Prädiktoren von Vorhofflimmer-Rezidiven nach Kardioversion

Vorhofflimmern ist mit rund einer Million Betroffener in Deutschland die häufigste anhaltende Herzrhythmusstörung. Es führt zu einem Verlust der Vorhof-Kontraktion und zur Herzinsuffizienz. Zudem ist die Gefahr einer Blutgerinnselbildung im Vorhof während Vorhofflimmerns groß: Etwa jeder fünfte Schlaganfall in Deutschland entsteht durch Vorhofflimmern.

Antiarrhythmische Behandlung nach Kardioversion – den Veränderungen im Vorhof entgegenwirken

Durch eine elektrische Kardioversion kann Vorhofflimmern in fast allen Fällen erfolgreich beendet werden. Leider tritt bei der Mehrzahl der Patienten in den ersten Tagen und Wochen nach Kardioversion erneut Vorhofflimmern auf. Das ist zum Teil durch elektrische Umbauvorgänge im Vorhof bedingt. Dieses „elektrische Remodeling“ führt über eine Vielzahl von molekularen und zellulären Veränderungen zu einer Verkürzung des Aktionspotentials im Vorhof, wodurch sich die Gefahr von Vorhofflimmer-Rezidiven erheblich erhöht. Durch die Gabe von Antiarrhythmika, Medikamenten, die das Aktionspotential verlängern, kann das elektrische Remodeling behandelt und ein Wiederauftreten von Vorhofflimmern in etwa der Hälfte der Fälle verhindert werden.

Aus pathophysiologischen Untersuchungen ist bekannt, dass sich die Vorhöfe binnen vier Wochen nach einer Kardioversion vom elektrischen Remodeling „erholen“ (reverse remodelling, „Rückbau“). Sind die ersten Wochen nach Kardioversion überstanden, treten Vorhofflimmer-Rezidive deutlich seltener auf. Diese Erkenntnisse legen nahe, dass eine Behandlung mit Antiarrhythmika vor allem während der ersten vier Wochen nach Kardioversion sinnvoll ist. Üblich ist jedoch eine Langzeit-Behandlung mit Antiarrhythmika nach Kardioversion. Eine kürzere Dauer der Medikamenteneinnahme („therapeutische De-Eskalation“) würde die Behandlung sicherer, günstiger und für mehr Patienten anwendbar machen.

Ist eine verkürzte Behandlung mit Antiarrhythmika nach Kardioversion ausreichend? Die Flec-SL Studie

Die Flec-SL-Studie, die im Kompetenznetz Vorhofflimmern durchgeführt wird, untersucht, ob eine Kurzzeitbehandlung mit Antiarrhythmika für vier Wochen nach Kardioversion genau so effektiv das Wiederauftreten von Vorhofflimmern verhindert wie die heute übliche antiarrhythmische Langzeit-Therapie. Dies wird mit dem zugelassenen Wirkstoff Flecainid überprüft. Das Design der prospektiven, randomisierten, kontrollierten Studie ist publiziert (1). Die Studie wurde im Kompetenznetz Vorhofflimmern geplant („investigator-initiated trial“) und durchgeführt und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) sowie teilweise von MEDA Pharma finanziert. Nach der Kardioversion entscheidet der Zufall, ob die Patienten nur für vier Wochen nach Kardioversion bzw. für die gesamte Nachbeobachtungszeit von sechs Monaten mit Flecainid behandelt werden. Zudem gab es in der ersten Zeit der Studie eine Kontrollgruppe, die nach Kardioversion nicht mit Antiarrhythmika behandelt wurde.

Mit täglichen, per Telefon übertragenen, von den Patienten mit einem Scheckkarten-großen Gerät aufgezeichneten EKGs wird bei allen Studienpatienten geprüft, wann Vorhofflimmern wieder auftritt. Diese „Tele-EKGs“ werden innerhalb von einem Werktag zentral ausgewertet. Bei Wiederauftreten von Vorhoflimmern wird der betreuende Arzt benachrichtigt. Dieser Aufwand ist notwendig, weil mehr als die Hälfte der Vorhofflimmer-Rezidive unbemerkt auftreten (2).

Aktueller Stand der Flec-SL Studie

Die Flec-SL-Studie wurde im März 2005 gestartet. Über 40 Studienzentren aus dem Kompetenznetz in ganz Deutschland sind beteiligt. Bis jetzt wurden rund 420 der notwendigen 575 Patienten in die Studie eingeschlossen. Voraussichtlich werden bis zum Herbst 2008 alle Patienten eingeschlossen sein.

Ein erster, im Protokoll geplanter Analyseschritt, der im Herbst 2007 durchgeführt wurde, überprüft die Wirksamkeit von Flecainid zur Verhinderung von Vorhof-flimmer-Rezidiven bei den Studienpatienten. Dazu wurden die Daten von 242 Patienten (81 ohne Flecainid, 161 mit Flecainid in Kurz- oder Langzeitbehandlung) nach einmonatiger Tele-EKG-Nachbeobachtung ausgewertet. Die Auswertung erfolgte verblindet gegenüber der Behandlungsdauer (Kurzzeit- oder Langzeittherapie) mit Flecainid. Die Ergebnisse dieses ersten Analyseschritts werden am kommenden Samstag auf der Jahrestagung der DGK erstmals präsentiert. Der zweite Analyseschritt, der die Kurzzeit- mit der Langzeitbehandlung vergleicht und damit die eigentliche Hypothese der Studie überprüft, ist nach Studienende im Jahr 2009 geplant.

Sinusrhythmus oder Vorhofflimmer-Rezidiv – wovon hängt es ab?

In der Kontrollgruppe erlitten rund 50 Prozent der Patienten einen Monat nach Kardioversion ein Vorhofflimmer-Rezidiv. Bei den Patienten, die mit Flecainid behandelt wurden, lag die Rezidivrate dagegen nur bei 30 Prozent. Damit ist bestätigt, dass Flecainid Vorhofflimmer-Rezidive verhindert. Wir konnten in diesen Daten zudem weitere Faktoren identifizieren, die für den Erhalt des Sinusrhythmus wesentlich sind. Dies sind:
1. Hohe Flecainid-Blutspiegel zum Zeitpunkt der Kardioversion. Dies legt nahe, dass die üblichen Dosierungen von Flecainid zumindest in den ersten Tagen bei einigen Patienten zu niedrig liegen könnten.
2. Alter 3. Gleichzeitige Einnahme von Beta-Blockern, also von Medikamenten, die das Herz vor einer zu starken sympathischen Aktivierung schützen. Dies unterstützt die klinische Vermutung, dass eine Schonung des Herzens in der ersten Zeit nach Kardioversion hilft, Vorhoflimmern zu verhindern.
4. Hingegen war ein vorgeschädigtes Herz, gemessen als eine reduzierte Herzmuskelkraft (LVEF

Schon heute können die weiteren Analysen dazu beitragen, Patienten für eine Kardioversion und eine Therapie mit Antiarrhythmika gezielter auszuwählen. Wenn sich die Hypothese der Studie bestätigt, könnte die Behandlung mit Antiarrhythmika nach Kardioversion für viele Patienten einfacher und kürzer werden.

Das Kompetenznetz Vorhofflimmern

Im Kompetenznetz Vorhofflimmern arbeiten seit fast fünf Jahren Wissenschaftler und Ärzte bundesweit zusammen, um die Behandlung und Versorgung von Vorhofflimmerpatienten zu verbessern. Das interdisziplinäre Forschungsnetzwerk wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.

Adresse:
Kompetenznetz Vorhofflimmern
Netzwerkzentrale am Universitätsklinikum Münster
Domagkstraße 11, 48149 Münster
Tel: 0251 / 83-45341, Fax: 0251 / 83-45343
info@kompetenznetz-vorhofflimmern.de
Wissenschaftliche Leiter der Flec-SL-Studie:
Prof. Dr. Paulus Kirchhof und Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Günter Breithardt
Medizinische Klinik und Poliklinik C, Universitätsklinikum Münster
Kontakt: Tel: 0251-83-45185, kirchhp@uni-muenster.de
Pressekontakt:
Dr. Angelika Leute, Tel: 0251-83-45341, angelika.leute@ukmuenster.de
Literatur:
1. Kirchhof P, Fetsch T, Hanrath P, Meinertz T, Steinbeck G, Lehmacher W, Breithardt G. Targeted pharmacological reversal of electrical remodeling after cardioversion – rationale and design of the Flecainide Short-Long (Flec-SL) trial. Am Heart J 2005;150:899.

2. Kirchhof P, Auricchio A, Bax J, Crijns H, Camm J, Diener HC, Goette A, Hindricks G, Hohnloser S, Kappenberger L, Kuck KH, Lip GY, Olsson B, Meinertz T, Priori S, Ravens U, Steinbeck G, Svernhage E, Tijssen J, Vincent A, Breithardt G. Outcome parameters for trials in atrial fibrillation: executive summary: Recommendations from a consensus conference organized by the German Atrial Fibrillation Competence NETwork (AFNET) and the European Heart Rhythm Association (EHRA). Eur Heart J 2007;28:2803-2817.

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