"Doping" erwünscht: Wissenschafter der TU Graz entwickeln organische Halbleiter weiter

Damit Mobiltelefone, Digitalkameras und MP3-Player überhaupt funktionieren, stecken heute in jedem digitalen Gerät Millionen von Transistoren, die Stromfluss oder Spannung steuern. Die winzigen Bauteile zu verbessern, ist daher eine wichtige Basis, um die Geräte selbst weiter zu entwickeln.

Als Zukunftsfeld gilt dabei die organische Elektronik. Einer disziplinenübergreifenden Forschergruppe an der TU Graz ist nun eine internationale Premiere gelungen: Die Wissenschafter erklären, wie sich durch so genanntes chemisches „Doping“ die Leitfähigkeit eines organischen Halbleiters mittels chemischer Reaktion an einer maßgeschneiderten Zwischenschicht verändern lässt. Ihre Erkenntnisse mit großen Perspektiven für die Sensorik und andere Bereiche der Halbleitertechnologie präsentieren die Forscher im kürzlich erschienenen 20-Jahre-Jubiläumsheft von „Advanced Materials“, einer der international wichtigsten Zeitschriften im Bereich Materialwissenschaften.

Verrotten Lebensmittel, bildet sich Ammoniak noch bevor Mängel sichtbar sind. Das farblose, giftige Gas könnte aber tatsächlich gute Dienste leisten, wenn es darum geht zu erkennen, ob etwa Fleisch in einem Kühlhaus noch in Ordnung ist: Ammoniak verändert die Leitfähigkeit eines Halbleiters, der in einem Sensor eingebaut ist und dieser zeigt an, dass etwas verdorben ist. So sieht zumindest ein mögliches Zukunftsszenario aus, das durch die Erkenntnisse der Grazer Wissenschafter näher rückt. „Wir können mit unserem Modell eine chemische Reaktion nutzen, um elektronische Eigenschaften zu kontrollieren“, erläutern der Chemiker Christian Slugovc und der Physiker Egbert Zojer von der TU Graz.

Darin liegt das internationale Novum: In ihrer Arbeit ist es den österreichischen Wissenschaftern erstmals gelungen, die Funktionsweise von organischen Transistoren über eine chemisch aktive Zwischenschicht zu kontrollieren. Im Fall der Grazer Forscher reagiert Ammoniak mit einer wenige Nanometer dünnen Schicht des Transistors und schaltet so den Widerstand. Das für die organische Halbleitertechnologie revolutionäre Prinzip nutzt damit Erkenntnisse aus der Säure-Base-Chemie für einen Effekt, den die Wissenschafter als „Doping“ bezeichnen.

Zwar war das Grundprinzip dieses „Dopings“ bereits bekannt, künftig kann es durch die Erkenntnisse aus Graz aber auch gezielt genutzt werden. Damit eröffnen sich neue Perspektiven für viele Anwendungsbereiche der organischen Halbleitertechnologie. Ihren Erfolg führen die Forscher auf den hohen Grad der Vernetzung innerhalb der Universität zurück: Insgesamt waren an der Forschungsarbeit Chemiker und Physiker aus neun Arbeitsgruppen an vier Instituten der TU Graz beteiligt. Die Arbeit der österreichischen Forscher finanzieren der Österreichische Wissenschaftsfonds FWF und die Österreichische Nanoinitiative.

Originalarbeit:
Chemical Control of local Doping in Organic Thin-Film Transistors: From Depletion to Enhancement. P. Pacher, A. Lex, V. Proschek, H. Etschmaier, E. Tschernychova, M. Sezen, U. Scherf, W. Grogger, G. Trimmel, C. Slugovc, E. Zojer. Publiziert in Advanced Materials am 18. August 2008
Rückfragen:
Dipl.-Ing. Dr.techn. Univ.-Doz. Christian Slugovc
Institut für Chemische Technologie von Materialien
Email: slugovc@tugraz.at
Tel: +43 (0) 316 873 8454

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Alice Senarclens de Grancy idw

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

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