Schneller graben durch innovative Forschung

Im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsprogramms GEOTECHNOLOGIEN haben Forscher der RWTH Aachen untersucht, welche Prozesse verantwortlich sind und wie sie sich zukünftig vermeiden lassen.

Die Kontaktstelle zwischen Metall und Boden ist beim Spaten des Hobbygärtners oftmals genauso ein Problem, wie im großen Maßstab für Tunnelbohrmaschinen (TBM). Doch gerade im Tunnelvortrieb zählt jeder Meter, jede Minute. Deshalb stehen die Oberflächen von Mineralen und Metallen sowie die Prozesse, die sich an der Grenzfläche abspielen, im Fokus dieser Forschung.

In einem Verbundprojekt mit Partnern der RWTH Aachen, der Herrenknecht AG und der Ed. Züblin AG wurde diese Grenzfläche nun genauer unter die sprichwörtliche Lupe genommen. Hierzu erhielten die Wissenschaftler von den Industriepartnern Bodenproben, hauptsächlich Tone und Lehme aus aktuellen Tunnelprojekten, die im Labor untersucht wurden.

Zum ersten Mal wurden die Materialparameter identifiziert, die für die Adhäsionsfähigkeit also das Anhaften der Bodenpartikel am metallischen Schneidrad, verantwortlich sind. So haben die elektrischen Eigenschaften der Minerale größeren Einfluss auf das chemische Reaktionsverhalten zwischen Mineralen und Metallen als bisher angenommen. Ein entscheidender Faktor ist dabei der Wassergehalt des Bodens. Die Forscher um Giovanni Spagnoli von der RWTH konnten zeigen, dass das im Gestein natürlich vorhandene Wasser einen wesentlichen Anteil an der „Klebrigkeit“ der Minerale hat. Eine standardisierte Analyse dieser Gesteinswässer wurde aber während des Tunnelvortriebs bisher nicht durchgeführt.

Die Laborversuche zeigen zudem, dass sich bei höherem Salzgehalt im Bergwasser die Klebkraft der Tone stark verringert. Einige Tonminerale, wie zum Beispiel Smektit, werden bei Kontakt mit Salzwasser fester. Die höhere Festigkeit macht ein Lösen der Tonschichten für die Bohrmaschine zwar zunächst schwieriger, allerdings bleiben die Tonminerale nur noch in geringen Mengen am Schneidrad haften. Die TBM muss folglich seltener zum Reinigen angehalten werden.

Der gezielte Einsatz von Salzlösungen im Tunnelbau wird im kommenden Jahr in einer ersten Pilotanlage in Zusammenarbeit mit Herrenknecht im Großmaßstab erprobt.

Eine weitere Erkenntnis der Wissenschaftler ist, dass eine geringe elektrische Spannung am Schneidrad der TBM die Klebkraft der Tone ebenfalls deutlich reduziert. Der Effekt der Elektroosmose sorgt dafür, dass sich zwischen dem Ton und dem Schneidrad ein hauchdünner Wasserfilm bildet. Dieser fungiert als Gleitschicht für die Tone, die so einfach vom Schneidrad „abrutschen“. Doch entstehen bei der Elektroosmose auch die Gase Sauerstoff und Wasserstoff – ein explosives Gemisch. Zudem bedeutet das Anlegen einer elektrischen Spannung an das Schneidrad für die Steuertechnik der TBM eine mögliche Störungsquelle. Wie man die Elektroosmose dennoch im Tunnelbau nutzen kann, bleibt daher Inhalt der Forschung.

Die bisherigen Ergebnisse haben über die Grenzen Deutschlands hinweg für Aufmerksamkeit gesorgt. So sind mit Condat Lubrifiant aus Frankreich und der Marti Tunnelbau AG aus der Schweiz auch internationale Forschungspartner im Verbundprojekt „InProTunnel“ engagiert.

Weitere Informationen zu „InProTunnel“ auf den Projektwebseiten:
http://www.inprotunnel.org/
Für weitere Informationen zum Projekt:
Giovanni Spagnoli
Lehrstuhl für Ingenieurgeologie und Hydrogeologie
Department of Engineering Geology and Hydrogeology
RWTH Aachen University
Lochnerstraße 4-20
52064 Aachen – Germany
fon: +49 (0)241 80-96777
fax: +49 (0)241 80-92280
e-mail: spagnoli@lih.rwth-aachen.de
http://www.lih.rwth-aachen.de
http://www.inprotunnel.org/
Das Projekt „InProTunnel“ sowie die weiteren Projekte des Forschungsschwerpunktes „Mineraloberflächen: von atomaren Prozessen zur industriellen Anwendung“ stellen ihre Forschungsergebnisse am 26. und 27. Oktober im Rahmen des GEOTECHNOLOGIEN-Statusseminars an der Universität Mainz vor.

Media Contact

Simon Schneider idw

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