RUB-Medizin: Ergebnisse der größten Studie zur arteriellen Verschlusskrankheit

Vorboten von Herzinfarkt und Schlaganfall

„getABI“: Größte Studie zur arteriellen Verschlusskrankheit
Nur die Hälfte der Erkrankungen wird diagnostiziert

Etwa ein Drittel (30,2 Prozent) der 6.880 über 65-jährigen Teilnehmer der Studie „getABI“ leiden an der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (AVK), der koronaren Herzkrankheit oder cerebrovaskulären Erkrankungen (Hirndurchblutungsstörungen). Als Manifestationen ein und desselben Grundleidens treten diese Erkrankungen oft gemeinsam auf – die AVK ist dabei eine Markererkrankung: Sie weist häufig auf einen drohenden Herzinfarkt oder Schlaganfall hin. Mit herkömmlichen Untersuchungsmethoden werden jedoch nur die Hälfte der AVK-Fälle richtig diagnostiziert. Dies sind die ersten Ergebnisse der bundesweiten Studie „getABI“ (German Trial on Ankle Brachial Index, Sponsor: Sanofi-Synthelabo). Die Studie wird in 344 Praxen durchgeführt, die Auswertung erfolgt in der Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Ruhr-Universität unter Leitung von Prof. Dr. Hans-Joachim Trampisch.

Die Prognose ist schlechter als bei Brustkrebs

Die Prognose bei AVK ist erschreckend schlecht: „Jeder fünfte AVK-Patient stirbt innerhalb der ersten fünf Jahre nach der Diagnose, 70 Prozent davon am Herzinfarkt. Die allgemeine Lebenserwartung bei AVK ist gegenüber nicht betroffenen Patienten um zehn Jahre verringert,“ erläutert Prof. Dr. Curt Diehm (Universität Heidelberg). Da die AVK jedoch schleichend verläuft – kaum ein Drittel der Erkrankten bemerkt Symptome – wird sie viel zu selten entdeckt: Mit herkömmlichen Methoden wie z. B. Standardfragen zur Gehfähigkeit diagnostizieren Hausärzte nur etwa die Hälfte der Fälle.

Quer- und Längsschnittstudie: Jeder Fünfte ist gefährdet

Verlässliche Daten zur Häufigkeit der AVK in der deutschen Bevölkerung fehlten deshalb bisher. Die Studie „getABI“ ermittelt zum einen die tatsächliche Häufigkeit der AVK bei Patienten über 65 Jahren anhand des Knöchel-Arm-Index (Ankle Brachial Index, ABI). Dazu messen sie den Blutdruck an der Pulsader und in der unteren Wadenregion und vergleichen diese Werte. Erstes Ergebnis: Ca. jeder fünfte untersuchte Patient hat mit hoher Wahrscheinlichkeit eine AVK. Zusätzlich zu dieser Querschnittuntersuchung gehört zu „getABI“ eine Längsschnittstudie: Über drei Jahre hinweg werden die Teilnehmer immer wieder untersucht und ihr Gesundheitszustand wird verfolgt. Dabei geht es vor allem darum, ein Risikoprofil für AVK-Patienten zu bestimmen. Dazu gehören die Wahrscheinlichkeit von Herzinfarkt und Schlaganfall sowie ihre Sterblichkeit im Vergleich zu Patienten ohne AVK. Wichtiges Anliegen von „getABI“ ist es außerdem, das Problembewusstsein der Ärzte zu ermitteln. Sie füllen dazu einen sog. Awareness-Fragebogen aus. Basierend auf diesen Daten hoffen die Forscher, rationale Maßnahmen zur Vorsorge und Therapie der AVK ableiten zu können. Dafür kommen z. B. gerinnungshemmende Medikamente oder Lipidsenker in Frage, die auch bei der koronaren Herzkrankheit eingesetzt werden.

Beobachten und Schlüsse ziehen

„getABI“ ist eine reine Beobachtungsstudie: Es werden nur die Ergebnisse der Untersuchung der Patienten ausgewertet, eine bestimmte Behandlung (Intervention) ist nicht durch die Studie vorgegeben. „Die so gewonnenen Daten zur Ist-Situation erlauben dann Abschätzungen der – auch ökonomischen – Effekte von Interventionen“, so Prof. Dr. Hans-Joachim Trampisch. Um qualitativ hochwertige und repräsentative Daten zu erhalten, wurden für „getABI“ die 344 beteiligten Praxen besonders sorgfältig ausgewählt: Ihre geografische Verteilung und das Verhältnis von Allgemeinärzten zu Internisten entspricht den Verhältnissen in ganz Deutschland. Die teilnehmenden Ärzte konnten nach nur eintägiger Schulung die dopplersonografische Untersuchung an Pulsadern und Waden durchführen und zuverlässige Diagnosen stellen. Die Geräte waren in den meisten Praxen von vornherein vorhanden – die Diagnose und Behandlung der AVK ist also problemlos in Hausarztpraxen machbar.

Daten veröffentlichen

Um die Versorgung von AVK-Patienten in Deutschland zu verbessern und so auch Kosten einzusparen, werden die Ergebnisse von „getABI“ auf wissenschaftlichen Kongressen, in Fachzeitschriften und Pressekonferenzen breit veröffentlicht. Sie stehen auch für weitere Forschungstätigkeiten zur Verfügung.

Weitere Informationen

Prof. Dr. Hans-Joachim Trampisch, Abteilung für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie der Ruhr-Universität Bochum, Overbergstraße 17, 44801 Bochum, Tel. 0234/32-27790, Fax: 0234/32-07790, E-Mail: hans.trampisch@rub.de

Media Contact

Dr. Josef König idw

Weitere Informationen:

http://www.getabi.de

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