Gesundheitsinformation auf Rezept?

Wie der Nutzer schlechte Internetprogramme vermeiden kann / Studie im Journal of the American Medical Association

Die Qualität von Gesundheitsinformationen im Internet wird von Experten meist als mangelhaft beurteilt. Dennoch sollten Nutzer ihre aktiven Suche nach nützlicher Information im World Wide Web nicht aufgeben. Denn die Vorteile sind groß: Da vielfältige Informationen angeboten werden und rasch aufrufbar sind, können sie unmittelbarer verglichen werden als gedruckte Informationen. Internet-Informationen medizinischen Inhalts sind keineswegs schlechter als vergleichbare gedruckte Publikationen oder Fernsehprogramme. Außerdem bietet das Internet seinen Nutzern spezifische Möglichkeiten, die Qualität seiner Seiten direkt oder indirekt zu bewerten.

Dies sind Ergebnisse einer Untersuchung, die Dr. Gunther Eysenbach von der Forschungsgruppe Cybermedizin und eHealth, Abteilung Klinische Sozialmedizin des Universitätsklinikums Heidelberg, zusammen mit Wissenschaftlern aus London, Halle und Pittsburgh in der letzten Ausgabe des „Journal of the American Medical Association (JAMA)“ (Band 287 vom 22. Mai) veröffentlicht haben. Dafür analysierten sie 79 Studien, die Gesundheitsinformation im Internet auf insgesamt mehr als 7000 Websites nach 86 verschiedenen Qualitätskriterien bewertet hatten. Beurteilt wurde vor allem: Entsprachen die Informationen dem medizinischen Standard? Waren sie vollständig und verständlich? Wie war das Design des Website? Wurden Angaben zu Quellen, Herausgebern und Autoren gemacht?

90 Prozent der Websites enthielten mangelhafte Informationen

Insgesamt 57 Studien kamen zu dem Urteil, dass die Qualität der Informationsprogramme zu wünschen übrig lässt, 17 Studien ergaben eine neutrale Bewertung und 7 Studien erbrachten positive Ergebnisse. Manche der Studienautoren kamen sogar zu dem Schluss, dass bis zu 90 Prozent der medizinischen Internetinformationen falsch oder unvollständig waren.

Die internationale Forschergruppe um Gunther Eysenbach kritisiert jedoch die Methoden, mit deren Hilfe diese Studienergebnisse zustande gekommen waren. Er sieht keine Grundlage dafür, Gesundheitsinformationen im Internet pauschal abzulehnen und generell vor jeglichem Gebrauch zu warnen – im Gegenteil: „Patienten sollten zwar ein kritisches Auge auf die Qualität haben, aber es gibt kaum eine bessere Möglichkeit sich umfassend zu informieren und mit Leidensgenossen Kontakt aufzunehmen als über das Internet“, sagt Eysenbach.

Probleme würden die Bewertungen hinsichtlich der „Richtigkeit“ der Informationen durch verschiedene Wissenschaftler aufwerfen. So hängt das Urteil stark davon ab, wie vertraut die Experten mit dem jeweiligen Gebiet waren. „Medizinische Experten haben andere Vorstellungen als die Nutzer, wie eine Website aussehen sollte. Je höher die Ansprüche sind, desto harscher fällt das Urteil aus“, sagt Dr. Gunther Eysenbach, der seit kurzem an der Universität von Toronto tätig ist.

Information zu Krebs enthält selten falsche Angaben

Auch das Qualitätskriterium „Vollständigkeit“, oft von den Studienautoren zusammen mit der „Richtigkeit“ der Informationen bewertet – wird von der Forschergruppe kritisiert. „Im Internet spielt es eine geringere Rolle als in anderen Medien, da fehlende Informationen ohne Mühe durch Verbindungen zu anderen Websites ersetzt werden können. Nicht die Vollständigkeit einer Homepage zählt, sondern die Tatsache, dass versprochene Information tatsächlich geboten wird und ausgewogen ist“, sagt Eysenbach. Während viele Studienautoren zu dem Schluss kamen, dass die Lesbarkeit von Webinformationen oft schlecht ist, weist das Team um Eysenbach darauf hin, dass keine Studie die tatsächliche Verständlichkeit mit Probanden getestet hat, sondern lediglich Formeln benutzt wurden, die beispielsweise die Satzlänge messen. Die Verständlichkeit in einem Medium wie dem Internet würde aber auch durch Grafiken, Video- und Audio-Material unterstützt, was mit diesen Methoden nicht erfasst würde.

Das medizinische Thema, so ergab die Analyse, scheint eine Rolle für die Qualität zu spielen: Im Durchschnitt nur 5 Prozent der Krebs-Websites wiesen falsche Informationen auf, während Informationen zur Ernährung, insbesondere zum Thema „Gewichtsreduktion“, deutlich schlechter abschnitten. Grundsätzlich seien solche Vergleiche aber mit Vorsicht zu genießen, so Eysenbach, da im Internet es letztendlich der Benutzer selbst in der Hand hat, etwa durch die Wahl seiner Suchstrategie, ob er auf Quacksalberseiten oder vertrauenswürdigen Websites landet.

Tipps für die Suche nach seriösen Informationen

Wie kann dem Internet-Nutzer bei seiner Suche nach seriöser Information künftig geholfen werden? Traditionelle Medien haben einen Filter vor der Erstellung und Verbreitung von Informationen: Herausgeber und Redakteure entscheiden, welche Information letztlich dem Leser, Hörer oder Zuschauer angeboten wird. „Beim Internet muss der Filter primär am anderen Ende sitzen – beim Nutzer „, fordert Eysenbach. Dies fängt mit einem effizienten Einsatz der Suchmaschinen an, zum Beispiel durch Verwendung der richtigen Suchbegriffe. Eysenbach arbeitet im Rahmen des EU-Projekts MedCIRCLE auch an intelligenten Browserprogrammen und Suchagenten, die dem Benutzer vertrauenswürdige Websites – basierend auf Benutzerpräferenzen und Angaben von Informationsanbietern – empfiehlt.

Ein weiterer Rat: „Patienten sollten ihren Arzt fragen, welche Websites oder zumindest welche Suchbegriffe er ihnen empfiehlt.“ Eysenbach spricht sich für „Informationen auf Rezept“ aus – analog der Verschreibung von Arzneimitteln solle der Arzt diese Informationen aufschreiben und dem Patienten mitgeben. Ein weiterer Tipp: Mit der Suchmaschine „Google“ kann der Benutzer feststellen, wer und wie viele andere Websites mit dem Informationsangebot per Link verbunden sind – oft ein indirekter Hinweis auf die Reputation einer Website.

Beim Surfen solle der Benutzer darauf achten, wer die Herausgeber der Website sind. Dies lässt sich fast immer ermitteln. Außerdem sollte, bevor eine Information genutzt wird, die Ziele des Herausgebers bekannt sein, und ersichtlich sein, wann die Information erstellt wurde. Letztlich empfiehlt Eysenbach die Vorzüge des Webs zu nutzen und sich die Information möglichst von verschiedenen Websites einzuholen.

Bei Rückfragen ist Dr. Gunther Eysenbach zu erreichen unter ey@yi.com.

Media Contact

Dr. Annette Tuffs idw

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Medizin Gesundheit

Dieser Fachbereich fasst die Vielzahl der medizinischen Fachrichtungen aus dem Bereich der Humanmedizin zusammen.

Unter anderem finden Sie hier Berichte aus den Teilbereichen: Anästhesiologie, Anatomie, Chirurgie, Humangenetik, Hygiene und Umweltmedizin, Innere Medizin, Neurologie, Pharmakologie, Physiologie, Urologie oder Zahnmedizin.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Eine neue Art der Kühlung für Quantensimulatoren

Stabilere Quantenexperimente werden an der TU Wien mit neuartigen Tricks möglich– durch ausgeklügeltes Aufspalten von Bose-Einstein-Kondensaten. Immer wieder hat man bei Quantenexperimenten mit demselben Problem zu kämpfen, egal ob es…

Eigenständiger Gedächtnistest per Smartphone kann Vorzeichen von Alzheimer erkennen

Digitaler Ansatz soll Weg für bessere Frühdiagnostik bereiten. Mit speziellen Testaufgaben auf dem Smartphone lassen sich „leichte kognitive Beeinträchtigungen“ – die auf eine Alzheimer-Erkrankung hindeuten können – mit hoher Genauigkeit…

Der Klang der idealen Beschichtung

Fraunhofer IWS transferiert mit »LAwave« lasergestützte Schallanalyse von Oberflächen in industrielle Praxis. Schallwellen können auf Oberflächen Eigenschaften verraten. Parameter wie Beschichtungsqualität oder Oberflächengüte von Bauteilen lassen sich mit Laser und…

Partner & Förderer