Menschliches Gewebe: vom ‚Operations-Abfall’ zum begehrten Forschungsobjekt

Bisher wird Gewebe, welches im Rahmen klinisch-interventioneller Eingriffe Patienten routinemäßig entnommen wird, nach Abschluss der Untersuchungen bzw. Behandlung im Allgemeinen „verworfen“, d.h. fachgerecht entsorgt. Das Spektrum der Eingriffe, bei denen Gewebe anfällt, reicht dabei von der Darmspiegelung bis zur Krebsoperation.

Bei einer Experten-Tagung am 16. Mai 2008 im Kardinal Wendel Haus in München zeigten nun die Beiträge führender Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich der medizinischen und pharmazeutischen Forschung, dass der Einsatz dieses menschlichen Gewebes in ihrer Forschung von wachsender Bedeutung ist. Er erleichtert den Übergang von der Grundlagenforschung zur klinischen Anwendung und beschleunigt die Entwicklung von Medikamenten, die zudem dadurch wirksamer und sicherer werden.

Insbesondere wenn parallel zum Gewebe Informationen über den Spender, z.B. seine Krankheitsgeschichte dokumentiert werden, lassen sich damit die bestehenden Forschungslücken zwischen der Basisentwicklung im Labor, der Forschung am tierischen Modell und der Anwendung am Patienten schließen. Somit besitzt die Forschung an humanem Gewebe das Potential, zum Ausgangspunkt einer Medizin der Zukunft zu werden.

Da beim Umgang mit Humangewebe Grundrechte und Gemeinwohl berührt werden und neben wissenschaftlichen auch wirtschaftliche Interessen zum Tragen kommen, wurden auch ethische und rechtliche Anforderungen aufgegriffen. Ethische Kriterien für den Umgang mit Humangewebe als auch sich abzeichnende juristisch-ethische Standards im europäischen Vergleich sind diskutiert worden. Ob eine einheitliche gesetzliche Regelung der Nutzung von menschlichem Gewebe für Forschungszwecke möglich bzw. überhaupt sinnvoll ist, blieb jedoch umstritten. Die Aufgaben, die sich der Fachwelt als Selbstverpflichtung im Umgang mit dem Gewebe stellen, konnten jedoch klar umrissen werden: Das Einholen der aufgeklärten Zustimmung der Patienten zur Gewebespende, die Gewährleistung von langfristigem Datenschutz und Datenmanagement, die Etablierung transparenter Verteilungskriterien und –verfahren sowie eine fortwährende Öffentlichkeitsarbeit.

Die Bewältigung dieser Aufgaben, so wurde ebenfalls deutlich, ist dringend geboten, erfordert aber die Zusammenarbeit aller Beteiligten und ist zudem, etwa konkret beim Aufbau von Gewebesammlungen, mit erheblichen Kosten verbunden. Gelingen kann sie nur durch spezialisierte Strukturen, an deren Aufbau sich die forschende Pharmaindustrie gemeinsam mit den akademischen Forschungseinrichtungen finanziell beteiligt und auch die öffentliche Forschungsförderung mitwirkt. Modellhaft für ein solches Unterfangen steht die Stiftung “Human Tissue and Cell Research” (HTCR). Sie verkörpert das Konzept des „ehrlichen Maklers“ (honest broker) und fördert in diesem Rahmen seit ihrer Gründung im Jahr 2000 die Forschung an humanem Gewebe.

Weitere Informationen zum Expertentreffen wie zur Arbeit der Stiftung unter http://www.htcr.de

Ansprechpartner:
PD Dr. Wolfgang Thasler,
Chirurgische Klinik und Poliklinik, Campus Großhadern
E-Mail: Wolfgang.Thasler@med.uni-muenchen.de
Klinikum der Universität München
Im Klinikum der Universität München (LMU) werden an den Standorten Großhadern und Innenstadt jährlich rund 81.000 Patienten stationär, 12.000 teilstationär und 370.000 Patienten ambulant behandelt. Die 44 Fachkliniken, Institute und Abteilungen verfügen über mehr als 2.300 Betten. Von insgesamt 9.000 Beschäftigten sind rund 1.800 Mediziner. Forschung und Lehre ermöglichen eine Patientenversorgung auf höchstem medizinischem Niveau. Das Klinikum der Universität München hat im Jahr 2006 mehr als 58 Millionen Euro an Drittmitteln eingeworben und ist seit Juni 2006 Anstalt des öffentlichen Rechts.

Media Contact

Philipp Kreßirer Klinikum der Universität München

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