Babys im Bett besser schützen

Der Plötzliche Kindstod, auch Krippentod und Sudden Infant Death Syndrome (SIDS) genannt, ist die häufigste Todesart bei Babys im ersten Lebensjahr. Gemeint ist damit der plötzliche und unerwartete Tod eines anscheinend gesunden Kindes im ersten Lebenshalbjahr, der meistens während des Schlafes oder im zeitlichen Zusammenhang mit Einschlaf- oder Aufwachphasen eintritt und bei dem auch nach einer gründlichen Untersuchung keine eindeutige Todesursache festgestellt werden kann.

Der „Plötzliche Kindstod“ galt lange Zeit als eines der mysteriösesten Vorkommnisse der Medizin. Das Geschehen lässt sich auch heute noch nicht erklären. Nach Erkenntnissen der letzten Jahre gibt es jedoch nicht die eine Ursache, sondern es kommen immer mehrere Belastungen zusammen, wenn ein Baby ohne Vorwarnung sein Leben verliert.

Der Münchner Kinder- und Jugendarzt Professor Dr. Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit: „Nach der Hypothese des ‚Triple-Risk Models’ kann es zu SIDS kommen, wenn drei Bedingungen gleichzeitig auftreten: Das Kind befindet sich in einem empfindlichen und verwundbaren Entwicklungsstadium seines Nerven- und Immunsystems, es liegen bestimmte genetisch bedingte Strukturvarianten („Polymorphismen“) im Stoffwechsel des Nervenbotenstoffs Serotonin vor, und es kommen Stressfaktoren von außen hinzu, wie Schlaflage, Überwärmung, Infektionen oder eine Belastung durch rauchende Eltern“.

Wissen rettet Babyleben
Allein durch Beachtung der genannten Stressfaktoren lässt sich das Risiko des Babys radikal vermindern. Gab es 1998 in Deutschland noch 602 Todesfälle durch SIDS, wurden im Jahr 2008 nur noch 215 Fälle gezählt. Damit sank die Häufigkeit innerhalb von zehn Jahren von 0,79 pro 1.000 Lebendgeborene auf 0,31 pro 1.000 Babys, also um mehr als die Hälfte!

Dieser beeindruckende Erfolg wurde ohne medizinische Maßnahmen und ohne Medikamente erzielt, allein durch die Information und Aufklärung junger Eltern über das richtige Verhalten, betont die Stiftung Kindergesundheit mit großem Nachdruck.

„Für die Vermittlung dieses Wissens ist die Einbindung aller mit den jungen Eltern in Kontakt stehenden Berufsgruppen unerlässlich“, sagt Professor Koletzko. „Wichtig ist dabei, dass die Multiplikatoren – das sind die Geburtshelfer und Hebammen in den Geburtskliniken, Kinderärzte, Allgemeinärzte und Krankenschwestern, die Mitarbeiter in Praxen, Schwangerenberatungsstellen, Migrantinnenbetreuungsstellen, Gesundheits- und Jugendämtern – möglichst einheitliche Informationen weitergeben, damit die Schwangeren und Eltern nicht durch unterschiedliche Botschaften verunsichert werden“.

Deshalb hat sich die Stiftung Kindergesundheit an einer großen Informationskampagne des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) zum Thema „Sicherer und gesunder Babyschlaf“ beteiligt. Ein von der Stiftung mitentwickelter Flyer zur Elterninformation wurde in mehreren Sprachen übersetzt. Im Rahmen der von Präventionsexpertin Dr. med. Uta Nennstiel-Ratzel betreuten Kampagne des Landesamtes wurden 360.000 Flyer, 694 Poster und 795 Infopakete versandt. An der abschließenden Befragung nahmen bis auf eine alle 138 bayerischen Geburtskliniken teil.

So schläft das Baby gut und sicher
Die sechs evidenzbasierten und praktikablen Kernpunkte der dabei vermittelten Empfehlungen lauten:
1. Schlafposition in Rückenlage;
2. Verwendung von Babyschlafsäckchen;
3. Schlafen im eigenen Bettchen im Elternschlafzimmer;
4. Schutz vor Überwärmung;
5. Rauchfreie Wohnung;
6. Stillen.
Der Flyer dient als Basis für die mündliche Aufklärung durch Hebammen, Kinderkrankenschwestern und Ärzte über die SIDS-Risiken und ihre Vermeidung. Ebenso wichtig wie das persönliche Gespräch ist das Vorbild des Personals in den Geburtskliniken. Hebammen und Säuglingsschwestern können in den Babyzimmern die jungen Eltern auf einfache Weise an die Gestaltung einer sicheren und gesunden Schlafumgebung für ihr Baby heranführen.
Aufklärung ist wichtig
Dr. Uta Nennstiel-Ratzel und ihr Team haben vor kurzem die bisherigen Ergebnisse der bayerischen Präventionskampagne ausgewertet und in einem Fachblatt publiziert (Klinische Pädiatrie 2009; 221: 1-6). Ihre Bilanz weist sowohl erfreuliche Fortschritte als auch noch bestehende Defizite auf:
• Der Anteil der in den Kliniken über die SIDS-Risiken aufgeklärten Eltern wuchs von 92 Prozent im Jahr 2005 auf 97 Prozent im Jahr 2007.
• Der Anteil der Geburtskliniken, in denen ausschließlich Babyschlafsäckchen verwendet wurden, nahm von 12 auf 37 Prozent zu.
• Dagegen wurde die Empfehlung, Babys auf dem Rücken schlafen zu lassen, in vielen Entbindungskliniken offenbar nicht ernst genug genommen: Der Anteil der konsequent auf den Rücken gelegten Babys lag auch 2007 bei nur 54 Prozent. Jedes vierte Baby wurde weiterhin auf den Bauch oder auf die Seite zum Schlafen gelegt.

• Nur 14 Prozent alle Eltern befolgten alle sechs Empfehlungen der Ratgeberbroschüre. Nur 59 Prozent der Babys schliefen im eigenen Bett im Elternzimmer, 7,5 Prozent schliefen im Bett der Eltern und 21,4 Prozent allein im Kinderzimmer. Jedes vierte Baby lebte in einem Raucherhaushalt.

Rauchen – das große Baby-Risiko
Neben der Bauchlage ist derzeit das Rauchen das wichtigste vermeidbare Risiko für den Plötzlichen Kindstod, betont die Stiftung Kindergesundheit. In Deutschland rauchen immer noch über zwanzig Prozent aller Frauen auch während der Schwangerschaft weiter. Dabei erhöht sich die Gefahr für das Baby, den plötzlichen Kindstod zu erleiden, bei bis zu zehn Zigaretten am Tag um das Dreifache, bei mehr als 20 Zigaretten sogar um das Neunfache. Würden alle schwangeren Mütter (und ihre Partner!) auf das Rauchen verzichten, könnte die Sterblichkeit an SIDS in Deutschland noch einmal reduziert werden!

Eltern sollten außerdem wissen: Impfungen sind kein Risiko für den plötzlichen Säuglingstod – im Gegenteil: Durch Impfungen wird das Risiko für das Baby deutlich vermindert.

Vorbeugen ist besser als heilen.
Deshalb setzt sich die 1998 gegründete Stiftung Kindergesundheit für eine verbesserte Gesundheitsvorbeugung ein, fördert die hierzu notwendige Forschung und die Verbreitung wissenschaftlich gesicherter Informationen für Ärzte und Familien mit Kindern. Unser Engagement gilt nicht nur Kindern mit besonderen gesundheitlichen Problemen. Die gewonnenen Erkenntnisse kommen allen Kindern und ihren Familien zugute.

Media Contact

Hildegard Debertin idw

Weitere Informationen:

http://www.kindergesundheit.de

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