Weniger Nebenwirkungen bei Parkinson-Behandlung

Jülicher Forscher entwickeln neues Verfahren in der Tiefenhirn-Stimulation

Die Nervenzellen von Parkinson-Patienten feuern ungebremst gleichzeitig, statt gezielt nacheinander. Bisherige Therapien helfen nur zeitweise oder verursachen ernste Nebenwirkungen. Neurowissenschaftler des Forschungszentrums Jülich und Neurochirurgen der Universität zu Köln haben ein Verfahren für die Tiefenhirn-Stimulation weiterentwickelt, um Parkinson-Patienten individueller und mit geringeren Nebenwirkungen behandeln zu können.

Bei der Tiefenhirn-Stimulation wird über ein kleines Bohrloch im Schädel eine Elektrode genau in die erkrankte Hirnregion platziert. Damit die Elektrode arbeiten kann, wird dem Patienten im Bereich des Schlüsselbeins ein Impulsgeber implantiert. Dieser versorgt die Elektrode über ein Kabel, das unter der Haut verläuft, mit Strompulsen mit einer Frequenz von 120 Hertz. Durch diese bislang angewendete Hochfrequenz-Stimulation werden krankhaft überaktive Hirngebiete ausgeschaltet. Bei dem neuen Verfahren der Hirnforscher werden die elektrischen Pulse nun nicht mehr als Dauerstimulation, sondern einzeln und bedarfsgesteuert gesendet.

„Die Methode der Dauerstimulation hat Nachteile“, erklärt Prof. Peter Tass, Leiter der Arbeitsgruppe Magnetenzephalographie und Hirnschrittmacher am Forschungszentrum Jülich. „Die Dauerreizung ist eine unnatürliche Stimulationsform. Dementsprechend können sich im Laufe der Zeit die Nervennetze an die Dauerstimulation gewöhnen.“ Folge ist, dass die Stärke der Dauerreizung erhöht werden muss. Hierdurch können wiederum benachbarte Areale mitgereizt werden, und es kommt zu Sprachstörungen, Gleichgewichtsproblemen und schmerzhaften Empfindungsstörungen auf der Haut.

Diese Nebenwirkungen reduzieren sich bei dem neuen Verfahren. Ziel der bedarfsgesteuerten Impulsgebung ist es, die Nervenzelltätigkeit in den überaktiven Gehirnbereichen nicht – wie bei der Dauerstimulation – zu unterdrücken, sondern zu desynchronisieren: Immer dann, wenn die Nervenzellen übermäßig synchron feuern wollen, werden sie durch einen gezielten Reiz aus dem Takt gebracht. Hierdurch wird die Nervenzelltätigkeit so verändert, dass sie dem Aktivitätsmuster von Gesunden ähneln. Da bei dieser neuen Methode nur im Abstand von wenigen Sekunden einzelne elektrische Reize erfolgen und nicht – wie beim herkömmlichen Verfahren – ein Dauerreiz mit 120 Pulsen pro Sekunde, können dem Patienten langfristig Nebenwirkungen erspart bleiben. Das neue Verfahren wurde im Jülicher Institut für Medizin und der Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie der Universität zu Köln entwickelt im Jülicher Zentrallabor für Elektronik umgesetzt.

Die Parkinson-Erkrankung entsteht durch einen langsamen Untergang von Dopamin-produzierenden Zellen in den Basalganglien, einer speziellen Gehirnregion. Die Basalganglien spielen bei der Feinabstimmung und Koordination der Bewegungsabläufe eine wichtige Rolle. Gesunde Neuronenverbände geben die Signale zur Bewegungssteuerung gezielt und aufeinander folgend von einer Nervenzelle zur nächsten weiter. Dopamin spielt hier als hemmender Botenstoff eine wichtige Rolle, da es verhindert, dass alle beteiligten Nervenzellen gleichzeitig feuern, d.h. Signale weiterleiten. Fehlt das Dopamin, kommt es durch die nun synchron feuernden Nervenzellen zu einer Überaktivität der Muskeln, welche das Zittern beispielsweise der Hände auslöst, aber auch zu einer erhöhten Muskelspannung: Dies führt zur Starre und dem typisch maskenhaften Gesicht der Parkinson-Patienten.

Das bedarfsgesteuerte Verfahren für die Tiefenstimulation ermöglicht dem Patienten zukünftig eine schonendere Behandlung und beugt dem Wirkungsverlust und den Nebenwirkungen der herkömmlichen Behandlungsverfahren vor. Das Verfahren ist noch nicht in der klinischen Anwendung, aber erste Tests waren bereits Erfolg versprechend.

Kontakt:

Annette Stettien, Wissenschaftsjournalistin,
Forschungszentrum Jülich, 52425 Jülich
Tel. 02461 – 612388
Fax 02461 – 614666
E-Mail: a.stettien@fz-juelich.de

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