Jungen sind häufiger betroffen als Mädchen. Die Stiftung Kindergesundheit fordert ganzheitliche Therapien, die je nach Situation des Kindes sowohl die medikamentöse Behandlung als auch psychoedukative und psychotherapeutische Maßnahmen umfassen.
Nach einer Ende 2011 veröffentlichten Untersuchung aus Bayern zeigen bei der Einschulung 13 Prozent der Jungen und acht Prozent der Mädchen Symptome von Konzentrationsstörungen und motorischer Hyperaktivität. In der vierten Klasse sind 18,8 Prozent der Jungen und 9,6 Prozent der Mädchen betroffen.
Sind alle diese Kinder krank? Welche unter ihnen benötigen Hilfe? Und welche Hilfen, Therapien und Förderung brauchen sie wirklich?
Diese Fragen waren Gegenstand eines wissenschaftlichen Symposiums der Stiftung Kindergesundheit, das in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinderhilfe e.V. im Dezember 2011 in München stattfand. Das Symposium stand unter dem Motto: „ADHS in unserer Gesellschaft – wie wir damit umgehen können“.
Das Thema ist brisant: Wenn Kinder mit Medikamenten behandelt werden, um ihr Verhalten zu beeinflussen, wird die Öffentlichkeit hellhörig. Obwohl die ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-Störung mit Hyperaktivität) als international am besten untersuchte Störung der Kinderpsychiatrie gilt, mit weit über 6.000 publizierten Studien, wird die Diskussion oft ideologisch und emotional geführt.
„Die Störung ist real und seine Existenz längst nicht mehr umstritten. Durch die volkstümliche Bezeichnung ‚Zappelphilipp’ wird das Problem lediglich verniedlicht“, sagt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Die betroffenen Kinder sind oft aufgedreht, entwickeln einen fast aggressiven Bewegungsdrang, sind aufbrausend, können leicht ausrasten und mit ihren unvermittelten Wutausbrüchen Eltern, Spielkameraden und Lehrer zur Weißglut bringen. Andere können sich nicht konzentrieren, scheinen nicht zuhören zu können, sind leicht ablenkbar, vergessen viel. Die Familien sind verzweifelt und die Schule kapituliert vor der Herausforderung“.
Auf dem Münchner Symposium suchten ausgewiesene Experten die Antwort auf wichtige Fragen: Sind Eltern und Lehrer im Umgang mit ADHS überfordert? Wie können Fehldiagnosen und falsche Behandlungen vermieden werden? Wie können Ärzte wirksam behandeln, und wann ist die Unterstützung durch Psychologen ratsam?
Kinder- und Jugendpsychiater Professor Dr. Martin H. Schmidt vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit Mannheim wies den häufig erhobenen Vorwurf zurück, dass nicht das Kind das Problem sei, sondern die Industriegesellschaft, die keine unruhigen Kinder dulde und dass nur deshalb die Kinder auf eine von Erwachsenen vorgeschriebene Norm gedrillt werden sollen. Er betonte: Kinder mit ADHS gibt es nicht nur in reichen Ländern, sondern auch in Uganda und China, in Südafrika, Puerto Rico oder Mexiko.
Beginn schon im VorschulalterKinder mit einer diagnostizierten ADHS gehen zu 60 Prozent seltener aufs Gymnasium als unbelastete Kinder. Das sei ungerecht, sagt Professor Schmidt: „Darf man ihnen den Weg ins Gymnasium verwehren, ihnen also eine Ausbildung zumuten, die ihren Fähigkeiten nicht angemessen ist, nur um eine Behandlung mit Stimulanzien zu vermeiden? Die Verantwortlichen müssen nicht nur abwägen, ob das beim individuellen Schüler ethisch vertretbar ist, sondern die Gesellschaft muss einen Konsens zu der Frage finden, ob wir es uns ökonomisch leisten können, auf die optimale Ausbildung Begabter mit Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörungen zu verzichten“.
Die Suche nach Hilfe dauert oft JahreNach aktuellen Daten haben insgesamt haben 4,8 Prozent aller 3- bis 17-Jährigen eine ärztlich oder psychologisch diagnostizierte Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung, Jungen mit 7,9 Prozent wesentlich häufiger als Mädchen (1,8 %). Der große Unterschied zwischen den Geschlechtern besteht in allen Altersgruppen.
Es ist nicht leicht, für das einzelne Kind mit einer ADHS die optimale Behandlung zu finden. Die Leitlinie der Kinder- und Jugendärzte empfiehlt eine "multimodale" Therapie, d.h. eine Behandlung mit verschiedenen Bausteinen, bei der Aufklärung und Beratung der Eltern im Vordergrund stehen. Die betroffenen Kinder benötigen eine konsequente Erziehung und eine verständnisvolle Unterstützung von Erzieherinnen und Lehrern. Es sei eine wohnortnahe kontinuierliche, auch kurzfristig zugängliche Betreuung von Patient und Familie nötig. Dies gewährleistet die Möglichkeit der bedarfsorientierten Gesprächstherapie, der Kontaktaufnahme zu Erziehern/Lehrern, der Indikationsstellung zu diagnostischen Maßnahmen, der Durchführung und Kontrolle der medikamentösen Therapie, der Indikationsstellung zu ergänzenden Therapien. Diese therapeutischen Rahmenbedingungen sind am besten in der kinder- und jugendärztlichen Praxis zu erfüllen. Von dort sollte die multimodale Therapie koordiniert werden in Kooperation mit Kinder- und Jugendpsychiatern, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, Heilmittelerbringern u. a., heißt es dazu in der Leitlinie.
Plötzlich kann das Kind ruhig spielenHartnäckig hält sich die Behauptung, die medikamentöse Behandlung des ADHS-Syndroms würde der Entstehung einer Sucht Vorschub leisten. Sie sei jedoch nach dem gegenwärtigen Wissenstand unbegründet, betonten die Experten auf dem Symposium der Stiftung Kindergesundheit in München. Vielmehr belegen neuere Studien, dass im Gegenteil ADHS-Patienten, die medikamentös behandelt wurden, später deutlich seltener Alkohol trinken, rauchen oder Rauschgift konsumieren, als Patienten mit unbehandeltem ADHS.
Oft liegt das Problem in der FamilieProfessor Koletzko resümierte nach der erfolgreichen Tagung: „Die Fachleute sind sich einig, dass eine ausschließlich medikamentöse Behandlung von ADHS ungenügend ist. Notwendig sind vielmehr ganzheitliche Therapien, die je nach Situation des Kindes sowohl die medikamentöse Behandlung als auch psychoedukative und psychotherapeutische Maßnahmen, und entsprechende Rahmenbedingungen in den Regeleinrichtungen der Betreuung, Bildung und Ausbildung umfassen. Die Erfolg versprechende medikamentöse Therapie darf aber nicht länger verteufelt werden. Gewiss: Sie kann Nebenwirkungen haben. Aber ihr Nutzen für das spätere Schicksal der Kinder ist deutlich höher als ihre tatsächlichen oder theoretischen Risiken“.
Vorbeugen ist besser als heilen.
Hildegard Debertin | idw
Weitere Informationen:
http://www.kindergesundheit.de/
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