Neues Prüfverfahren testet Unregelmäßigkeiten in bekannten und unbekannten Oberflächentrukturen

Fehler in einem regelmäßigen Muster fallen sofort ins Auge ©Fraunhofer IPA

Am Anfang fast jeder neuen Texturanalyse steht eine Trainingsphase, in der Referenzdaten gesammelt werden. Ein neues Prüfverfahren kommt ohne diese Phase aus. Bei ihm stand die Strategie Pate, mit der Menschen Unregelmäßigkeiten auch in unbekannten Mustern sofort erkennen.

Rasch und sicher Verschmutzungen erkennen, Fehler in Geweben entdecken oder Unregelmäßigkeiten auf Oberflächen aller Art finden: Diese grundlegende Aufgabe in der Qualitätssicherung übernehmen immer öfter automatisierte Prüfsysteme. Die meisten arbeiten nach dem Prinzip des überwachten Lernens. D. h. am Anfang jeder neuen Texturanalyse steht eine geführte Trainingsphase, in der das System Referenzdaten über die ideale Oberfläche und alle möglichen Defekte sammelt. Je mehr Daten das System gesammelt hat, desto besser fallen die Prüfergebnisse aus. „Werden große Chargen gleichbleibender Oberflächenqualität geprüft, können mit diesem Ansatz gute Ergebnisse erzielt werden. Schwächen machen sich jedoch bemerkbar, wenn die Solltexturen der Oberflächen Schwankungen unterworfen sind oder die zu prüfenden Oberflächen häufig wechseln“, stellt Jens Pannekamp vom Fraunhofer IPA fest. Eine Neuadaption des Prüfsystems kann in der Regel nicht im Fertigungsbetrieb vorgenommen werden – Produktionsausfälle sind die Konsequenz. Zudem erfordert die Einstellung der Prüfparameter geschulte Fachkräfte, vor allem wenn die zu prüfenden Oberflächen stark strukturiert sind.

Jens Pannekamp und sein Kollege Markus Hüttel haben ein Prüfverfahren entwickelt, das sich an der Fähigkeit des Menschen orientiert, Unregelmäßigkeiten in bekannten wie unbekannten Strukturen zu entdecken: „Unter der Voraussetzung, dass Defekte nur einen kleinen Teil der gesamten Oberfläche ausmachen, nimmt der Betrachter diese als auffällige Abweichungen von der Hintergrundtextur wahr“, erklärt Hüttel. Die Prüfsoftware ahmt dieses Vorgehen nach. Zunächst führt die Software eine Analyse der Oberfläche im aktuell vorliegenden Bild durch und erzeugt ein Modell der Oberflächenstruktur, das lokale Störungen ausblendet. In einem zweiten Schritt vergleicht sie die gesamte Oberfläche mit dem erzeugten Modell und zeigt Fehler und Unregelmäßigkeiten an. „Im Gegensatz zur konventionellen Prüfung ergeben sich Defekte jetzt nicht mehr als Abweichung gegenüber einer extern definierten Sollstruktur, sondern als Störung der im Bild dominierenden Oberflächenstruktur“, berichtet Pannekamp. Sein Verfahren kodiert keine spezifischen Solltexturen oder Fehlerklassen, sondern schafft Lösungsstrategien, die für eine Vielzahl von Strukturen und Oberflächen gelten.

Damit vereinfacht das selbstadaptive Prüfsystem die Oberflächenprüfung. Schwellwerte zur Trennung von Gut- und Schlechtklasse müssen nicht mehr für jede Produktvariante neu festgelegt werden. Das System passt sich automatisch an jedes Prüfteil an und reagiert robust auf Schwankungen der Soll-Struktur. Es eignet sich für unterschiedliche Materialien, von Metall über Keramik und Textilien bis hin zu Schäumen. Trotz der aufwändigen Bildanalyse läuft das Verfahren mit bis zu zehn Bildern pro Sekunde in VGA-Auflösung auf einem Standard-PC. Pannekamps und Hüttels Ansatz ist nicht nur für die klassische Qualitätssicherung interessant. Ein anderes vielversprechendes Anwendungsgebiet ist die Prozessüberwachung. Wie bei der Bildanalyse liegen hier Datenströme – Drücke, Temperaturen, Schwingungen etc. – vor, bei denen außerplanmäßige Veränderungen mögliche Fehler anzeigen. „Man könnte sich so eine Art ’Nachtwächter’ vorstellen, der im Zweifelsfall Alarm schlägt“, überlegt Markus Hüttel. Vorerst beschränken sie die Stuttgarter Wissenschaftler jedoch noch auf ihr Ausgangsproblem, die Oberflächenprüfung. In ersten praktischen Einsätzen in der Industrie hat sich ihr Verfahren bereits bewährt.

Ihre Ansprechpartner für weitere Informationen:

Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA
Dipl.-Phys. Jens Pannekamp, Tel. 0711/970-1829, E-Mail: jens.pannekamp@ipa.fraunhofer.de

Dipl.-Inform. Markus Hüttel, Tel: 0711/970-1817, E-Mail: markus.huettel@ipa.fraunhofer.de

Media Contact

Michaela Neuner idw

Weitere Informationen:

http://www.ipa.fraunhofer.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Materialwissenschaften

Die Materialwissenschaft bezeichnet eine Wissenschaft, die sich mit der Erforschung – d. h. der Entwicklung, der Herstellung und Verarbeitung – von Materialien und Werkstoffen beschäftigt. Biologische oder medizinische Facetten gewinnen in der modernen Ausrichtung zunehmend an Gewicht.

Der innovations report bietet Ihnen hierzu interessante Artikel über die Materialentwicklung und deren Anwendungen, sowie über die Struktur und Eigenschaften neuer Werkstoffe.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Bakterien für klimaneutrale Chemikalien der Zukunft

For­schen­de an der ETH Zü­rich ha­ben Bak­te­ri­en im La­bor so her­an­ge­züch­tet, dass sie Me­tha­nol ef­fi­zi­ent ver­wer­ten kön­nen. Jetzt lässt sich der Stoff­wech­sel die­ser Bak­te­ri­en an­zap­fen, um wert­vol­le Pro­duk­te her­zu­stel­len, die…

Batterien: Heute die Materialien von morgen modellieren

Welche Faktoren bestimmen, wie schnell sich eine Batterie laden lässt? Dieser und weiteren Fragen gehen Forschende am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) mit computergestützten Simulationen nach. Mikrostrukturmodelle tragen dazu bei,…

Porosität von Sedimentgestein mit Neutronen untersucht

Forschung am FRM II zu geologischen Lagerstätten. Dauerhafte unterirdische Lagerung von CO2 Poren so klein wie Bakterien Porenmessung mit Neutronen auf den Nanometer genau Ob Sedimentgesteine fossile Kohlenwasserstoffe speichern können…

Partner & Förderer