Keramische Verbundwerkstoffe – Neue Materialien für Technik und Medizin

Trockenspinnverfahren<br>Bildquelle: ITCF Denkendorf<br>

Werkstoffe bilden die Grundlage für viele technische Innovationen und sind für den technologischen Fortschritt unserer Gesellschaft von elementarer Bedeutung. Die IHK Koblenz lud am 23. Oktober 2012 gemeinsam mit dem Innovationscluster Metall-Keramik-Kunststoff und dem VDI Mittelrhein zur Informationsveranstaltung „Innovative Werkstoffe“ ein.

Neben den Werkstoffen Aluminium und Faserverbundkunststoffen standen auch keramische Verbundwerkstoffe im Fokus der Präsentation. Durch ihre Steifigkeit, Festigkeit und hohe Temperaturbeständigkeit ist faserverstärkte Keramik in Technik und Medizin vielseitig einsetzbar.

Die Veranstaltung stieß auf große Resonanz. Rund 90 Teilnehmer, Vertreter aus Unternehmen und Instituten, diskutierten mit den Referenten über die Einsatzmöglichkeiten zukunftsorientierter Werkstoffe. An die Stelle, wo früher Stein, Holz, Bronze oder Stahl eingesetzt wurden, treten heute beispielsweise hochtemperaturbeständige Keramiken, leichtgewichtige Faserverbundwerkstoffe oder spezielle Aluminiumknetlegierungen.

Innovative Werkstoffe tragen zur höheren Leistungsfähigkeit, Wirtschaftlichkeit und Ressourceneffizienz von industriellen Produkten bei. Dr. Bernd Clauß vom Institut für Textilchemie und Chemiefasern (ITCF) in Denkendorf stellte in seinem Vortrag die positiven Eigenschaften und möglichen Einsatzgebiete keramischer Verbundwerkstoffe vor.

Höherwertige Eigenschaften durch Kombination

Faserverbundwerkstoffe sind Mehrphasen- oder Mischwerkstoffe, die aus einer Matrix und darin eingebetteten verstärkenden Fasern bestehen. Durch die Kombination der beiden Komponenten und ihren gegenseitigen Wechselwirkungen besitzen die Verbundwerkstoffe höherwertige Eigenschaften als ihre jeweiligen Einzelkomponenten. Die Grenzschicht zwischen Matrix und Fasern wird als Interface bezeichnet. Aufgabe der Matrix ist es, die Fasern in Form zu halten. Verwendet werden anorganische Fasern wie Glas oder Keramik, organische Fasern wie Kohlenstoff oder Aramid oder Naturfasern wie Flachs oder Sisal. Der Matrixwerkstoff kann beispielweise aus Polyester, PUR (Polyurethan) oder Expoxiden bestehen.

Keramische Verbundwerkstoffe

Vor allem in der Technik und Medizin eröffnen keramische Verbundwerkstoffe neue Möglichkeiten – ob in der Luft- und Raumfahrt, Energietechnik, Industrie oder als Biomaterialien. Keramik verfügt über eine hohe Festigkeit und Steifigkeit, ist verschleißfest sowie korrosions- und temperaturbeständig. Großer Nachteil ist jedoch das Bruchverhalten. Versagen tritt in der Regel durch Sprödbruch auf und es besteht keine Schadenstoleranz. Das bedeutet: Ist das Material einmal beschädigt, bricht und versagt es. Verstärkt man Keramik jedoch mit Fasern, weist dieser Verbundwerkstoff extrem hohe Bruchenergien auf. Dabei sind keramische Langfasern in eine Matrix aus normaler Keramik eingebettet.

Für keramische Verbundwerkstoffe eignen sich nur Fasern, die hochtemperaturbeständig sind – und zwar über 1.000 Grad Celsius. Dazu zählen Kohlenstofffasern (organische Fasern), in inerter Atmosphäre, sowie polykristalline oder amorphe keramische Fasern (nichtmetallische anorganische Fasern). Speziell entwickelte Spinnverfahren ermöglichen die Herstellung sowohl oxidischer Keramikfasern auf der Basis von Mullit und Korund als auch nichtoxidischer Keramikfasern auf der Basis von Siliziumcarbonitriden.

Herstellung von Keramikfasern

Durch eine Lösung, die anorganische und organische Komponenten enthält – meist ohne Zusatz von keramischen Pulvern – werden zunächst Precursorsysteme hergestellt. Die Precursoren werden im Lösungs- oder Schmelzspinnprozess durch eine Spinndüse mit mehreren Löchern gepresst, abgekühlt und aufgespult. Dabei entstehen endlose Fasern, die Filamente, – zunächst als sogenannte Grünfasern. Diese besitzen einen Durchmesser von circa 16 Mikrometern; sie sind dünner als ein Haar. Die anschließende Pyrolyse und das Sinterverfahren, der Brennprozess, bringen die polykristallinen oder amorphen Keramikfasern hervor. Dabei findet eine weitere Schwindung statt, sodass sich zum Beispiel der Durchmesser der Mullit- oder Korund-Multifilamente auf 10 Mikrometer reduziert.

Verstärkende Funktion

Charakteristisch für keramische Fasern ist nicht nur die Hochtemperaturbeständigkeit. Sie sind außerdem korrosionsbeständig und chemisch inert; das heißt, sie reagieren mit potenziellen Reaktionspartnern nicht oder nur in verschwindend geringem Maße. Darüber hinaus verfügen sie über eine geringe Dichte im Vergleich zu Metallen sowie eine hohe Festigkeit und Steifigkeit. So können sie beispielsweise als Verstärkungskomponente in Metallen und Keramiken verwendet werden. Keramikfaserverstärkte Keramiken (CMC) besitzen vor allem für den Bereich der Technik nützliche Qualitäten: Sie haben kein Sprödbruchverhalten, sind sehr schadenstolerant und zeichnen sich durch eine geringe Wärmeleitfähigkeit sowie extreme Temperaturschockbeständigkeit aus.

Neue Werkstoffe für Technik und Medizin

Im Vergleich zu anderen Materialien, wie beispielsweise Metall, sind keramische Verbundwerkstoffe in der Herstellung sehr kostenintensiv. Doch die Investition kann sich aufgrund der langen Lebensdauer lohnen, wie sich am Beispiel eines Brennerrohrs aus einem Oxid/Oxid-Verbundwerkstoff zeigt: Auch nach 20.000 Betriebsstunden ist es immer noch funktionsfähig. Zum Vergleich: ein normales Brennerrohr aus Metall hat nach 1.000 bis 2.000 Betriebsstunden ausgedient.

Auch im medizinischen Bereich können in Zukunft keramische Verbundwerkstoffe eingesetzt werden – zum Beispiel als Biomaterial bei der Knochenrekonstruktion. Das Material weist sehr gute mechanische Eigenschaften sowie eine gute Biokompatibilität auf. In ersten Versuchen konnte gezeigt werden, dass sich Knochenzellen auf einem Implantat aus Korund/Korund-Verbundkeramik besser ansiedeln als auf Titan.

Institut für Textilchemie und Chemiefasern
Das Institut für Textilchemie und Chemiefasern Denkendorf (ITCF) ist Teil der
Deutschen Institute für Textil- und Faserforschung, Europas größtem Textilforschungszentrum. Unter der Leitung von Prof. Dr. Michael R. Buchmeiser betreibt das ITCF Grundlagen- und anwendungsorientierte Forschung entlang der gesamten textilen Produktionskette. Dabei ist das ITCF spezialisiert auf die Entwicklung nachhaltiger Verfahren und Materialien auf Basis synthetischer und natürlicher Polymere. Sie bilden die Grundlage für die Entwicklung neuartiger Werkstoffe, faserbasierter Funktionsmaterialien und intelligenter textiler Strukturen in den Anwendungsbereichen Bekleidung, Life Science, technische Textilien und Umwelt. Die Kernkompetenzen des ITCF erstrecken sich von der Synthese von Faserpolymeren über die Faserherstellung mit allen wichtigen Spinnverfahren bis zur Veredlung von Textilien zur Erzeugung spezieller Eigenschaften.
Innovationscluster Metall-Keramik-Kunststoff (IMKK)
Metall, Maschinenbau, Keramik, Feuerfesttechnologie, Kunststoff und Oberflächentechnik sind die Schwerpunktbranchen mit mehr als 250 Betrieben und 25.000 Arbeitsplätzen in den Landkreisen Altenkirchen, Neuwied und Westerwald. Mit der Einrichtung des Innovationsclusters Metall-Keramik-Kunststoff (IMKK) hat das Land Rheinland-Pfalz ein Instrument geschaffen, um regionale Innovationsprozesse zu moderieren und den Unternehmen einen raschen, fundierten und kontinuierlichen Zugriff auf Forschungsergebnisse von Hochschulen und anwendungsorientierten Forschungsinstituten sowie auf neue Produktionsverfahren und High-Tech-Werkstoffe zu ermöglichen. Der Innovationscluster Metall-Keramik-Kunststoff steht für das Ziel der rheinland-pfälzischen Wirtschaftspolitik, Herausforderungen wie die Energiewende, ein nachhaltiges, effizientes Ressourcenmanagement – die Green Economy – und die Gestaltung zukunftsfähiger Arbeitsplätze als Chance zu nutzen und so die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes in den sich ständig wandelnden globalisierten Märkten zu stärken.

Diese Veröffentlichung wurde von der Europäischen Union aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und vom Land Rheinland-Pfalz kofinanziert.

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Quelle
Innovationscluster Metall-Keramik-Kunststoff c/o TechnologieZentrum Koblenz . Universitätsstraße 3 . 56070 Koblenz

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Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

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