Wie beim Regenwurm: Neues atmendes Material schmiert sich bei Bedarf selbst

Wie beim Regenwurm: Das neue atmende System vom INM schmiert sich selbst, wenn Druck auf das Material ausgeübt wird. Quelle: Iris Maurer; frei im Zusammenhang mit dieser Mitteilung.

Die Wissenschaftler entwickelten ein Material aus einem weichen Kunststoff, in dessen Innerem sich Tröpfchen aus Silikonöl als Schmiermittel befinden.

„Wenn wir Druck auf das Material geben, verändern die Tröpfchen ihre Form und wandern an die Oberfläche. Das Silikonöl verteilt sich dann gleichmäßig auf der Oberfläche zu einer wasser- und schmutzabweisenden Gleitschicht“, erklärt Jiaxi Cui, Leiter der Forschungsgruppe Schaltbare Mikrofluidik.

Verringert sich der Druck, bilden sich die Tröpfchen zurück. Außerdem lässt sich die Gleitschicht auch entfernen und bildet sich immer wieder neu, wenn wieder Druck auf das Material einwirkt. „Es reagiert also dynamisch auf Druck – wie ein ‚atmendes‘ System“, fasst Cui zusammen.

Die Oberflächenstruktur des neuen Materials spielt ebenfalls eine wichtige Rolle: „Auch hierbei haben wir uns vom Regenwurm inspirieren lassen. Seine Hautoberfläche ist nicht glatt, sondern rau. Das haben wir bei unserem Material berücksichtigt und die Oberfläche aufgeraut“, erläutert Cui.

Gerade durch diese Rauigkeit könne sich ein gleichmäßiger Schmierfilm ausbilden und gut haften bleiben. Davon hängt ab, wie reibungsmindernd sich das neue Material verhalten kann. „Die Oberflächenstruktur ist aber auch für die Langlebigkeit der Schmierwirkung von Bedeutung:

„Wir haben den Gleitfilm auf unseren ‚Regenwurmstrukturen‘ mit einem Gleitfilm auf einer glatten Oberfläche verglichen: Unsere Strukturen überstehen 10.000 Reibungszyklen, während es bei Gleitfilmen auf glatten Strukturen nur 300 Reibungszyklen sind“, sagt der Chemiker Cui. Gerade diese Kombination aus rauer Oberfläche und den Schmiermitteltröpfchen im Inneren sei das Besondere an dem neuen Material.

Zwar gibt es schon einige Strukturen, die die Reibung vermindern, darunter auch solche, die der Funktionsweise von Tierhäuten nachempfunden sind. Auch Systeme, die selbst Schmierstoffe freisetzen, sind von Forschern untersucht. Sie alle funktionieren bisher jedoch nur in flüssiger Umgebung.

„Wir stellen erstmals eine Anwendung vor, die die Reibung in fester Umgebung verringert und haben uns dafür vom Regenwurm inspirieren lassen, da er auch durch eine feste Umgebung, Erde, gleitet“, betont Cui. Die Forscher können sich zahlreiche Anwendungen in der Industrie oder Biomedizin vorstellen, nämlich immer dann, wenn ein Gerät reibungslos durch etwas Festes gleiten soll.

Das INM – Leibniz-Institut für Neue Materialien mit Sitz in Saarbrücken ist ein internationales Zentrum für Materialforschung. Es kooperiert wissenschaftlich mit nationalen und internationalen Instituten und entwickelt für Unternehmen in aller Welt. Die Forschung am INM gliedert sich in die drei Felder Nanokomposit-Technologie, Grenzflächenmaterialien und Biogrenzflächen. Das INM ist ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft und beschäftigt rund 250 Mitarbeiter.

Ihr Experte am INM:
Dr. Jiaxi Cui
Leiter Schaltbare Mikrofluidik
Tel: 0681-9300-350
jiaxi.cui@leibniz-inm.de

Originalpublikation:
Zhao, Huaixia; Sun, Qiangqiang; Deng, Xu; Cui, Jiaxi. Earthworm-Inspired Rough Polymer Coatings with Self-Replenishing Lubrication for Adaptive Friction-Reduction and Antifouling Surfaces. Advanced Materials 2018, 30 (29), 1802141. https://doi.org/10.1002/adma.201802141

http://www.leibniz-inm.de

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Dr. Carola Jung idw - Informationsdienst Wissenschaft

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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