Reversibel und nachhaltig – Neue korrosionsschützende Beschichtungen auf archäologischen Metallen

Abb. 1: Beschichtete Fundstücke: Hirschfänger (oben) und Schwertfragment (unten) INNOVENT e.V.

Im Rahmen einer Kooperation zwischen der Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e.V. in Jena und dem LVR-Landesmuseum Bonn steht die Suche nach innovativen Korrosionsschutzsystemen für metallische Fundstücke im Mittelpunkt.

Die Korrosionsschutzstrategien, die in der Restaurierungspraxis seit Jahrzehnten angewendet werden, arbeiten mit Abschluss der Oberflächenfreilegung mit Korrosionsinhibitoren (im Falle von Kupferlegierungen) und Acrylharz-basierten transparenten Schutzüberzügen (Bronzen und Eisen).

Die Verfahren sind bewährt, aber zweifelsohne hinsichtlich eines nachhaltigen Korrosionsschutzes verbesserungswürdig. Zu diesem Zweck startete INNOVENT ein InnoKOM Projekt mit dem Ziel der Entwicklung einer anwendbaren, auf nachwachsenden Ressourcen basierenden, reversiblen Schutzschicht.

Für die Beschichtungsversuche mit diesen neuartigen Kunststoffen als Substrat stellte das LVR-Landesmuseum Bonn dem Forschungsinstitut zwei archäologische Bodenfunde aus Eisen zur Verfügung. Dabei handelte es sich um einen neuzeitlichen Hirschfänger und ein hochmittelalterliches Schwertfragment (Abb. 1). Beide Stücke wurden im Rahmen von Feldbegehungen entdeckt.

Die Schadensbilder der Objekte sind typisch für archäologische Bodenfunde: Stark korrodiert mit schieferartigen Abplatzungen an der Oberfläche sowie partieller Lochfraß mit Materialverlust an beiden Klingen. Organische Reste der Griffbereiche sind nicht mehr erhalten.

Beide Objekte wurden vor der Bereitstellung für das Beschichtungsprojekt mit Feinstrahltechnik mechanisch freigelegt und die Oberflächen anschließend mit Acryllack Paraloid B 72 als Korrosionsschutz versiegelt. Dabei wurden gezielt Partien der Klingen ausgespart. Dieses Vorgehen sollte die Anhaftung der Testsubstrate sowohl auf vorbehandelte (lackierte) als auch auf unbehandelte Oberflächen überprüfen.

INNOVENT entwickelte ein Verfahren wodurch Oberflächen mit einem nachhaltigen thermoplastischen Kunststoff auf Polysaccharid-Basis geschützt werden können. Stärke-Fettsäure-Ester Granulate (Abb. 2) können in fein gepulverter Form (Korngröße <100 µm) analog einer Pulverbeschichtung (Aufladung und elektrostatische Haftung eines Pulvers mit folgendem Einschmelzen zur Schichtbildung) aufgetragen werden.

Durch die Art und Anzahl der Fettsäure Seitenketten im Syntheseprozess lässt sich die zur Beschichtung nötige Schmelztemperatur individuell einstellen (ca. 50 – 200 °C), sodass auch empfindliche Substrate, wie z. B. Ausgrabungsstücke, beschichtet werden können. Stärke-Fettsäure-Ester können so synthetisiert werden, dass diese klar, farblos und stark hydrophob wirken.

Hierdurch sind diese ideal geeignet zum unauffälligen Schutz von Oberflächen vor Feuchtigkeit und Korrosion.
Da bei der Beschichtung keine Vernetzung innerhalb der Schicht stattfindet, lassen sich Stärke-Fettsäure-Ester leicht wieder von der Oberfläche entfernen.

Dies kann z. B. durch Einschmelzen der Schicht und sanfte mechanische Entfernung oder aber durch Auflösen in einem Lösemittel geschehen. Reversibilität ist besonders in der Konservierung von Kulturgütern ein wichtiger Faktor.

Die beschichteten Objekte wurden im Rahmen eines dreiwöchigen Klimawechseltests (Wechsel zwischen 18°C 40% r.h. und 30°C 70% r.h.) auf ihr Korrosionsverhalten getestet. Die augenscheinliche Begutachtung fiel bei Überprüfung in der Restaurierungswerkstatt des LVR Landesmuseums Bonn sehr positiv aus. Lediglich beim Hirschfänger konnten vereinzelt wenige Punkte entdeckt werden, an denen erneut aktive Korrosionsprozesse angestoßen wurden. Erfreulicherweise litt beim Stresstest auch das Haftungsverhalten weder auf den zuvor unbehandelten, noch bei den mit Acrylharz vorbehandelten Bereichen.

Zuvor schon vorbehandelte, lackierte Sammlungsstücke könnten somit ebenfalls zusätzlich beschichtet werden, um einen optimierten Korrosionsschutz zu erwirken. Das optische Erscheinungsbild, das für Museumsobjekte erheblich ist, konnte ebenfalls positiv bewertet werden. Weder die Transparenz, noch der Glanzgrad haben sich durch den Auftrag der neuen Substrate verändert.

Als Vergleich wurden Beschichtungen mit Parylene herangezogen, welche industriell als farblose, klare und wasserabweisende Schutzfilme eingesetzt werden. Diese Beschichtungen lassen sich allerdings nur mit erheblichem mechanischen Aufwand wieder entfernen. Es zeigten sich in der Schutzwirkung bei der vorliegenden Untersuchung keine Vorteile gegenüber dem Polysaccharid basierten System. Auch die von Parylene bekannten Haftungsprobleme auf bestimmten Substratmaterialien sind bei Polysaccharidestern nicht zu erwarten.

Metallische Kulturgutobjekte können somit mittels biobasierter, lösemittelfreier Schutzschichten vor Korrosion geschützt werden. Für einen umfassenden Schutz ist aber weitere Forschung notwendig, insbesondere bezüglich der Ausbildung zuverlässig geschlossener Schichten auf unebenen Substraten.
Weitere Einsatzgebiete sind überall dort denkbar, wo leitfähige (zwecks Pulverbeschichtung) Oberflächen reversibel oder temporär geschützt werden sollen. Ein Beispiel hierfür wäre der Schutz von Werkstücken während des Transports zur Weiterverarbeitung.

Die Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e.V. analysiert, forscht und entwickelt seit fast 25 Jahren in den Bereichen Oberflächentechnik, Magnetisch-Optische Systeme und Biomaterialen. Das Institut aus Jena beschäftigt etwa 130 Mitarbeiter, leitet verschiedene Netzwerke und führt bundesweit Fachtagungen durch. INNOVENT ist Gründungsmitglied der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse.

INNOVENT e.V.
Dr. Arnd Schimanski
Bereichsleiter Oberflächentechnik
Prüssingstraße 27B
07745 Jena
E-Mail: as@innovent-jena.de

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Anne Brüche idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.innovent-jena.de

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