Wenn die Seele leidet: Was sind "bipolare Erkankungen"?


Internationaler Kongress beschäftigt sich mit neuen Entwicklungen zur Erforschung von manisch-depressiven Erkrankungen

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: für Menschen mit manisch-depressiver Erkrankung mehr als nur eine Redewendung. Die Erkrankung ist gekennzeichnet durch wiederkehrende Depressionen, jedoch auch durch Manien mit vermindertem Schlaf, Selbstüberschätzung, gesteigertem Antrieb, enthemmtem Verhalten. Ein bis zwei Prozent der Bevölkerung leiden an dieser Krankheit. In den letzten Jahren rückt die „bipolare Erkrankung “ zunehmend ins Interesse der psychiatrischen Forschung. Im Mittelpunkt eines internationalen Kongresses, der von Donnerstag, den 12. September, bis Samstag, den 14. September 2002, in Freiburg stattfindet und zu dem mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erwartet werden, stehen neue Entwicklungen zu Ursachenforschung, Behandlung und Epidemiologie dieser Erkrankung.

Veranstaltet wird dieser Kongress von der amerikanischen Stanley Foundation, die industrie-unabhängige Forschungsanstrengungen in den Bereichen bipolare Störung und Schizophrenie unterstützt. Die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie am Universitätsklinikum Freiburg ist ein Schwerpunktzentrum der Stanley Fundation und nimmt an einer Reihe von klinischen Studien teil, die den Langzeitverlauf der Erkrankung und neue Therapieansätze untersuchen. An diesem Kongress werden die wichtigsten Forscher auf dem Gebiet der manisch-depressiven Erkrankung und Kliniker aus Deutschland, Europa und den USA teilnehmen. Zeitgleich findet am Donnerstag, den 12. September, zwischen 17 und 19 Uhr in der Aula der Albert-Ludwigs-Unibversität, KGI, Werthmannplatz unter dem Titel „Himmelhoch jauchzend – zu Tode betrübt. Die manisch-depressive Erkrankung hat viele Gesichter“ ein Patientenforum statt, bei dem Experten die Fragen von Patienten, Angehörigen und Interessierten beantworten.

Manisch-depressive Erkrankungen oder „bipolare affektive Störungen“, wie sie die Ärzte benennen, sind von unipolaren Depressionen abzugrenzen. Manische oder hypomane Episoden charakterisieren die bipolaren Erkrankungen. Dabei handelt es sich um Phasen, in denen die Stimmung gehoben ist, ein vermehrter Rededrang herrscht, Größenideen vorkommen und die Patienten wenig schlafen. Tritt zunächst eine Depression auf, so kann nicht entschieden werden, ob es sich um eine unipolare Depression oder um eine bipolare Depression, also eine Depression im Rahmen einer bipolaren Erkrankung, handelt. 25 Prozent der Patienten mit der ursprünglichen Diagnose einer unipolaren Depression (so genannte falsche unipolare Depressionen) erleben innerhalb von neun Jahren doch eine Manie, so dass die Diagnose dann bipolare affektive Störung lautet.

Bipolare affektive Störungen sind häufige Erkrankungen. Die Lebenszeit-Prävalenz liegt zwischen 0,3 bis 1,5 Prozent. Werden Randformen des so genannten Bipolaren Spektrums hinzu gezählt, so gehen einige Schätzungen von insgesamt sogar 5 Prozent aus. Die sozioökonomischen Auswirkungen der manisch-depressiven Erkrankungen sind gravierend. Eine Frau, die mit 25 Jahren an einer bipolaren Störung erkrankt, hat eine um neun Jahre verkürzte Lebenserwartung, verliert zwölf Jahre normalen gesundes Lebens und vierzehn Jahre normalen beruflichen Lebens.

Für die Behandlung von Bedeutung ist die Abgrenzung einer so genannten gemischten Episode (Mischzustand) und eines schnellen Phasenverlaufs (Rapid Cycling). Beim Mischzustand, der in bis zu 50 Prozent der Fälle vorkommen kann, treten Symptome sowohl einer Manie als auch einer Depression täglich über einen mindestens einwöchigen Zeitraum auf. Beim Rapid Cycling handelt es sich um einen schnellen Phasenwechsel, bei dem mindestens vier Phasen einer Depression, Manie, eines Mischzustandes oder einer Hypomanie innerhalb von einem Jahr vorkommen. Früher wurde synonym für den Begriff der manisch-depressiven Erkrankung der Begriff Zyklothymie verwendet. Nach der neueren Klassifikation meint Zyklothymia oder zyklothyme Störung jedoch, dass Phasen von leichten Depressionen und Hypomanien sich chronisch fluktuierend über mindestens zwei Jahre vorhanden sind.

Medikamente zur Behandlung bipolarer Erkrankungen werden manchmal noch fälschlicherweise als „Phasenprophylaktika“ bezeichnet. Da Substanzen zur Behandlung bipolarer Erkrankungen aber auf unterschiedliche Krankheitsphasen wie Manie, bipolare Depression und Prophylaxe wirken, sollte man diese Medikamente eher Stimmungsstabilisierer (engl. mood stabilizer) nennen.

Kontakt:

Prof. Dr. med. rer. nat. Jörg Walden
Leitung Bereich Bipolare Störungen/
Europäisches Stanley Zentrum
Abt. Psychiatrie und Psychotherapie
Universitätsklinikum Freiburg
Hauptstrasse 5
D-79104 Freiburg
Tel.: 0761/270-6931
Fax : 0761/270-6619
Mail: joerg_walden@psyallg.ukl.uni-freiburg.de

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Rudolf-Werner Dreier idw

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