Ein Stiefel für 200.000 Schweizer Soldaten

„Eins, zwei, drei, vier“, so schallt es auf vielen Truppenübungsplätzen in Europa. Damit Armeeangehörige auch so angenehm wie möglich zu Fuß unterwegs sind, arbeitet derzeit im Auftrag der ARMASUISSE die Professur Bewegungswissenschaft der TU Chemnitz um Professurinhaber Dr. Thomas L. Milani an einem einzigartigen neuen Armeestiefel.

Gemeinsam mit Dr. Stephan Odenwald, Juniorprofessor für Sportgerätetechnik, konnte er bereits europaweites Interesse wecken: „Die deutsche und die österreichische Bundeswehr sind in das Projekt eingestiegen. Wir werden auch ihre Schuhe testen und neu entwickeln. Die Problematik ist hochaktuell. In den USA und in England kaufen sich die Armeeangehörigen ihre Schuhe selbst, da die von der Army gestellten Schuhe zu Problemen führen“, so Milani.

„Der Armeestiefel wird von uns für ARMASUISSE, die staatliche Armeeversorgungseinrichtung in der Schweiz, komplett neu gestaltet und entwickelt. Er soll möglichst vielen Menschen mit unterschiedlichen Fußformen passen. Die gesamte Schweizer Armee soll dann mit den neuen Stiefeln versorgt werden“, beschreibt Prof. Milani. Im ersten Schritt haben die Wissenschaftler 3.000 Füße gescannt, um entsprechend der verschiedenen Passformen Füße zu kategorisieren.

„Erst einmal müssen wir die unterschiedlichen Fußformen unter einen Hut bringen. Welche Fußform deckt die der breiten Masse ab? Dann kommen Fragen der Schweißentstehung hinzu. Die Sohlengestaltung muss beim Marschieren, beim Klettern und beim Stellungskampf all diesen Anforderungen genügen“, erklärt der Bewegungswissenschaftler und fährt fort: „Die unterschiedlichen mechanischen und biomechanischen Testreihen und die praktischen Tragetests mit der Schweizer Armee führen zu Schuhmerkmalen, die in einem Lastenheft gesammelt werden. In den nächsten zwei Jahren stehen dafür unzählige Testreihen auf der Tagesordnung.

Grundlagenforschung und Sportschuhentwicklung

Bei der Schuhentwicklung kann TU-Professor Milani bereits auf viel Erfahrung zurückgreifen: „80 Prozent unserer Forschungsdrittmittel kommen aus der Schuhindustrie. Dabei begleiten Projekte in der Grundlagenforschung in den entsprechenden Bereichen die jeweiligen Entwicklungsarbeiten.“ Auch im Fußball und in der Formel 1 ist die Professur Bewegungswissenschaft aktiv. So werden zum Beispiel in der Bewegungswissenschaft Fragen wie der Einfluss von Umgebungstemperatur auf die Fußsensorik und das Reaktionsverhalten untersucht.

Damit die Bundesligaprofis vom VFB Stuttgart das Runde ins Eckige treffen, betreibt die Professur derzeit Grundlagenforschung über Verletzungsbereiche eines Fußballspielers anhand der Schuhe des Sportausrüsters Puma. „Wir untersuchen, wie gut die Standfestigkeit des Fußballschuhs bei verschiedenen Anforderungen im Training oder Wettkampf ist. Zum einen will der Spieler Standfestigkeit haben, zum anderen braucht er Flexibilität, um reagieren zu können. Auf diesem Grad bewegen wir uns bei der Stollen- und Nockenforschung. Hinzu kommt die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit der Spielplätze. Wir haben neben dem normalen Gras heutzutage Kunstrasen und Hartplätze, die es bei der Fußballschuhentwicklung zu berücksichtigen gilt“, so Milani.

Neben dem Labor der Bewegungswissenschaft und der Sportgerätetechnik findet sich an der TU Chemnitz ein Kunstrasen der neuen Generation. „Wir profitieren hier von der Kooperation der beiden Firmen Puma und Polytan. Polytan ist einer der größten Kunstrasenplatzhersteller in Europa“, so Milani. „Puma ist beispielsweise daran interessiert, was ein Fußballschuh mitbringen muss, um auf Kunstrasen optimal zu funktionieren“, beschreibt Prof. Milani, der auch selbst leidenschaftlich gerne kickt.

Neben der Sportschuhentwicklung sind auch die Materialentwicklung und die Modellierung zentrale Forschungsbereiche der Professuren Bewegungswissenschaft und Sportgerätetechnik. So kümmern sie sich in einem weiteren Forschungsprojekt um die Technikoptimierung der deutschen Volleyballnationalmannschaft. Insgesamt laufen elf Forschungsprojekte derzeit parallel – um sie alle in Zukunft besser bewältigen zu können, ist ein zweites Forschungslabor in Planung.

Außerdem hofft Prof. Milani, auch für einen weiteren Schwerpunkt – die Parkinson-Forschung – ein Zentrum in Chemnitz aufbauen zu können.

Weitere Informationen erteilt Prof. Dr. Thomas Milani, Telefon 0371 531- 34536, E-Mail thomas.milani@phil.tu-chemnitz.de.

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Katharina Thehos Technische Universität Chemnitz

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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