleich sichergestellt, dass eine adäquate Indikationsstellung erfolgt, angemessene Qualitätsstandards eingehalten werden und die Gebote der Schweigepflicht und des Datenschutzes gewahrt bleiben. Eine genetische Diagnostik nach primär kommerziellen Gesichtspunkten muss nach Auffassung der DFG verboten werden.

Bei genetischen Proben- und Datenbanken muss nach Ansicht der DFG die Gewinnung, Speicherung und Bearbeitung von Proben und Daten mit einem zuverlässigen Schutz der jeweiligen Spender vor missbräuchlicher Verwendung einhergehen. Außerdem muss der Spender selbstbestimmt in die Verwendung seiner Proben und Daten einwilligen. Unter diesen Voraussetzungen ist nach Auffassung der DFG auch eine Proben- oder Datenspende mit weitgefasster Nutzungserlaubnis, ohne Bindung an bereits konkretisierte Forschungsvorhaben, ethisch und rechtlich vertretbar. Es gelte, den Persönlichkeitsschutz der Spender und den Vertrauensschutz für Forscher angemessen auszubalancieren.

Im Bereich des Arbeits- und Versicherungsrechtes plädiert die DFG dafür, prädiktive genetische Tests im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis nur dann durchzuführen, wenn der Test dem Schutz des Arbeitnehmers dient und es um den voraussehbaren Ausbruch einer genetischen Krankheit geht, die mit dem Arbeitsverhältnis in unmittelbarem Zusammenhang steht. Des Weiteren sollten sie dann durchgeführt werden können, wenn die Folgen einer derartigen wahrscheinlich auftretenden genetisch bedingten Erkrankung andere Personen erheblich gefährden würden.

Nach Auffassung der DFG sollten prädiktive genetische Tests nicht zur allgemeinen Voraussetzung für den Abschluss eines Versicherungsvertrages gemacht werden.

Die prädiktive genetische Diagnostik berührt zentrale Prinzipien unserer rechtlichen Grundordnung und unseres Selbstverständnisses. Der Umgang mit Ergebnissen aus genetischen Tests muss gewährleisten, dass das Recht auf individuelle Selbstbestimmung gewahrt bleibt, sofern es nicht die Rechte und Interessen anderer Personen verletzt. Das Recht auf Wissen sowie das auf Nichtwissen sind dabei von zentraler Bedeutung. Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, durch entsprechende Regelungen dafür zur sorgen, dass die Entscheidungen informiert getroffen werden.

Genetische Tests dürfen unter keinen Umständen dazu beitragen, bestimmte Personengruppen aufgrund ihrer Dispositionen auszusondern oder zu diskriminieren.

Prädiktive genetische Diagnostik:
Wissenschaftliche Grundlagen, praktische Umsetzung und soziale Implementierung
Stellungnahme der Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung der Deutschen Forschungsgemeinschaft
März 2003, 63 Seiten.
Der Text kann im Internet abgerufen werden unter: www.dfg.de

Nähere Informationen
Professor Dr. Bärbel Friedrich, Vorsitzende der Senatskommission für Grundsatzfragen der Genforschung, Humboldt-Universität zu Berlin, Tel.: 030/2093-8100,
E-Mail: baerbel.friedrich@rz.hu-berlin.de;
Dr. Annette Schmidtmann, Programmdirektorin der DFG, Tel.: 0228/885-2243,
E-Mail: annette.schmidtmann@dfg.de

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