Alzheimer Pathologie kann durch Prionen-ähnlichen Mechanismus ausgelöst werden, ist aber nicht ansteckend wie BSE

Allerdings nur, wenn das Gehirn in umittelbaren Kontakt mit diesen fehlgefalteten Eiweißen kommt und nicht, wenn diese Eiweiße via Nahrung oder Blut aufgenommen werden.

Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung (HIH) in einer aktuellen Studie, die in Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS) erschienen ist.

Bei der Alzheimer-Erkrankung kommt es im Gehirn zu zwei auffälligen Veränderungen: Zum einen entstehen sogenannte Plaques aus fehlgefaltetem und aggregiertem Amyloid-beta-Eiweiß. Zum anderen entstehen neurofibrilläre Tangles in den Nervenzellen, die aus fehlgefaltetem und aggregiertem Tau-Eiweiß bestehen. Obwohl die Demenz vom Alzheimer-Typ die häufigste Demenzerkrankung darstellt, ist die Ursache der meisten Erkrankungsfälle noch immer ungeklärt. Bereits vor drei Jahren hat die Arbeitsgruppe um Prof. Mathias Jucker (HIH) gezeigt, dass fehlgefaltetes Amyloid-beta-Eiweiß selbst in geringen Mengen die Plaque-Bildung bei Mäusen auslösen kann, wenn es einem gesunden Gehirn von außen zugeführt wird (Meyer-Lühmann et al., Science, 2006).

Vor kurzem konnte eine Forschergruppe aus Basel zusammen mit den Tübinger Kollegen zeigen, dass das gleiche Prinzip auch für die Entstehung von neurofibrillären Tangles gilt (Clavaguera et al., Nature Cell Biology, 2009). Damit verhalten sich sowohl Amyloid-beta als auch das Tau-Eiweiß im Prinzip ähnlich wie Prionen: Auch diese können zelleigene, an sich harmlose Eiweiße dazu bringen, ihre Struktur zu verändern und sich zusammenzulagern und dadurch die Gehirnfunktionen stören.

In der aktuellen Studie des HIH untersuchte Erstautorin Yvonne Eisele, ob Plaques im gesunden Gehirn auch induziert werden können, wenn die fehlgefalteten Eiweiße nicht direkt ins Gehirn gelangen, sondern anderweitig in Kontakt mit dem Körper kommen. Hierbei wurden orale, intravenöse, intranasale und intraokulare Gaben im Versuch mit Mäusen untersucht. Es zeigte sich, dass hierdurch keine Amyloid-beta-Plaques im Gehirn ausgelöst werden. Zumindest nicht mit den verwendeten Konzentrationen und Inkubationsdauern, die in Anlehnung an die benötigten Mengen für eine Prioneninfektion gewählt wurden. Auch gibt es bisher aus epidemiologischen Studien keinerlei Hinweise darauf, dass Alzheimer beim Menschen über vergleichbare Wege übertragen wird wie Prionenerkrankungen.

Eine Infektionsquelle für Prionenerkrankungen sind kontaminierte Instrumente bei Hirnoperationen. So kam es durch die Verwendung von kontaminierten Operations-Instrumenten bei neurochirurgischen Eingriffen nachgewiesenermaßen zu einigen wenigen Fällen von Creutzfeld-Jakob-Erkrankungen; die Instrumente waren zuvor bei Patienten mit unerkannter Prionenerkrankung verwendet und im Anschluss nicht ausreichend gereinigt worden. Im Versuchsansatz wurden daher dünne Edelstahldrähte mit den fehlgefalteteten Amyloid-beta-Eiweißen kontaminiert und mit dem Gehirn der Versuchsmäuse in Kontakt gebracht. Es zeigte sich, dass dieser Kontakt zur Induktion der Amyloid-beta-Fehlfaltung und Plaque-Bildung im Gehirn führt.

Wurden die Drähte zuvor mit einer heute gängigen Sterilisationsmethode behandelt, wurden keine Eiweißablagerungen im Gehirn induziert. Ob es in der Vergangenheit beim Menschen zu solcher Ansteckung durch kontaminierte und nicht adequat sterilisierte Instrumente gekommen ist, ist schwer nachzuvollziehen, da die Inkubationszeit mehrere Jahrzehnte dauern könnte.

Angst vor einer Ansteckung mit Alzheimer durch chirurgische Instrumente muss heute also niemand haben, versichern Yvonne Eisele und Mathias Jucker. Zudem lassen diese Versuche keine Rückschlüsse zu, ob die Auslösung der Amyloid-beta-Fehlfaltung beim Menschen zum Vollbild der Alzheimererkrankung führt. Was die Ergebnisse dieser neuen Studie der Tübinger Forscher jedoch einmal mehr zeigen, ist, dass gewisse biochemische Prinzipien der Eiweißfehlfaltung, die bei den Prionenerkrankungen zu beobachten sind, auch für die Alzheimer-Eiweiße gelten.

Originaltitel der Arbeit:
Induction of cerebral ß-amyloidosis: Intracerebral versus systemic Aß inoculation
Yvonne S. Eisele (a,b), Tristan Bolmont (a), Mathias Heikenwalder (c), Franziska Langer (a,b), Laura H. Jacobson (d), Zheng-Xin Yan (e), Klaus Roth (e), Adriano Aguzzi (c), Matthias Staufenbiel (d), Lary C. Walker (f), and Mathias Jucker (a,g,1)
(a) Department of Cellular Neurology, Hertie Institute for Clinical Brain Research, University of Tübingen, D-72076 Tübingen, Germany; (b) Graduate School for Cellular and Molecular Neuroscience, University of Tübingen, D-72074 Tübingen, Germany;(c) Department of Pathology, Institute for Neuropathology, University Hospital, Zürich, CH-8091 Switzerland; (d) Nervous System Research, Novartis Institutes for Biomedical Research, CH-4002 Basel, Switzerland; (e) SMP GmbH, D-72072 Tübingen, Germany; (f) Yerkes National Primate Research Center and Department of Neurology, Emory University, Atlanta, GA 30322; and (g) German Center for Neurodegenerative Diseases, 72076 Tübingen, Germany

Edited by Stanley B. Prusiner, University of California, San Francisco, CA, and approved June 4, 2009 (received for review March 25, 2009)

Die Studie ist online erschienen in PNAS am 21.07.09.

Kontakte

Kirstin Ahrens
Pressereferentin Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)
Telefon: 07073-500 724
Mobil: 0173-300 53 96
Mail: mail@kirstin-ahrens.de
Universitätsklinikum Tübingen
Zentrum für Neurologie
Hertie-Institut für klinische Hirnforschung (HIH)
Professor Mathias Jucker
Telefon: 07071-29-8 68 63
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