Neues Verbundmaterial für beschädigte Knieknorpel

Zu seiner Regeneration ist der Knieknorpel paradoxerweise auf mechanische Beanspruchung angewiesen. Dazu zählt beispielsweise die Last, die ihm das Körpergewicht bei jedem Schritt auferlegt.

Die auf diese Weise stimulierten Knorpelzellen entwickeln Rezeptoren für die vom Organismus produzierten Wachstumsfaktoren. Daher könnten auch Medikamente in dieser Phase am besten wirken. Ausgehend von dieser Hypothese haben Dominique Pioletti und Harm-Anton Klok von der ETH Lausanne ein intelligentes Material entwickelt, das einen Wirkstoff erst bei wiederholter mechanischer Beanspruchung abgibt.

Genau definierter Bereich
In einer aktuellen Publikation (*) legen sie dar, dass sich ihr Material aus einer Hydrogelmatrix, Liposom-Nanopartikeln und einer Ladung – in diesem Fall einem Farbstoff – zusammensetzt. Unter wiederholter mechanischer Beanspruchung erwärmt sich die Hydrogelmatrix. Die Wärme bewirkt, dass sich der Durchmesser der Liposomen deutlich verkleinert. Dadurch wird Platz in der Matrix frei, der Farbstoff kann aus ihr entweichen. „Eine der Hauptschwierigkeiten bestand in der Entwicklung von Nanopartikeln, die unserem Anforderungskatalog entsprechen“, erklärt Pioletti. „Damit das Konzept aufgeht, müssen die Nanopartikel in einem genau definierten Bereich von zwei bis drei Grad reagieren, der den statischen vom stimulierten Zustand unterscheidet.“

Die Forschenden haben daraufhin überprüft, ob die Freisetzung des Farbstoffs tatsächlich auf die Erwärmung zurückzuführen ist, die auf Grund der wiederholten mechanischen Beanspruchung entsteht. Sie setzten das Material einer wiederholten Belastung aus, führten jedoch die dabei erzeugte Wärme ab. „Durch diesen Test konnten wir eine schwammartige Funktionsweise ausschliessen, bei welcher der Farbstoff einzig und allein wegen des Drucks entweicht“, sagt Pioletti. In einem weiteren Versuch haben die Forschenden das Material ohne Nanopartikel getestet. Die wiederholte mechanische Beanspruchung erwärmte die Matrix wie vorgesehen, aber der Farbstoff entwich wieder nicht. Die Forschenden schliessen hieraus, dass alle drei Komponenten für die korrekte Funktion des Verbundmaterials notwendig sind.

Langfristige Perspektiven
Obwohl es den Forschenden gelungen ist, die Gültigkeit des Konzepts zu demonstrieren, betont Dominique Pioletti, dass eine auf dem Verbundmaterial basierende Behandlungsmethode noch Zukunftsmusik ist: „Wir müssen zuallererst ein Hydrogel und Nanopartikel entwickeln, die sicher und biologisch abbaubar sind, und danach klinische Studien durchführen. Wichtig ist vor allem, Investitionspartner für das Projekt zu finden.“
Nationales Forschungsprogramm „Intelligente Materialien“(NFP 62)
Das NFP 62 ist ein Kooperationsprogramm des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) und der Förderagentur für Innovation KTI. Ziele des Programms sind neben der Förderung der wissenschaftlichen Exzellenz auch die Ausschöpfung des Potenzials intelligenter Materialien für industrielle Anwendungen. Das NFP 62 möchte die in verschiedenen Forschungseinrichtungen der Schweiz verfügbaren Kompetenzen und Ressourcen bündeln. Das NFP 62 ist 2013 in die zweite Phase getreten, während der noch 14 Projekte mit einem grossen Potenzial für praktische Anwendungen fortgeführt werden. Es endet 2015.

http://www.nfp62.ch

(*)Mohamadreza Nassajian Moghadam, Vitaliy Kolesov, Arne Vogel, Harm-Anton Klok and Dominique P. Pioletti (2013). Controlled release from a mechanically-stimulated thermosensitive self-heating composite hydrogel. Biomaterials online: doi: 10.1016/j.biomaterials.2013.09.065

(Für Medienvertreter als PDF-Datei unter folgender Adresse beim SNF erhältlich: com@snf.ch)

Kontakt
Prof. Dominique P. Pioletti
Labor für Biomechanik in der Orthopädie
EPFL
CH-1015 Lausanne
Tel.: +41 21 693 83 41
E-Mail: dominique.pioletti@epfl.ch
http://lbo.epfl.ch

Media Contact

Abteilung Kommunikation idw

Weitere Informationen:

http://www.snf.ch

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