Getreideunverträglichkeit gefährdet kindliche Entwicklung

Gluten, ein Eiweiß in den Getreidesorten Weizen, Roggen, Gerste und Hafer, löst eine Entzündung des Dünndarms aus. Die Nahrungsaufnahme ist gestört.

Anlässlich des 1. Deutschen Lebensmittel-Allergietages am 21. Juni – ausgerufen vom Deutschen Allergie- und Asthmabund – will das Universitätsklinikum Bonn auf diese häufige, aber oft auch nicht erkannte Getreideunverträglichkeit aufmerksam machen. Jeder 200ste Mensch in Deutschland ist davon lebenslang betroffen.

Ihre Eltern waren so glücklich nach ihrer Geburt und Lea entwickelte sich prachtvoll. Nach sechs Monaten bekam sie ihre erste Zusatznahrung. „Am liebsten aß sie Grießbrei mit Milch“, sagt die Mutter. Doch dann kam die lange Zeit des Bangens: Lea verlor die Lust am Essen und nahm nicht mehr zu. Ihre Mutter verzweifelte, denn das Mädchen litt ständig unter Durchfall.

Doch der Kinderarzt sah zunächst keinen Grund zur Besorgnis. Inzwischen war Lea fast ein Jahr alt. Sitzen konnte sie zwar ganz gut, aber mit dem Laufen wollte es nicht so gut klappen. Nur mit Mühe konnte sie sich hinstellen. Auch Krankengymnastik verbesserte die Situation nicht. Trotz mehrfacher Umstellung der Ernährung hatte Lea seit drei Monaten nicht mehr zugenommen. Eine Blutarmut aufgrund zu wenig Eisen wurde festgestellt. Der Kinderarzt entschied: Lea muss in die Bonner Universitätskinderklinik. Dort wurde sie gründlich untersucht. Das Mädchen war etwas blass und mager.

Sie hatte einen kugelrunden vorgewölbten Bauch und dünne Beinchen. Trotz täglicher Gabe von Vitamin D zeigte sie Zeichen einer Rachitis wie aufgetriebene Gelenke an Armen und Beinen, knopfartige Schwellungen auf der Brust an den Enden der Rippen und leichte O-Beine. „Wir hatten einen starken Verdacht auf Coeliakie“, sagt Professor Dr. Michael Lentze, Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikums Bonn. Daher testeten die Ärzte ihr Blut auf Transglutaminase-Antikörper, die mit einer Wahrscheinlichkeit von über 96 Prozent zeigen, ob eine Glutenunverträglichkeit vorliegt oder nicht.

Coeliakie ist keine Kinderkrankheit

Coeliakie ist eine angeborene Veranlagung, bei der der Darm auf Gluten reagiert. Gluten gehört zu den Klebereiweißen der Getreide Weizen, Roggen, Gerste und Hafer und ist für das Zusammenkleben des Brotteiges verantwortlich. Kleine Bruchstücke dieses Eiweißes zerstören die Dünndarmschleimhaut. Die Darmschleimhaut wird dadurch flach und kann die Nahrung nicht mehr aufnehmen. Folgen sind Durchfälle und eine Gedeihstörung. Da auch Mineralien und Vitamine nicht mehr aufgenommen werden, kann es zu Eisenmangelanämie und Rachitis kommen.

Nicht nur Kinder erkranken an Coeliakie. Bei Erwachsenen heißt sie Sprue. „Je älter man ist, desto schwerwiegender können die Symptome sein. Kleinwuchs ist eines davon, aber auch verspätete Pubertät sowie Eisenmangel auch ohne Durchfall“, sagt Professor Lentze. Und sie kommt häufiger mit anderen Krankheiten wie Zuckerkrankheit und anderen Autoimmunkrankheiten kombiniert vor. Erwachsene haben, wenn sie keine Diät halten, ein erhöhtes Risiko für Lymphknotenkrebs. Die Wahrscheinlichkeit, dass auch Familienangehörige betroffen sind, beträgt zehn Prozent.

Ein Leben lang Diät halten

Der Antikörpertest bestätigte den Verdacht auf Coeliakie. Leas Mama hatte von dieser Lebensmittelallergie noch nie etwas gehört. Das Mädchen muss nun glutenfrei ernährt werden. Alle glutenhaltigen Produkte wie herkömmliches Brot und Backwaren sind für sie tabu. „Diese glutenfreie Diät muss Lea für den Rest ihres Lebens einhalten“, sagt Professor Lentze. Doch Ersatzprodukte für Brot, Brötchen, Kekse, Kuchen und Pizza sowie Nudeln werden bereits von der Industrie angeboten.

Eine Diätassistentin beriet Leas Mutter und gab ihr einen Ernährungsplan für die nächste Zeit. Nach zwei Monaten hatte Lea schon drei Kilogramm zugenommen. „Und stellen Sie sich vor, sie hat ganz schnell laufen gelernt“, freut sich die Mutter. Ein anderes Kind sei sie geworden, fröhlich, witzig und guter Dinge. Zwei Jahre später ist Lea ein gesundes Kind. Sie geht in den Kindergarten und unterscheidet sich nicht von den anderen Kindern – außer, dass sie jeden Tag ein Extrapäckchen mit ihrer glutenfreien Spezialernährung dabei hat.

Tipps zur Ernährung gibt es von der Deutschen Coeliakie-Gesellschaft in Stuttgart (http://www.dzg-online.de). Für wenige Euro im Jahr kann man dort Mitglied werden und bekommt dann ausführliche Informationen mit Positivlisten und Negativlisten aller in Deutschland hergestellten Lebensmittel. Außerdem gibt es Kontakte und Informationen zu den Herstellern von glutenfreien Produkte.

Kontakt für die Medien:
Professor Dr. Michael Lentze
Direktor der Kinderklinik des Universitätsklinikum Bonn
Telefon: 0228/287-33213
E-Mail: michael.lentze@ukb.uni-bonn.de

Media Contact

Dr. Inka Väth idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bonn.de/

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