Schule des Klebens

Die weltweit ersten Klebfachingenieure am IFAM in Bremen <br>© Fraunhofer IFAM

Flugzeuge und Herzschrittmacher haben eines gemeinsam: Sie sind geklebt. Ingenieure und Naturwissenschaftler können die Kunst des Klebens am Fraunhofer-Institut für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM in Bremen erlernen. Die weltweit ersten Klebfachingenieure haben den Lehrgang in dieser Schlüsseltechnologie erfolgreich abgeschlossen.

Die moderne Klebtechnik erobert viele Industriezweige, denn neue Materialien wie glasfaserverstärkte Kunststoffe verändern die Produktion. Die Industrie braucht gut ausgebildetes Klebfachpersonal, um bei der Herstellung von High-Tech-Produkten empfindliche Verbundstoffe miteinander verbinden zu können. »Wir finden die beste Fügetechnik für große Metall- und Kunststoffkonstruktionen in Fahrzeugen ebenso wie für Mikrostrukturen im Herzschrittmacher heraus«, erklärt ein Klebfachingenieur. »Denn Schweißen und Löten beeinflussen die zu verbindenden Fügeteile durch hohe Temperatur, beim Schrauben und Nieten wirken alle Kräfte nur auf eine punktförmige Verbindungsstelle.« Klebstoff wird dagegen flächig aufgetragen und die Kräfte werden somit gleichmäßig übertragen. Die Fügeteile können dünner und trotzdem stabiler sein, das Fahrzeug leichter und der Kraftstoffverbrauch geringer. Sogar Vibrationen und Schläge werden durch gummi-elastische Eigenschaften von Klebstoffen gemildert.

»DVS-EWF-European Adhesive Engineer – EAE«: Das ist die seit kurzem europaweit anerkannte Berufsbezeichnung des »Klebfachingenieurs«. Sie wurde jetzt im Klebtechnischen Zentrum KTZ des Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialfor-schung – Klebtechnik und Oberflächen IFAM-KT in Bremen weltweit erstmals vergeben: 25 Klebfachingenieure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz können sich zu den Pionieren zählen, die den anspruchsvollen Ausbildungsgang in der Hansestadt erfolgreich absolvierten.

Ein Intensivlehrgang mit 324 Ausbildungsstunden – modular verteilt über mehrere Monate – verlangte den Teilnehmerinnen und Teilneh-mern viel Arbeitseifer und Selbstdisziplin ab. Bei dem abgeschlossenen ersten Ausbildungsgang stand erstmals die Zielgruppe der technischen Entscheider im Mittelpunkt, nachdem das KTZ seit 1994 rund 1 200 Klebpraktiker und Klebfachkräfte ausgebildet hat. Die Qualifizierung des Führungspersonals fehlte bislang. Diese Lücke wird nun durch die umfassende, mehrwöchige Weiterbildung von

Ingenieuren oder Naturwissenschaftlern aller Fachrichtungen und Branchen zum »European Adhesive Engineer« geschlossen.

»Wir haben alle Anwendungsmöglichkeiten von Klebungen gelernt: Vorher klären wir die Koordinaten: Wie lassen sich Oberflächen so vorbereiten, dass sie verklebbar sind. Welcher der 30 000 Klebstoffe eignet sich für welchen Zweck? Sind die Verbindungen für ein Recycling wieder lösbar, durch extreme Kühlung oder Erhitzen?« berichtet eine Teilnehmerin. Die neuesten Forschungsergebnisse der Klebtechnik fließen direkt in den Unterricht ein. Die 25 frisch zertifizierten Klebfachingenieure in Bremen setzen ihre erworbenen Kenntnisse nun in der Automobilbranche, bei Klebstoff- oder Schienenfahrzeugherstellern sowie Glas- und Optikunternehmen erfolgreich ein. Der nächste Kurs hat schon begonnen.

Media Contact

Prof. Dr. Andreas Groß Presseinformation

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer