Neuartige Funktionsmaterialien für alternative Energien im Visier

Es passierte auf einer wissenschaftlichen Konferenz; Anke Weidenkaff, die in Kiel und Hamburg Chemie studiert hatte, kam ins Gespräch mit Solarchemikern, war fasziniert von dem, was sie da vernahm – und wusste augenblicklich: „ihr“ Forschungsgebiet sind die alternativen Energiequellen. Seither befasst sie sich mit verschiedenen Feststoffen, die eine Form von Energie in eine andere umwandeln können. Nach ihrer Doktorarbeit am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen und der ETH Zürich sowie einem Postdoc-Aufenthalt am Solarforschungs-Institut des „Centre national de la recherche scientifique (CNRS)“ im französischen Font-Romeu habilitierte sie an der Universität Augsburg und erhielt eine Gastprofessur an der Universität Caen. Ende 2003 folgte sie dem Ruf der Empa nach Dübendorf.

Von der Gruppenleitung zur Abteilungsspitze

An der Empa baute sie erfolgreich die Gruppe „Festkörperchemie“ auf, die als erstes Team hier zu Lande neue perowskitartige Thermoelektrika zu entwickeln begann. „Sehr gut“ laufe dies, berichtet Anke Weidenkaff. „Wir haben bereits nach kurzer Zeit angefangen, eine wichtige Rolle in der Perowskitforschung zu spielen, und haben die internationale Perowskit-Konferenz ins Leben gerufen“. Perowskite – keramische Materialien mit einer speziellen Kristallstruktur – eignen sich unter anderem als Energiewandler von mechanischer oder thermischer Energie – sprich Wärme – in Elektrizität. Perowskite liegen im Trend; jährlich erscheinen derzeit mehr als 2500 Publikationen in angesehenen Fachblättern über diese Verbindungen, die dadurch zu einer der wichtigsten Materialklassen der Chemie avancierten.

Im Frühjahr 2006 ernannte die Empa-Direktion Anke Weidenkaff nach einem internationalen Auswahlverfahren zur Leiterin der Abteilung „Festkörperchemie und -katalyse“. In ihrer neuen Position gäbe es eigentlich keine grossen Unterschiede zur vorherigen Arbeit als Gruppenleiterin, meint sie gut 100 Tage nach Antritt der neuen Funktion. „Das Wichtigste für eine Abteilung ist, dass das Team motiviert und kompetent zusammenarbeitet. Keine Frage, meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter erfüllen diesen Anspruch, wir können uns aufeinander verlassen.“

Materialforschung zum Wohl der Umwelt

Der Abteilungsname ist Programm. „Die Festkörperchemie bildet die Grundlage, von der wir weitergehen in Richtung Anwendungen und Materialdesign für Energieumwandlungs- und Umwelttechnologien“, erklärt Anke Weidenkaff. „Nur wenn wir die Eigenschaften von Materialien grundlegend verstehen, können wir neue Werkstoffe mit bestimmten erwünschten Funktionen gezielt herstellen.“ Die Untersuchung von Materialstruktur, Eigenschaften und Interaktionen sei das Band, welches die drei Gruppen – „Festkörperchemie“, „Feststoffanalytik“ und „Festkörperkatalyse“ – zusammenhalte.

Ein bedeutender Forschungsbereich ist das „Massschneidern“ von Energiewandlern, die beispielsweise die Wärme der Sonnenstrahlen in elektrische Energie oder elektrische in chemische Energie umwandeln. Die Energieumwandlung wird durch den Transport von Elektronen oder Ionen, die als „Energieträger“ fungieren, ermöglicht. Anke Weidenkaff und ihr Team untersuchen, wie die geladenen Teilchen in verschiedenen Festkörpern transportiert werden, und wie dieser Energietransport kontrolliert werden kann. Dabei experimentieren die ForscherInnen mit an der Empa entwickelten neuartigen Materialien mit Perowskitstruktur sowie mit Kohlenstoff-Nanoröhrchen. „Unsere Herausforderung ist es, den Gegensatz zwischen Reaktivität und Stabilität eines Materials optimal zu nutzen“, begeistert sich die Chemikerin. Viel versprechend seien so genannte mesoporöse Materialien, also Materialien mit Porengrössen zwischen 2 und 50 Nanometer. Dank der feinen Porenstruktur weisen solche Materialien eine grosse Oberfläche auf, was sie sehr reaktionsfreudig mache. Da mesoporöse Materialien gleichzeitig auch stabil sind, bieten sie sich geradezu an, chemische Energie aus so genannten Redoxreaktionen – wie sie unter anderem in einer Brennstoffzelle ablaufen – in andere Energieformen umzuwandeln.

Der Frage, wie sich der durch Menschen verursachte Ausstoss von Schadstoffen reduzieren oder gar verhindern lässt, geht die Gruppe „Katalyse“ nach. So sucht sie beispielsweise nach neuen Materialien und Technologien für eine „sauberere“ Erdgasverbrennung sowie nach Ersatzmaterialien für edelmetallhaltige Abgaskatalysatoren; denn Palladium, Platin oder Rhodium – die Bestandteile herkömmlicher Katalysatoren – sind sehr teure und knappe Rohstoffe. Perowskitartige Materialien seien hier denkbare Alternativen, so Weidenkaff.

Die neu ausgerichtete Abteilung ist nicht nur Empa-intern sehr gut vernetzt.

Neben gemeinsamen Projekten mit dem PSI und dem „Laboratoire de cristallographie et sciences des matériaux (CRISMAT)“ in Caen bestehen Kontakte mit der Universität Augsburg, und eine Zusammenarbeit mit der „Academy of Science“ in Prag bahnt sich gerade an.

Freude an der Ausbildung von NachwuchswissenschaftlerInnen

Zurzeit betreut Anke Weidenkaff vier Doktorierende – aus Frankreich, Spanien, Weissrussland und Russland – sowie eine Diplomandin aus der Schweiz. „Ich habe sehr viel Spass daran, und die jungen Leute sind sehr erfolgreich“, sagt sie. „Da unsere Doktorandinnen und Doktoranden nicht wie an einer Universität Praktika betreuen müssen, übernehmen sie neben ihrer eigentlichen Forschungsarbeit noch andere Aufgaben.“ So organisieren und gestalten sie beispielsweise Seminare und „hands-on“-Workshops an der Empa, an denen neue Methoden zur Charakterisierung von Festkörpern sowie das Arbeiten mit neuen Computerprogrammen vermittelt werden und die NachwuchsforscherInnen mit eingeladenen ExpertInnen ihre Projekte diskutieren.

Text: Daniela Wenger

Fachliche Informationen:
Dr. Anke Weidenkaff, Abteilung Festkörperchemie und -katalyse, Tel. +41 44 823 4131, anke.weidenkaff@empa.ch
Redaktion (Text und Bilder):
Sabine Voser, Abteilung Kommunikation, Tel. +41 44 823 45 99, sabine.voser@empa.ch

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Martina Peter idw

Weitere Informationen:

http://www.empa.ch

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