Den Haarausfall an der Wurzel packen: Neues Gen bietet Ansatz für wirkungsvolle Therapien

Dabei gelang es ihnen erstmals, einen Rezeptor zu identifizieren, der beim Haarwachstum eine Rolle spielt. Die Wissenschaftler hoffen, dass die Forschungsergebnisse zu neuen Therapien bei verschiedenen Formen des Haarausfalls führen können. Die Studie wird in der März-Ausgabe von „Nature Genetics“ veröffentlicht, ist aber ab dem 24.2. 19 Uhr schon online abrufbar (http://dx.doi.org/10.1038/ng.84).

Rund 100 Haare verliert ein gesunder Mensch pro Tag. Eigentlich nicht schlimm, so lange sie permanent ersetzt werden und sich der Verlust gleichmäßig über den ganzen Kopf verteilt. Wenn Haarausfall deutlich über dieses Maß hinausgeht, stellt das für die Betroffenen jedoch ein großes Problem dar – nicht nur äußerlich, sondern oft auch psychisch. „Hypotrichosis simplex ist selten, kann aber entscheidend dazu beitragen, die Mechanismen des Haarwachstums zu verstehen“, fasst die Leiterin des Projekts, Dr. Regina Betz vom Bonner Institut für Humangenetik, die Forschungsergebnisse zusammen. Die Krankheit wird vererbt; sie trifft sowohl Männer als auch Frauen. Die Betroffenen beginnen in der Regel schon im Kindesalter, kahl zu werden. Der Haarausfall (Alopezie) schreitet mit den Jahren weiter fort und betrifft besonders die Kopfbehaarung. Ursache für die jetzt untersuchte Form der Hypotrichosis simplex ist ein Gendefekt. Er sorgt dafür, dass bestimmte Empfängerstrukturen auf der Oberfläche von Zellen des Haarfollikels nicht mehr korrekt gebildet werden. Wenn Botenstoffe von außen an diese Rezeptoren binden, setzen sie im Zellinnern eine Reaktionskette in Gang, die offensichtlich zur normalen Funktion des Haarfollikels notwendig ist. Bisher war kein derartiger Rezeptor bekannt, der eine spezifische Rolle für das Haarwachstum spielt.

Schlüssel zu neuen Medikamenten gegen den Haarausfall

Die gute Nachricht: „Die defekte Empfängerstruktur zählt zur Klasse der so genannten G-Protein gekoppelten Rezeptoren“, erläutert Professor Dr. Markus Nöthen, Professor für Genetische Medizin vom Life & Brain Zentrum der Universität Bonn. „Und diese eignen sich in besonderem Maße als Angriffspunkte für Medikamente.“ Die Forscher konnten auch einen körpereigenen Botenstoff identifizieren, der im Haarfollikel an den Rezeptor bindet. Damit ergeben sich Chancen für die Entwicklung neuer Wirkstoffe. „Wir können jetzt gezielt nach verwandten Substanzen suchen, die sich bei der Therapie von Haarverlust einsetzen lassen“, blickt Professor Dr. Ivar von Kügelgen vom Bonner Institut für Pharmakologie und Toxikologie in die Zukunft. Möglicherweise können von derartigen Medikamenten Patienten profitieren, die unter ganz verschiedenen Formen von Haarausfall leiden.

Ebenfalls am Projekt beteiligt war Dr. Khalid Al Aboud vom King Faisal Hospital in Makkah, der als Dermatologe für die klinische Fallstudie verantwortlich zeichnete. 2002 hatten er und seine Kollegen eine saudi-arabische Familie mit Hypotrichosis simplex beschrieben. Den Medizinern standen DNA-Proben der Eltern sowie von neun der insgesamt zehn Kinder – darunter vier Betroffenen – zur Verfügung. Ihr Erbgut gab den am Forschungsprojekt Beteiligten den Schlüssel zum Verständnis grundlegender Mechanismen des Haarwachstums sowie des Haarverlustes an die Hand. Nun hoffen die Forscher, dass sich von diesem genetischen Einzelfall ausgehend künftig ein Nutzen für einen weitaus größeren Patientenkreis erzielen lässt.

Kontakt:
Dr. Regina C. Betz
Leiterin einer Emmy Noether-Arbeitsgruppe (DFG)
Institut für Humangenetik, Universität Bonn
Telefon: 0228/287-22344
E-Mail: egina.betz@uni-bonn.de
Professor Dr. Markus Nöthen
Abteilung für Genomik
Forschungszentrum Life & Brain, Universität Bonn
Telefon: 0228/6885-404
E-Mail: markus.noethen@uni-bonn.de
Professor Dr. Ivar von Kügelgen
Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Universität Bonn
Telefon: 0228/73-5445
E-Mail: kugelgen@uni-bonn.de

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Frank Luerweg idw

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